Weshalb sich immer mehr Leute um Wahlen foutieren

«Wahlen sind eine Sternstunde der Demokratie.» So formulierte es vor vielen Jahren einmal ein Student von mir. Ein schöner Satz. Doch der Stern leuchtet deutlich schwächer als früher.

Bei den kantonalen Wahlen in Solothurn von gestern betrug die Wahlbeteilung 35 Prozent – ein neuer Tiefstwert. Dasselbe Bild zeigte sich vor Wochenfrist im Kanton Wallis.

Noch nie machten so wenig Walliserinnen und Solothurner von der Möglichkeit Gebrauch, die Regierung und das Parlament im eigenen Kanton zu wählen.

Die Politikwissenschaft unterteilt die Nicht-Wählerinnen und -Wähler in verschiedene Gruppen, etwa:
💠 die zufriedenen Desinteressierten
💠 die Inkompetenten
💠 die sozial Isolierten

Doch weshalb sinkt die Wahlbeteiligung? Ein paar Ansätze:

💬 Das Verständnis für Politik wird in den Schulen zu wenig vermittelt. Ich höre von meinen Studierenden immer wieder, dass auf der Stufe Sek oder Gymi Lehrpersonen vor ihnen standen, die Politik trocken und abstrakt, zuweilen sogar lustlos vermittelt hatten.

💬 Politik ist kompliziert, präziser: Politikerinnen und Politiker schaffen es oft nicht, ihr Tun verständlich zu erklären.

💬 Die Informations- und Vermittlungsleistung der Medien wird immer bescheidener, weil ihre Ressourcen seit 25 Jahren schwinden.

💬 Der Anteil der Menschen, die keine Nachrichten mehr aufnehmen (die sogenannten News-Deprivierten), nimmt zu.

💬 Es geht bei Wahlen um wenig. Auf Sachebene können wir alle paar Monate abstimmen, d.h. beispielsweise Entscheidungen des Parlaments mit einem Referendum kippen.

Eine ergänzende Vermutung: Seit sich die geopolitische Lage destabilisiert hat und die Kanäle mit «Shit» geflutet werden (Steve Bannon), ziehen sich viele Leute zurück ins Schneckenhaus. Der Lärm hat sie ermüdet und sie kapseln sich deshalb aus Selbstschutz ab. Wie sollen solche Menschen wissen, welche Parteien im Wahlkreis Olten-Gösgen zur Verfügung stehen oder welche Auswirkungen der doppelte Pukelsheim auf die Sitzverteilung im Wallis hat?

Die tiefe Wahlbeteiligung, eine Form der A-là-carte-Demokratie, macht mir Sorgen. Klar ist: Nur gut informierte Menschen können überlegte Entscheidungen an der Urne treffen. Im Umkehrschluss sind sie: Wahlvieh.

Du wirst bezahlt, um zu lügen

Am 19. Juli 2024 traten Patent Ochsner zum 9. Mal am Gurtenfestival auf. Wer dabei war, erinnert sich an die langen Warteschlangen und dass es vor der Hauptbühne so eng war wie nie zuvor. Die nackten Zahlen, die erst jetzt publik wurden, zeigen: 32’500 Menschen befanden sich an jenem Freitagabend auf dem Berner Hausberg, obwohl die Obergrenze bei 25’000 liegt.  (Hier eine Zusammenfassung der Nachrichtenagentur Keystone-sda.)

Zwei Gedanken.

Erstens: aus der Sicht der Öffentlichkeit
➡️ Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie wichtig unabhängige Medien sind. Sie fungieren als «Watchdogs». Um ihrer Rolle gerecht zu werden, braucht es Hartnäckigkeit, Ressourcen und eine Chefredaktion mit Rückgrat. Kudos für Christoph Albrecht von der Redaktion «Bund»/BZ für diese Recherche (Bezahlschranke),  ohne daraus einen Skandal zu machen.

Zweitens: aus PR-Sicht
➡️ Dieser Fall wirft einen Schatten auf unsere Branche. Als Berufsmann werde ich in meinem Umfeld immer wieder herausgefordert: «Du wirst also bezahlt dafür, zu lügen.» Der Vorwurf kommt manchmal augenzwinkernd, manchmal ernsthaft.

Seit vielen Jahren begleite ich Unternehmungen, Institutionen, zuweilen auch Einzelpersonen in schwierigen Phasen. Zur Checkliste, die wir noch vor der Vertragsunterzeichnung durchgehen, gehört ein zentraler Punkt: «Was wir sagen, ist wahr.» Das «Wir» benutze ich bewusst.

Für mich ist Wahrheit und Wahrhaftigkeit ein berufsethischer Grundsatz. Wenn ich abends vor dem Spiegel stehe, will ich mir in die Augen schauen können. Auch die Auftraggeber fahren meiner Meinung nach letztlich besser, wenn sie sagen, was ist. Wer transparent und glaubwürdig kommuniziert, geniesst Vertrauen. Um es mit den Worten von Patent Ochsner zu sagen: «Für immer uf di.»

