Adrian Amstutz: Tanz auf drei Hochzeiten
Publiziert am 23. Oktober 2007Zwei auflagenstarke Zeitungen befassen sich heute ausgiebig mit dem Berner SVP-Nationalrat Adrian Amstutz. Für die “Berner Zeitung” ist er in der “Poleposition” für den Regierungsratssitz, der durch Werner Luginbühls Wechsel in den Ständerat frei wird. Amstutz erzielte am Sonntag rund 124’000 Stimmen – ein Glanzresultat, an das niemand der 25 anderen Berner Nationalratsmitglieder nur annährend herankam.
Der “Blick” wiederum sieht den “smarten Adrian” als möglichen Nachfolger von Bundesrat Samuel Schmid. Gegen diesen braut sich offenbar etwas zusammen. In der “Elefantenrunde” vom letzten Sonntag hatte SVP-Chef Ueli Maurer die Idee Fulvio Pellis aufgenommen, die drei amtsältesten Bundesräte, also Leuenberger, Couchepin und Schmid, auszuwechseln. Nicht irgendwann, sondern bald. Damit war die Lunte gelegt.
“Wenn Samuel Schmid weiss, zu welcher Partei er gehört, gibt es keinen Grund, ihn auszuwechseln”, sagt Amstutz im “Blick”. Keine Zweifel, da wird Druck aufgebaut. Wie schon bei Adolf Ogi versucht die Spitze der Volkspartei, Schmid auf ihre Linie zu bringen. Sonst droht mehr als nur Liebesentzug.
Amstutz wäre für die Parteioberen eine ideale Neubesetzung. Er politisiert auf dem rechten Parteiflügel, ist ehrgeizig, gut aussehend, umtriebig und im Volk gleichwohl beliebt. Wenn er spricht, nimmt er kein Blatt vor den Mund. Sein Aufstieg verlief schnell: 1998 wurde er in den Grossen Rat gewählt, seit 2003 ist er im Nationalrat und schon bald eine tonangebende Figur innerhalb der SVP Schweiz.
Wichtig bei der Bundesratsfrage: Amstutz ist Berner. Von zwei Ausnahmen abgesehen (Leon Schlumpf, Graubünden, sowie Christoph Blocher, Zürich) waren bislang alle SVP-Bundesräte aus dem Kanton Bern. Den Auftakt machte anno 1929 der legendäre Bauernführer Rudolf Minger. Die Berner SVP-Sektion ist nicht nur die traditionsreichste – hier entstand im November 1917 die Bernische Bauern- und Bürgerpartei als eine Abspaltung des Freisinns -, sondern weiterhin auch die grösste. Als Berner hätte Adrian Amstutz eine grosse Hausmacht hinter sich und er profitiert alleine schon davon, nicht zu den von vielen verachteten Zürchern zu gehören.
Amstutz tanzt noch auf einer dritten Hochzeit: Er wird auch als Nachfolger von Ueli Maurer gehandelt – zusammen mit Toni Brunner (SG). Der Berner Oberländer wird gut abwägen müssen, ob er als Parteipräsident der SVP Schweiz dereinst bessere Chancen hat, Bundesrat zu werden. Dass er Regierungsrat werden will, kann ich mir nicht vorstellen. (Er wäre auch der Favorit von Hermann Weyeneth als Präsident der SVP des Kantons Bern gewesen, sagte aber ab.) Statt sofort abzuwinken, hält er sich vorerst im Gespräch. Das ist geschickt, und er wird in der Öffentlichkeit an Statur gewinnen, wenn er einer Frau den Vortritt lässt.
Und weil es in der eidgenössischen Politik kaum mehr Tabus gibt, könnte auch urplötzlich ein Powerplay aufgezogen werden, genauso wie vor vier Jahren (“Blocher oder Opposition”). Die SVP beantsprucht einen dritten Sitz im Bundesrat. Mit einem fast doppelt so hohen Wähleranteil wie die FDP könnte die SVP-Führungsriege versucht sein, ihren Anspruch als legitimiert zu bezeichnen. Am 12. Dezember schlägt allenfalls die grosse Stunde von Adrian Amstutz – wenn er als Kampfkandidat gegen Pascal Couchepin antritt.
Mark Balsiger
Die Amstutz-Schmid-Geschichte entwickelt sich weiter – oder findet sie bereits zu einem Ende?
Adrian Amstutz bezeichnete die Pläne, Bundesrat Samuel Schmid zu ersetzen gegenüber der NZZ als “Chabis” (Ausgabe vom 24.10.2007).
“Ich werde mich nicht zu einer Kampfwahl gegen Samuel Schmid hinreissen lassen.”