SVP-Sünneli steht wieder etwas tiefer

Am ersten Jahrestag des Supergaus in Fukushima strahlte das gelb-rote Anti-AKW-Symbol an zahllosen Manifestationen. Das SVP-Sünneli hingegen macht einen Lätsch: Die SVP musste gestern bei Parlamentswahlen in drei Kantonen der deutschen Schweiz massive Verluste hinnehmen, der Trend der Nationalratswahlen setzt sich vor.

Der gestrige Wahltag dürfte SVP-Parteipräsident Toni Brunner (Foto) gleich doppelt schmerzen: In seinem Heimatkanton St. Gallen schaffte sein Kompagnon Stefan Kölliker die Wiederwahl als Regierungsrat nur äusserst knapp, bei den Parlamentswahlen setzte es für die SVP gar eine Schlappe ab.

In St. Gallen büsst die SVP 6 Sitze ein, in Schwyz ebenfalls, in Uri verliert sie 4 Sitze. Das sind happige Verluste, die die Volkspartei fünf Monate nach den Nationalratswahlen erlitt. Der Trend von damals – minus 2,3 Prozentpunkte – setzt sich also fort, ein Muster wird erkennbar.

Die nüchternen Zahlen von gestern blenden allerdings aus, dass die SVP in den Kantonen St. Gallen und Schwyz weiterhin die klar stärkste Kraft bleibt und in Uri ex-aequo mit der FDP die zweitgrösste Fraktion stellt. Zieht man in Betracht, dass noch vor 20 Jahren in St. Gallen und Uri keine Kantonalsektionen existierten und die SVP Schwyz eine Kleinpartei war, präsentieren sich die Resultate in einem anderen Licht.

Erklärungsversuche für die massiven Sitzverluste, von der Affäre Hildebrand bis zu Bundesrat Ueli Maurers Taschenspielertricks mit dem Gripen, dürften zu kurz greifen. Der Hauptgrund ist einfacher: Die SVP konnte vor vier Jahren überwältigende Siege erringen, im Kanton Schwyz beispielsweise mit einem Plus von 14 Mandaten. Diese Erdrutsche wurden wegen Christoph Blochers Abwahl aus dem Bundesrat möglich. In den ersten kantonalen Wahlen nach diesem Erdbeben entlud sich die Wut vieler konservativer Wählerinnen und Wähler. Vorab die CVP musste dafür büssen.

Fazit: Die SVP bleibt in der Negativspirale. Das wird der politischen Konkurrenz weiter Mut und Auftrieb geben. Der stetige, 20 Jahre andauernde Aufstieg der Volkspartei ist vorbei, wenn auch auf hohem Niveau, der Nimbus der Unbesiegbaren endgültig gebrochen. Ob Positionierungs-, Richtungs- und Personaldiskussionen über eine längere Zeitspanne immer wieder für Unruhe innerhalb der Partei sorgen werden, bleibt abzuwarten.

Mark Balsiger

Nachtrag vom Montag, 12. März 2012, 18 Uhr:

Auch die Schweizer Presse widmet sich heute dem Abschneiden der SVP an den kantonalen Wahlen. So auch der “Tages-Anzeiger”. Er wertet die Niederlagen als “Zeichen für die Ankunft in der Normalität”:

Willkommen in der Normalität (TA vom 12. März, Hannes Nussbaumer; PDF)

Schlicht falsch ist in der Tagi-Analyse, dass die gestrigen Wahlen die ersten seit den Nationalratswahlen im Oktober 2011 gewesen waren. Den meisten Medien ist derselbe Fehler unterlaufen. Tatsächlich fanden die ersten kantonalen Wahlen nach den “Eidgenössischen” bereits am 13. November 2011 statt, und zwar in Freiburg.

Dabei legte die SVP 3 Sitze zu. Zählt man den Sitzgewinn von gestern im Kanton Waadt dazu, präsentiert sich der Zwischenstand für die SVP nach 5 kantonalen Wahlen wie folgt:
– minus 16 Sitze in der deutschen Schweiz
– plus 4 Sitze in den frankofonen bzw. zweisprachigen Kantonen.


Nachtrag vom 17. April 2012:

Gestern fanden im Thurgau kantonale Wahlen statt. Dabei verlor Die SVP rund 6 Wählerprozente bzw. 10 Sitze. Das ist eine veritable Schlappe, die in dieser Deutlichkeit nicht erwartet wurde, zumal die SVP Thurgau seit jeher als moderate Sektion gilt. Politologe Claude Longchamp erkennt im Interview für die SVP schweizweit eine Wende, das flächendeckende Erfolgsrezept der letzten 20 Jahre sei Vergangenheit.

 

Updates und weitere Analysen:

Das Märchen vom Abwärtstrend der SVP (Daniel Bochsler, 21.04.2012, Sonntag)

Die zweite Chance für Hansjörg Walter

Die SVP-Rennleitung wechselt das Pferd, aber nicht die Strategie. Nach einem turbulenten Tag zauberte sie am frühen Abend Hansjörg Walter als neuen Bundesratskandidaten aus dem Hut. Dieser ist im Parlament wohlgelitten und hat Wahlchancen. Vor allem wenn er über seinen eigenen Schatten springt.

Hansjörg Walter ist ein Deus ex machina. Und für die SVP ein Glücksfall. Er ist bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern aller Couleur beliebt. Sie wählten ihn am Montag mit einem Glanzresultat zum Präsidenten des Nationalrats. Statt am kommenden Mittwoch die Vereinigte Bundesversammlung zu leiten, wird er dann als Kandidat im Scheinwerferlicht stehen.