Wer hingegen lügt und dabei überführt wird, hat ein Reputationsproblem. So nehme ich den Leuten der Gurten Festival AG nicht einmal mehr ab, dass es sich bei den zusätzlich herausgegebenen Tickets mehrheitlich um «Freikarten aus den Kontingenten für unsere Partner» handelt.

Printscreen: «Der Bund»/21. Dezember 2024

Only in Switzerland

Die politisch interessierte Welt blickt in die USA. Trump oder Harris – too close to call. Viele US-Amerikanerinnen und -Amerikaner werden heute stundenlang in einer Schlange stehen müssen, um ihr Wahlrecht wahrzunehmen.

Vor wenigen Tagen sagte Bundesrat Albert Rösti an einer Veranstaltung in einer Basler Schule, dass er «eher zu Trump tendiere». Prompt sorgt diese Aussage für Wirbel. Auf der Bundesgasse stellt mir Urs Leuthard für die Sendung 10vor10 ein paar Fragen.

Nach dem Interview will ich so schnell als möglich zurück ins warme Büro. Vor dem Bundeshaus kommt mir ein Gestalt entgegen, in etwa gleich gross wie ich, aber besser gekleidet. Ich erkenne ihn. Mein Atem stockt.

«Grüessech, Herr Bundesrat!», sage ich.

Albert Rösti stoppt und schüttelt mir die Hand. Ein Wort gibt das andere. Ich warne ihn vor, dass er im «Staatssender» flach herauskommen werde und zwinkere mit den Augen. Er lächelt. Wir verabschieden uns, ich verzichte auf das Beweis-Selfie,  und er marschiert davon. Es ist weit und breit kein Bodyguard in Sicht.

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PS:
Die aktuelle Sendung von 10vor10 ist hier abrufbar, der Beitrag über Bundesrat Rösti kommt an zweiter Stelle.

PPS:
Ich tendiere übrigens zu Harris. Die Welt kann sich vier weitere Chaos-Jahre wie von 2017 bis 2020 schlicht nicht erlauben.

Nemo ist nicht Bundesrätin Keller-Sutter

Seit Monaten hat sich ein Mob auf Nemo eingeschossen. Aus dem Nichts kommt das nicht. Dennoch sollten Medien und PR-Leute verantwortungsvoller mit dem Star aus Biel umgehen. Der Abbruch eines Interviews mit ihm schadet letztlich allen.

Direkt nach dem Auftritt am Lakelive Festival sprach Nemo mit dem «Bieler Tagblatt». Als die Journalistin eine Frage zum «politisch aufgeladenen ESC» in Malmö stellte, intervenierte die Presseverantwortliche des Stars. Schliesslich brach Nemo das Gespräch ab, weil «sich jede Frage wie eine Provokation anfühlt». Am Samstag wurde das Rumpf-Interview publiziert und schlägt seither Wellen.  (Es ist hier als PDF verlinkt.)

Natürlich, es gehört zum Job der Journalistinnen und Journalisten, Fragen zu stellen. Natürlich, Interviews sollen kritisch sein. Tatsache ist, dass sie es in den Bereichen Sport, Kultur und Showbusiness oftmals nicht sind, weil den Medienschaffenden die Distanz fehlt oder sie sogar Fans sind. Selbst Roger Schawinski, der härteste Talker der Nation, stellte keine harten Fragen mehr, als er Emil zu Gast in seiner Sendung hatte.

Politikerinnen, Wirtschaftsführer und Sängerinnen wollen alle dasselbe: in den Medien gut herüberkommen. Vor, während und nach Interviews tun sie und ihre Entouragen alles, um dieses Ziel zu erreichen. Sie wollen die Bedingungen diktieren, Redaktionen lassen sich nicht selten darauf ein, weil sie Prominenz und Exklusivität hoch gewichten. Das Resultat sind glattgebügelte Interviews, die uns beim Lesen langweilen.

Ich habe früher oft über Musik geschrieben und viele Interviews geführt, etwa mit Marla Glen, Kuno Lauener, 4 Non Blondes oder Gianna Nannini. Das war manchmal beglückend und manchmal zäh. Und manchmal sagten die Stars Dinge, die sie in die Bredouille gebracht hätten. Ich liess allzu Provokatives oder Unreflektiertes stets weg – zuweilen müssen Künstlerinnen und Künstler vor sich selbst geschützt werden.

Der Fall von Nemo ist anders gelagert: Das Talent aus Biel wird seit Monaten im grossen Stil mit Bösartigkeiten und Hass eingedeckt: Zum einen, weil es nicht-binär ist und ein drittes Geschlecht propagiert, zum anderen, weil es beim ESC den Boykottaufruf gegen Israel mitgetragen haben soll.

Nemo zu den Vorgängen in Malmö keine kritischen Fragen zu stellen, wäre unjournalistisch, natürlich, aber die Medien haben auch eine Verantwortung, nicht unnötig Öl ins Feuer zu giessen. Was im «Bieler Tagblatt» seinen Anfang nahm, hat den Mob sofort mobilisiert.

