Die Gratisfalle

Publiziert am 17. Juni 2025

Die Medienmanager der TX Group haben noch nie lange gefackelt – deshalb überrascht das Aus der gedruckten Ausgabe von «20 Minuten» nicht. Dass 80 Vollzeitstellen in Redaktion und Verlag abgebaut werden, ist eine traurige Nachricht. Dass die Aussenredaktionen in Basel, Genf, Luzern und St. Gallen geschlossen werden, lässt die regionalen Wurzeln verkümmern.

In diesem Beitrag will ich die Auswirkungen, welche die Pendlerzeitungen auf den Medienkonsum haben, nachzeichnen.

Die Gratiskultur hielt in der Schweiz 1999 Einzug: In Verteilboxen an Bahnhöfen und Bushaltestellen lagen Zeitungen im Tabloidformat bereit – kostenlos. Ihre Namen: «Metropol» (2000–2002, Metro International, ein Verlag aus Schweden), «20 Minuten» (seit 1999, zunächst Schibsted aus Norwegen, danach Tamedia, die heutige TX Group), «Le Matin bleu» (2005–2009, Edipresse), «heute» (2006–2008, Ringier), «Blick am Abend» (2008–2018, Ringier), «.ch» (2007–2009, Sacha Wigdorovits) und «News» (2007–2009, Tamedia).

Während Jahren war ein veritabler Zeitungskrieg im Gang – entfacht durch Verlagshäuser, die sich im Gratismarkt etablieren und andere mit aggressiven Methoden verdrängen wollten. Dabei ging es nicht um journalistische Vielfalt, sondern Marktanteile und Margen. Statt in die Redaktionen ihrer Bezahlzeitungen zu investieren, verbrannten die Verlage x Millionen in einem aussichtslosen Kampf. Auf die Dauer hatte nur «20 Minuten» Erfolg.

Die Werbewirtschaft drängte mit ihren Inseraten in diesen Titel, der zeitweise eine Auflage von gegen einer Million Exemplare und über zwei Millionen Leserinnen und Leser hatte. Der kommerzielle Erfolg war gigantisch: In den besten Jahren erwirtschaftete das Pendlerblatt jährlich 40 Millionen Franken Gewinn – eine Cashcow, wie es sie im Medienbereich weltweit kaum je gab. Medienmanager und Aktionäre rieben sich die Hände.

Dumm nur, dass die Pendlerzeitungen die Bezahlzeitungen aus denselben Verlagshäusern kannibalisierten. Mitverantwortlich für diese Fehlentwicklung waren auch die Online-Portale, die ihre Inhalte jahrelang kostenlos zur Verfügung stellten.

Mit der Gratiskultur tappten die Verlagshäuser in eine Falle, aus der sie nicht mehr herauskommen. Journalistisch aufbereitete Information darf nicht gratis sein, weil sie auf Handwerk und hohen Produktionskosten basiert. Die Bäckerin verschenkt ihre Gipfeli auch nicht, nur weil sie darauf spekuliert, dass die Kundschaft deshalb vielleicht ein Sandwich kauft.

Nachdem die Medienmanager ihren Denkfehler erkannt hatten, versuchten sie ab 2012, die Gratiskultur mit neuen Geschäftsmodellen rückgängig zu machen. Ein Blick in die Zahlen zeigt ein ernüchterndes Bild: Die Zahl der Digitalabos stagniert bei den meisten Titeln. Die Generation der heute etwa 40-Jährigen wurde viel zu lange daran gewöhnt, dass Inhalte – ob gedruckt oder online – nichts kosten. Laut dem neuen «Digital News Report» sind aktuell 22 Prozent der Befragten bereit, für Online-Inhalte zu bezahlen.

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