Keine überzeugende Rolle spielte Nemos Management: Zunächst legte es schriftlich fest, dass die Journalistin auf politische Fragen verzichten solle, rückte aber später wieder davon ab. Zudem verzichtete es darauf, das Interview zurückzuziehen.

Was wir nicht vergessen sollten: Nemo ist gerade einmal 25 Jahre alt und erst seit dem letzten Mai auf der Weltbühne. Im eigenen Lager ist Nemo eine Ikone, für andere eine Hassfigur, allein der Name triggert enorm. Das legt nahe, einen anderen Massstab anzuwenden, als beispielsweise bei Karin Keller-Sutter, die seit 24 Jahren Berufspolitikerin ist.


Nachtrag vom 6. August 2024: 

Heute reagiert der Co-Chefredaktor der «Bieler Tagblatt» (BT) mit einem Leitartikel. Er schreibt, dass Nemo der Sache mit dem Interview-Abbruch schade. Sein Ansatz ist durchdacht, klar formuliert, was dieser schwierigen Debatte hilft. Der Leitartikel ist hier verlinkt (vor der Bezahlschranke).

 

Foto: Benjamin Ramsauer, SRF

Dieser Beitrag ist zuerst bei «Persönlich», dem Portal der Kommunikationsbranche, erschienen. 

Berner Spesenaffäre: Bei simplen Fällen gelingt das Aussitzen nicht

Die Berner Spesenaffäre wäre nie zu einer solchen geworden, wenn der Regierungsrat den «Kassensturz»-Auftritt genutzt und erklärt hätte, worum es wirklich geht. Stattdessen schwieg er. Als die Medienwelle rollte, war das Eindämmen über die Plattform X (früher Twitter) chancenlos. Eine Dekonstruktion.

Dank der Berner Kantonsregierung weiss inzwischen die halbe Nation, dass eine Banane unter Umständen bloss 20 Rappen kostet. Die Spesenaffäre sorgt für Kopfschütteln oder Erheiterung, und sie liefert ein dankbares Sujet für die Schnitzelbänkler. Ausserdem zeigt sie exemplarisch, was passiert, wenn ein Akteur einen simplen Fall aussitzen will.

Rückblende: Der «Kassensturz» des Schweizer Fernsehens SRF recherchierte 2023 über die Spesenkultur der sieben Berner Regierungsrätinnen und Regierungsräte. Die Redaktion hatte Einsicht in die Spesenabrechnungen verlangt, was die Staatskanzlei des Kantons Bern zunächst ablehnte, später aber doch Hand bot und alle Dokumente von 2018 bis 2021 herausgab.

Spätestens zu jenem Zeitpunkt hätten der Regierung und ihren Kommunikationsfachleuten klar sein müssen, dass irgendeinmal über dieses Thema berichtet wird. Sie hätten mehrere Monate Zeit gehabt, die Medienlogik zu antizipieren und die Reaktion in Ruhe vorzubereiten.

Die Einladung des «Kassensturz», an der Theke Auskunft zu geben, wollte kein Regierungsmitglied wahrnehmen. Das war ein folgenschwerer Fehler. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Sache zu erklären: Zunächst – natürlich! – eine Entschuldigung für die wenigen Fehlbuchungen aus den Jahren 2018 und 2019 mit geringen Beträgen (wie der Banane für 20 Rappen). Dann der Hinweis, dass die Spesenverordnung 2021 überarbeitet worden war. Anhand dieses Dokuments kann man aufzeigen, welche Spesen zur Pauschale gehören und welche einzeln abgerechnet werden. Mit anderen Worten: Die Abrechnungspraxis ist transparent und rechtens, moralinsaures Nachhaken wäre abgeprallt. Schliesslich hätte ein rhetorisch fitter Regierungsrat während des Live-Interviews erwähnen können, dass man in der Spesenverordnung neu einen Minimalbetrag festlegen will. (Just das hat der Regierungsrat am Mittwoch nun entschieden.)

Stattdessen schwieg die Gesamtregierung, während Regierungspräsident Philippe Müller die Plattform X und eine Parteiversammlung nutzte, um sich zu erklären, was prompt in die Medien schwappte. Als die Medienwelle schon am Rollen war, versuchte der Kommunikationsdienst des Kantons, sie mit Tweets zu dämmen. Nur ein Beispiel: «Es gibt kein Regierungsmitglied, das Kleinstbeträge als Spesen abrechnet – erst recht nicht systematisch.»

Passiert ist das vor Jahren in ein paar Einzelfällen eben doch – dumm gelaufen, ungeschickt und kakophonisch kommuniziert.

Die Story war viel zu süffig, um nicht sofort einzuschlagen. Im Zeitalter des Clickbait-Journalismus ist sie ein Geschenk. Praktisch alle anderen Medien sprangen auf, viele Beiträge haben einen spöttischen Unterton.

Machen wir zwei Schritte zurück: Dieser Fall ist Pipifax und die Story ist bei Lichte betrachtet dünn. Ein «Mea Culpa» im «Kassensturz», gefolgt von einer Einbettung an der Theke (das hat nicht mit einer Rechtfertigung zu tun) – so hätte sich kein Krisenherd entzündet. Nur das defensive Vorgehen der Regierung und die lamentable Kommunikation haben diesen Fall zur Spesenaffäre gemacht. Der Imageschaden ist angerichtet, und weil die Story so simpel ist, bleibt sie uns weit über die Fasnacht hinaus in Erinnerung.

Dieser Beitrag ist zuerst beim Online-Magazin «Persönlich» erschienen.

NACHTRAG: In der Kommentarspalte wird ergänzend ein Gast-Kommentar von Adrian Ritz, Professor für Public Management, sowie der FDP des Kantons Bern aufgeschaltet.

Wie Sascha Ruefer ins Offside tappte

Sascha Ruefer liebt das Spektakel im Fussballstadion. Über Ostern geriet er selbst in den Strudel eines üblen Spiels, bei dem es um Rassismusvorwürfe und journalistische Ethik geht. Bislang wenig beleuchtet wurde die Rolle des Regisseurs, der den Dokfilm realisierte. Hätte der TV-Kommentator allerdings drei Punkte beachtet, wäre er nicht ins Offside getappt.

Während der Fussball-WM in Katar gibt Ruefer dem Regisseur eines Dokfilms über die Schweizer Fussballnationalmannschaft ein Interview. Simon Helbling dreht dort im Auftrag von SRF für den Sechsteiler «The Pressure Game – im Herzen der Schweizer Nati». Der offizielle Teil dauert 45 Minuten. Für die Schnittbilder führen die beiden das Gespräch auf der Couch weiter, was weitere 20 Minuten Rohmaterial abwirft. In diesem «Off the record»-Teil machte Ruefer eine Aussage, die ihm jetzt um die Ohren fliegt.

Die ominöse Aussage wurde geleakt und landete schliesslich bei der Wochenzeitung WOZ, die am Gründonnerstag ihren Artikel mit dem Titel «Der Schweizermacher» lanciert. Bei ihr lautet das Zitat so: «Granit Xhaka ist vieles, aber er ist kein Schweizer.» Die WOZ reisst es aus dem Kontext und gibt ihrer Story einen eigenen Spin. Die Aussage sei «klar rassistisch», schreibt sie. Inzwischen ist der Kontext geklärt: Ruefer sprach nicht über die Person Xhaka, sondern über dessen Führungsverständnis als Kapitän der Nationalmannschaft.

Der Rassismus-Vorwurf zusammen mit den Reizfiguren Ruefer und Xhaka – dieser Mix ist explosiv. Auf Twitter zoffen sich alsbald Rassismus-Expertinnen und Fussballfans, die genau wissen, was richtig und was falsch ist. Über journalistische Standards wissen sie weniger Bescheid. Andere Medien ziehen nach, Clickbait winkt von der Seitenlinie und ein Sportjournalist gibt den TV-Star bereits zum Abschuss frei («Ohne Gegenbeweis ist SRF-Reporter Sascha Ruefer kaum zu retten»). SRF, Ruefer und die private Produktionsfirma gehen zunächst auf Tauchstation, der Brand greift um sich.

Schlaglicht auf die Krisenkommunikation: Am Gründonnerstag sortieren sich SRF und Ruefer. Am Karfreitag laden sie ein paar routinierte Sportjournalisten von «Blick», «Tages-Anzeiger», NZZ, CH-Media sowie «20 Minuten» ein und zeigen ihnen die Rohversion des Gesprächs, also die vollen 65 Minuten. Das stellt endlich den richtigen Kontext her – und wirkt: die Berichterstattung ist seit Samstag differenzierter, Ruefer wird entlastet.

Was ein paar Medien in der ersten Phase lieferten, war kein Ruhmesblatt. Ruefer ist allerdings selbst schuld, dass er ins Offside tappte. Drei Punkte, die bei Interview-Settings immer gelten:

– Schlüsselfiguren sollten stets einen «Watchdog» dabeihaben, das heisst eine Fachperson, die zusieht und genau zuhört. Ist eine Aussage problematisch oder falsch, interveniert sie sofort, also unschweizerisch direkt. Das ist in Doha genauso möglich wie in Diessenhofen oder Dublin.

– Auch in einem Dokfilm ist Kürze gefragt. Bei Interviews braucht es einen klaren Fokus und wenige Fragen dazu. Der Fokus wird im Vorfeld gemeinsam geklärt. Wer sich in ein langes Gespräch verwickeln lässt, kann ins Plaudern kommen. Routine und Selbstgefälligkeit sind in solchen Fällen gefährlich.

– Jedes Interview besteht aus einem Vorgespräch (hinter der Kamera, ohne Aufzeichnung!), dem eigentlichen Interview und einem dritten Teil, der sogenannte Einführungs- und Schnittbilder liefert. Sie zeigen den Gast beispielsweise lesend oder diskutierend. Wenn ich als «Watchdog» engagiert bin, lege ich stets im Vorfeld fest, dass im Nachgespräch ein unverfängliches Thema besprochen wird, etwa der letzte Urlaub. Keinesfalls darf es sich um das Hauptthema drehen.

Viele Regisseure zeichnen «off the record» auf – absichtlich

In Ruefers Fall wurden die Kameras nach dem Interview nicht gestoppt, das Gespräch ging aber «off the record» weiter. Viele Filmregisseure gehen absichtlich so vor, weil sie wissen, dass ihre Interviewpartner nach dem offiziellen «Schluss – das war’s!» entspannter antworten. Fakt ist, dass es journalistische Standards verletzt, wenn Aussagen aus einem «Off the record»-Gespräch verwendet werden. In der ersten Version von «The Pressure Game» war das ominöse Zitat drin.

Aus dem 65-minütigen Gespräch mit Ruefer schafften es nur ein paar wenige Quotes in den Film. Dass in der ersten Version just das problematische Zitat dabei war – aus dem Kontext gerissen –, mag Zufall sein. Vielleicht wollte Regisseur Helbling aber bewusst Öl ins Feuer giessen, zumal sich Ruefer schon seit Jahren an Xhaka reibt. Wäre die erste Version ausgestrahlt worden, hätte das zu einer kompletten Eskalation geführt.

Beim Autorisieren machte Ruefer die Produktionsfirma darauf aufmerksam, dass der ominöse Satz missverstanden werden könne und «off the record» gefallen sei. Daraufhin wird die Aussage aus der Rohschnittversion entfernt.

Regisseur Helbling veröffentlichte am Montagabend eine Stellungnahme. Darin hält er fest, die Kontrollmechanismen hätten «wie vorgesehen gegriffen». Das würde zutreffen, wenn er die missverständliche Aussage gar nie für eine Veröffentlichung vorgesehen hätte. Die belastende Situation, «vor allem für Sascha Ruefer, der diese mediale Vorverurteilung über sich ergehen lassen musste», bedauert er. Angemessen wäre es gewesen, nicht nur zu bedauern, sondern um Entschuldigung zu bitten. Ein ehrliches Exgüsé würde allerdings auch Ruefer gut anstehen, seine Aussage bleibt problematisch.

 


Dieser Text ist zeitgleich bei «Persönlich», dem Onlineportal der Kommunikationsbranche, erschienen. 

Foto: keystone

 

Nachtrag vom 13. April 2023:
Die «Wochenzeitung» nimmt sich diesem Thema erneut an. Sie erklärt, wie ihr Redaktor beim Artikel vor Wochenfrist vorgegangen war, wie sie die Sache sieht und weshalb sie die journalistische Sorgfaltspflicht nicht verletzt.

Die Gier nach Geld machte ihr den Garaus

Das letzte Wochenende habe ich mit ein paar feinen Leuten in Engelberg verbracht. Irgendwo im Schnee entdeckten wir tatsächlich jemanden, der die legendäre SKA-Mütze aus den Siebzigerjahren trug. Sie ist Kult, die Credit Suisse hingegen ist: Geschichte. Alfred Escher, der die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) 1856 gegründet hatte, um das Eisenbahnnetz zu finanzieren, würde sich im Grab umdrehen.

Die Schweiz gilt als Hort der Stabilität. Doch im Moment wankt sie: Eben hat die UBS, die grösste Bank des Landes, die zweitgrösste «gerettet». Sonst wären die Credit Suisse und mit ihr viele kleine Banken, zahllose KMU usw. in den Abgrund gerissen worden, was unter Umständen weltweit eine Finanzkrise ausgelöst hätte. Der Bundesrat hat die Übernahme mit einer Notverordnung orchestriert und vielleicht stimmt es, dass dies die beste aller schlechten Optionen ist.

Mächtige Player aus den USA, Grossbritannien und Saudi-Arabien wollten mit der Credit Suisse einen Konkurrenten aus dem Weg räumen. Sie bot sich an, weil sie schwächlich geworden war. Im Jahr 2007 notierte die CS-Aktie bei 80 Franken, am Freitagabend bei Börsenschluss noch bei 1 Franken 86. Diese Talfahrt ist beispiellos, und sie hat einen Grund: Die Boni-Kultur höhlte das Unternehmen von innen immer mehr aus. Selbst wenn die Credit Suisse tiefrote Abschlüsse machte, durften sich ihre Manager bedienen. Nach vielen Fehlern und Skandalen war das Vertrauen schliesslich im Eimer. Der gigantische Kapitalabfluss der letzten Phase (bis zu 10 Milliarden Franken pro Woche) zeigt dies eindrücklich.

In den letzten 20 Jahren hat die Credit Suisse 42 Milliarden Franken Boni ausbezahlt – 42’000’000’000 Franken! Wie kaputt ist diese Bank? Das krasseste Beispiel: Brady Dougan kriegte 2009 nebst seinem fixen Gehalt von 18 Millionen einen Bonus von 71 Millionen Franken. Die Gier der Manager nach dem schnellen Geld hat ihr schliesslich den Garaus gemacht.

Gestern Abend traten einzelne Figuren von Bundesrat, Nationalbank, Finma, UBS und CS vor die Medien. Schuld am Aus der Credit Suisse seien «Gerüchte auf Social Media», wurde erläutert. Und die «Too-big-to-fail»-Regulierung funktioniere in der Schweiz gut.

Fakt ist: Die Finanzmarktaufsicht (Finma) hat die «To-big-to-fail»-Regulierung, die nach der Finanzkrise 2008 eingeführt wurde, noch gar nie angewendet. Die Trennung der Banken nach Sparten – hier klassische Dienstleistungen wie die Kreditvergabe, dort das hochriskante Investmentbanking – war vor ein paar Jahren im Parlament nicht mehrheitsfähig.

Für gerade einmal 3 Milliarden Franken reisst sich die UBS die Credit Suisse unter den Nagel. Das ist ein Spottpreis. Seitens des Staats gibt es eine Defizitgarantie von 9 Milliarden Franken, die Nationalbank hilft bei Bedarf mit einem Darlehen von bis zu 200 Milliarden Franken. Mir wird schwindlig. Doch zurück zur Medienkonferenz:

 Hörten wir gestern Abend einen kritischen Nebensatz von Finanzministerin Karin Keller-Sutter oder Bundespräsident Alain Berset an die Adresse der CS-Spitze? Nada.
 Hörten wir eine leise Selbstkritik seitens der CS-Spitze? Nada. Man müsse sich jetzt auf die Zukunft konzentrieren, sagte Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann.

 «Ach, ihr geldgetriebenen Säcke!», stöhnt Bürokollege Suppino leise!

Wenn alles gut läuft beim Entstehen der neuen Riesen-Bank, braucht es unsere Steuergelder nicht. Die wichtigste Währung in diesem Game: Vertrauen. Das wird eine anspruchsvolle Übung. Nicht zu vergessen: Das eidgenössische Wahljahr hat seit gestern ein Mega-Thema. Die Parteien werden sich von heute an überbieten mit Forderungen und Anschuldigungen.

PS:
Buchtipp zum Thema: «Frühling der Barbaren» von Jonas Lüscher. Die Novelle kam zwar schon vor zehn Jahren heraus, ist aber wieder brandaktuell und ein famoses Stück Literatur.

Foto: Der Spiegel

Weshalb Natalie Rickli nicht für den Bundesrat kandidieren wird

Die letzten 24 Stunden sind ein paar Medienanfragen zur Nachfolge von Bundesrat Ueli Maurer eingegangen. Alle Journalisten nennen den Namen der Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli, laut Tamedia hat sie «auf dem Papier das beste Anforderungsprofil». In der Tat war Rickli von 2007 bis 2019 Nationalrätin, ehe sie im Frühling 2019 in den Regierungsrat gewählt wurde. Als einzige der bislang genannten Personen hat sie also Erfahrung auf nationaler Ebene und in einer kantonalen Exekutive.

Dennoch glaube ich nicht daran, dass sie für den Bundesrat kandidieren wird. In diesem Blogposting führe ich aus, wieso.

Rickli und Ernst Stocker wurden am 13. April 2022 von ihrer Partei wieder für den Regierungsrat nominiert. Stocker ist mit 67 Jahren bereits im Pensionsalter. Er wurde bekniet, nochmals anzutreten, weil sonst weit und breit kein geeigneter Kandidat zur Verfügung stand, der den zweiten SVP-Sitz in der siebenköpfigen Regierung souverän hätte verteidigen können. Also muss Stocker nochmals ran.

Die Gesamterneuerungswahlen im Kanton Zürich finden am 12. Februar 2023 statt. Sie haben eine übergeordnete Bedeutung, weil ihre Resultate als Vorboten für den Ausgang der eidgenössischen Wahlen im Oktober 2023 gedeutet werden. Deshalb gilt für jede Partei: verlieren verboten!

Rickli ist wohlgelitten im Entscheidungszirkel rund um Übervater Christoph Blocher, bei der SVP weiss man, was man an ihr hat. Eine Bundesrätin Natalie Rickli, im November wird sie 46-jährig, würde der Partei ein junges und frisches Aushängeschild bescheren. Selbstverständlich wird sie nun hinter den Kulissen bearbeitet.

Allerdings stimmt das Timing nicht für sie. Die Maurer-Nachfolge wird am 7. Dezember unter der Bundeshauskuppel entschieden. Von der SVP wird ein Zweiervorschlag erwartet. Alles andere wäre ein Affront gegenüber den anderen Fraktionen, die deswegen eine wilde Kandidatur vorziehen könnten. Die Dynamik sollte man nicht unterschätzen, zumal Bundesratswahlen geheim sind.

Nehmen wir an, dass Rickli für den Bundesrat kandidiert. In einem solchen Fall steht die SVP-Kantonalsektion vor der Herausforderung, einen Ersatz für Rickli aus dem Hut zu zaubern, der realistische Wahlchancen für die Zürcher Regierung hat. Doch wer ist dieser Mister oder Miss X? Wenn vor Jahresfrist kein Nachfolger für Stocker gefunden werden konnte, wäre die Suche in den nächsten Wochen kaum einfacher. Wer will im Ernst zu einem derart späten Zeitpunkt ins Rennen steigen und sich verheizen lassen?

Im mit Abstand bevölkerungsreichsten Kanton will die stärkste Partei ihren zweiten Regierungssitz gewiss nicht verlieren. Das wäre Sand im Getriebe während des eidgenössischen Wahljahres.

Das Risiko ist auch für Rickli gross. Zweifellos würde sie es auf das Zweierticket der Fraktion schaffen, beispielsweise zusammen mit Albert Rösti (BE), Esther Friedli (SG) oder Alt-Parteipräsident  Toni Brunner (SG). Was aber am Wahltag  geschieht, ist komplett offen. Wenn sie den Sprung in den Bundesrat nicht schafft, kann sie nur schwerlich zurück zu Plan A schwenken, der Wiederwahl für den Zürcher Regierungsrat. Das Volk würde ein solches Hüscht und hott kaum goutieren.

Natalie Rickli ist mediengewandt wie nur wenige Spitzenfiguren in der Schweizer Politik. Sie wird es schaffen, vorläufig als Bundesratskandidatin im Gespräch zu bleiben. Rechtzeitig entscheidet sie sich dann aber für ihre angestammte Position. Das wird dann etwa so klingen: «Es ist eine Ehre, für eine Bundesratskandidatur angefragt zu werden. Nach reiflichen Überlegungen bin ich zum Schluss gekommen, dass in Zürich noch ein paar wichtige Aufgaben auf mich warten.»

So geht Wahlkampf – für den Termin im Februar 2023. Zugleich empfiehlt sich Rickli für die Nachfolge von Bundesrat Guy Parmelin (63), der seit 2015 im Amt ist, also vermutlich noch drei Jahre macht. Oder sie kandidiert 2027 für den Ständerat. Dann wird Daniel Jositsch (SP) nach 12 Jahren im Stöckli und insgesamt 16 Jahren in Bundesbern vermutlich abtreten. Die Chancen stehen für Rickli gut, wenn sie in ihrer zweiten Legislaturperiode als Regierungsrätin keine grossen Fehler macht. Ist sie erst einmal im Ständerat, kann auch der Sprung in die Landesregierung klappen, siehe Karin Keller-Sutter, die eine vergleichbare Karriere hinter sich hat.

Foto: Tages-Anzeiger

Cassis’ Fehltritt auf der Weltbühne

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Dieses Sprichwort drängt sich auf, um den jüngsten Fall von Bundespräsident Ignazio Cassis zu gewichten.

Es ist wertvoll, dass Cassis während der UNO-Generalversammlung den russischen Aussenminister Sergej Lawrow zu einem Gespräch traf. Auch wenn die Erfolgschancen im Promillebereich liegen, soll sich die offizielle Schweiz immer darum bemühen, ihre Guten Dienste anzubieten. So wie sie seit Langem erfolgreich den Austausch zwischen den USA und Iran sowie den USA und Kuba ermöglicht.

Das Foto, das seit gestern Mittwoch in den (sozialen) Medien kursiert, zeigt Lawrow und Cassis beim Händeschütteln. Beide blicken in die Kamera. Die Suggestivkraft von Bildern ist enorm. Es erstaunt deshalb nicht, dass das russische Aussenministerium dieses Foto via Twitter verbreitete (siehe Printscreen oben). Die Botschaft ist zu gut, um sie nicht für Propagandazwecke zu nutzen. Der Aussenminister der Schweiz rehabilitiert eine der Schlüsselfiguren Russlands, und das just am Tag an dem Wladimir Putin eine Teilmobilmachung befohlen hat.

Dumm gelaufen.

Es ist weit mehr als das, und deshalb treffen kritische Worte wie «unsensibel» und «ungeschickt» daneben.

Cassis ist Lawrow in die Falle getappt, wie ich im Interview mit dem Online-Portal «Blue News» ausführe (nachträglich eingefügt).

Ich arbeitete 1996/97 in Bosnien, also direkt nach dem Krieg dort, und zwar im Hauptgebäude der OSZE-Mission in Sarajevo. Es kam regelmässig zu Treffen zwischen Diplomaten, Spitzenpolitikerinnen und mutmasslichen Kriegsverbrechern. Es galt, sich jeweils im Vorfeld gut zu überlegen, welche Bilder man ermöglichen wollte. Mit den Handys konnte man damals keine Fotos machen, Social Media existierten noch gar nicht. Es war einfacher als heute, aber immer noch knifflig.

Doch zurück zur UNO. An ihren Anlässen sind stets Fotografen zugegen, die in der Regel zu Beginn auf den Auslöser drücken dürfen. Das ist Standard.

Selbstverständlich darf Cassis Lawrow die Hand geben. Es macht aber einen himmelweiten Unterschied, ob er dabei für einen Fotografen händeschüttelnd posiert oder dem Russen für ein paar Sekunden die Hand gibt, ihm entschlossen ins Gesicht blickt und sich von der Seite ablichten lässt.

Es ist die Aufgabe von Cassis’ Beraterstab, im Vorfeld jede Eventualität und jedes Risiko zu antizipieren und den Chef darauf vorzubereiten. Womöglich hat er das nicht getan. Oder er hat es getan, aber der Aussenminister reagierte im entscheidenden Moment falsch.

Cassis bemüht sich seit Jahren, als Macher wahrgenommen zu werden und an Statur zu gewinnen. Dabei unterlaufen ihm immer mal wieder kommunikative Fehler. Im vorliegenden Fall wollte er gestärkt von der Weltbühne New York in die Schweiz zurückkehren. Er, der sich mit entschlossenem Blick an einen Tisch mit Lawrow zeigt (siehe unten). Wegen seines Fehltritts bleibt uns freilich das «Handshake»-Foto in Erinnerung.


Nachtrag:

Was ich der Nachrichtensendung «Telegiornale» von RSI zum Thema sagte.

– Komplett anderer Meinung ist Alt-Bundesrat Pascal Couchepin: Er findet die Kritik an Cassis «lächerlich», wie er gegenüber der «Tagesschau» von SRF sagte.

Demokratie braucht starke und unabhängige Medien

In Deutschland torpediert die AfD seit Jahren die Rundfunkanstalten ARD und ZDF. In Grossbritannien kommt es immer wieder zu ruppigen Attacken auf die BBC, in Österreich wurde der ORF zur Zielscheibe. Das gilt auch für die SRG, übrigens keine öffentlich-rechtliche Anstalt, sondern ein Verein mit rund 22’000 Mitgliedern.

Vier Jahre nachdem das Schweizer Volk die No-Billag-Initiative mit 71,6 Prozent Nein versenkt hat, erfolgt bereits der nächste Angriff auf die Vielfalt unseres Landes. Was die libertäre Truppe um SVP-Nationalrat Thomas Matter und Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler gestern präsentierte, nennt sie: «SRG – 200 Franken sind genug».

Um einen auf Jay Badran zu machen: Ich habe ein Déjà vu, gopfverdammi! Bei Lichte betrachtet ist diese Volksinitiative eine «No Billag 2». Für gewisse Leute ist Demokratie offenbar ein Flipperkasten. Was wir vor ein paar wenigen Jahren mühsehlig durchkauten, muss also jetzt schon wieder sein. Und die Initianten blenden natürlich aus, dass die Haushaltabgabe innerhalb von fünf Jahren um 25 Prozent reduziert wurde.

Der Krieg in der Ukraine führt uns gerade vor Augen, wie wichtig unabhängiger Journalismus ist. So agieren die russischen Medien als Propagandakanäle von Putins Regime. Wir in der Schweiz haben hingegen Zugang zu ausgewogener und verifizierter Information. Mehrere Medienschaffende von Schweizer Radio und Fernsehen sind vor Ort oder zumindest in der Region (Luzia Tschirky, Christof Franzen, für RTS Tristan Dessert), während mit David Nauer ein langjähriger ehemaliger Russland-Korrespondent von hier aus für Kontext und Analyse sorgt. Dieses Team hat bislang sehr gute Arbeit geleistet, ergänzt durch den 24/7-Service von Radio SRF4 News.

Informations- und Hintergrundsendungen sind in der kleinräumigen und viersprachigen Schweiz teuer. Aber: Demokratie braucht starke und unabhängige Medien. Eine überzeugende Studie zeigt, dass Staaten mit einem starken Service Public solidere Demokratien sind.

Die Freiburger Ständeratin Isabelle Chassot bringt einen anderen Aspekt ein: «Wir kommen aus einer beispiellosen Krise, die unserer Gesellschaft sehr zugesetzt hat. Und gerade jetzt, in einer Zeit der Polarisierung, erfolgt mit „No Billag 2“ ein erneuter Angriff auf die Medienvielfalt. Ein Ja zu dieser Initiative würde das Angebot an Information, Kultur und Sport drastisch reduzieren. Die Konsequenz wäre mehr Zentralisierung und weniger Schweiz.»

Ich will für Transparenz sorgen: Nachdem der SRG-Verwaltungsrat 2018 entschieden hatte, den Radiostandort Bern zu zerstückeln, war für mich klar: Egal, was passiert, das öffentliche Medienhaus der Schweiz kann nach diesem intelligenzfreien Beschluss nie mehr auf mich zählen. Während meiner Wanderungen im letzten Herbst kam das Thema allerdings immer wieder hoch und meine Entscheidung geriet ins Wanken. In der Weihnachtszeit, als klar wurde, dass die «Halbierungsinitiative» lanciert wird, kippte ich ganz. «So nicht!», sagte ich mir, diesem erneuten Frontalangriff auf die Vielfalt der Schweiz muss ich entgegenhalten.

Die letzten Wochen habe ich zusammen mit einer kleinen Gruppe der Bewegung Courage Civil damit begonnen, die Allianz «Pro Medienvielfalt» aufzubauen.

Sie hat einen langen Weg vor sich, aber die Debatte um Vielfalt, Relevanz und Service Public müssen wir führen. Zunächst gilt es allerdings, diesen Kahlschlag namens «No Billag 2» abzuwehren.

Auf der Website ist eine Grundsatzerklärung aufgeschaltet. Wer sie mitträgt, kann sie unterzeichnen und so Teil der Allianz «Pro Medienvielfalt» werden.