Die NZZ bezeichnet Walter schnöde als “Lückenbüsser” – eine Fehleinschätzung. Er ist neben Peter Spuhler das beste Pferd im Stall, sofern die SVP-Fraktion tatsächlich einen zweiten Bundesratssitz erringen will. Dass sie dieses Primärziel anvisiert, ist inzwischen klar geworden.

Walter ist populär, er gilt als angenehm und besonnen. Mit ihm hat die SVP drei Trümpfe in der Hand:

–  Als Thurgauer kommt er aus der richtigen Region. Seit sich Hans-Rudolf Merz vor rund zwei Jahren davonmachte, ist die Ostschweiz nicht mehr im Bundesrat vertreten. Als Bündnerin geht Eveline Widmer-Schlumpf nur mit gutem Willen auch als Ostschweizerin durch. Die regionale Vertretung hat bei Bundesratswahlen fast immer viel Gewicht.

–  Als Präsident des Bauernverbands gehört Walter zu einem mächtigen Netzwerk. In den verbleibenden fünf Tagen werden viele Supporter im Hintergrund für ihn weibeln. Es sind nicht die Hearings der Fraktionen, die den Unterschied ausmachen, sondern die Einzelgespräche.

–  Vor genau drei Jahren war Walter schon einmal Bundesratskandidat. Damals allerdings wider Willen. Bei der Ersatzwahl, die nach Samuel Schmids Abgang nötig geworden war, wurde Walter über Nacht zum Sprengkandidaten der Linken. Diese wollten den Coup der Blocher-Abwahl im Dezember 2007 wiederholen und versuchte, die offiziellen Kandidaturen der SVP zu hintertreiben. Zur Erinnerung: Auf dem Ticket der Volkspartei waren Christoph Blocher und Ueli Maurer.

Im entscheidenden dritten Wahlgang erreichte Maurer 122 Stimmen, Walter 121. Wie der Thurgauer später bekannte, hatte er darauf verzichtet, seinen eigenen Namen auf den Wahlzettel zu schreiben. Walter ist auch dieses Mal für die allermeisten Mitte- und Links-Parlamentarier wählbar.

SP und Grüne können arithmetische Konkordanz retten

Mit der neuen Ausgangslage sind vorab die SP und die Grünen herausgefordert. Sie müssen sich entscheiden, ob sie mit Walter ihren Sprengkandidaten von damals erneut unterstützen und damit die arithmetische Konkordanz retten. Walter machte vor den Medien klar, dass er nur gegen BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf antreten werde. Ein Angriff auf Johann Schneider-Ammanns Sitz komme für ihn nicht infrage.

Als Option könnten die Linken an Eveline Widmer-Schlumpf festhalten und deren Wiederwahl sichern. Die Mitte-links-Allianz kommt auf 142 Stimmen; es wären also sogar maximal 19 Abweichler verkraftbar.  (Am 14. Dezember besteht die Vereinigte Bundesversammlung nicht aus 246, sondern aus 245 Mitgliedern. Der neue Schwyzer Ständerat Peter Föhn ist nicht präsent, weil er zur selben Zeit vor dem heimischen Kantonsparlament vereidigt werden muss. Wenn keine leeren und ungültigen Wahlzettel abgegeben werden, beträgt das absolute Mehr also 123 Stimmen.)

Es ist möglich, dass SP und Grüne am nächsten Mittwoch “de Föifer und s’Weggli” ergattern möchten. Das heisst im Klartext:

–  2. Durchgang: Wiederwahl von Widmer-Schlumpf
–  6. Durchgang: Angriff auf Schneider-Ammann (fdp)

Hansjörg Walter (svp) wäre bei diesem Szenario erneut Sprengkandidat. Liegt er gegen Schneider-Ammann gut im Rennen, stellt sich für ihn zum zweiten und letzten Mal in seinem Leben die Frage: Soll ich es packen? Falls er es packen will, müsste Walter über seinen eigenen Schatten springen, lies: wortbrüchig werden.

Die CVP-Fraktion müsste bis dann erkennen, dass sie am 14. Dezember für die nächsten Jahre vorspuren kann. Sie hält den Schlüssel für die neue Zusammensetzung der Landesregierung in ihren Händen.

Mark Balsiger


P.S.  Wie professionell Walter und sein Wahlkampfteam unterwegs ist, zeigt ein Detail: Schon kurz nach seiner Kür zum Kandidaten aktualisierte er seine Website und schaltete prominent eine kurze Erklärung auf (siehe Printscreen oben).


Foto Hansjörg Walter: anzeiger.ch

Printscreen Website: hansjoerg-walter.ch

Soviel zum Sturm auf das Stöckli

In den Kantonen Aargau, St. Gallen, Uri und Zürich will das Volk nichts von SVP-Vertretern im Ständerat wissen. Der gross angekündigte “Sturm auf das Stöckli” ist damit zu einer Chiffre verkommen, über die die SVP-Gegner noch lange spotten werden. Dass allein die Ankündigung dieses Sturms eine derart grosse mediale Resonanz auslösen konnte, müsste zum Nachdenken anregen.

Wer robust wächst, bekommt Appetit auf mehr. Das gilt auch für die SVP. Bei den Nationalratswahlen 1987 erreichte sie noch bescheidene 11.0 Prozentpunkte, von 1991 an legte sie kontinuierlich zu, was 2007 bei 28.9% kulminierte – ein Wachstum, das die eigenen Leute berauschte und die Gegner verzweifeln liess.

Im Ständerat hingegen kam Blochers Partei bislang nicht vom Fleck, sie dümpelte mit 4 bis maximal 8 Sitzen vor sich hin. Die Erklärung ist einfach: Ständeratswahlen sind mit Ausnahme der Kantone Jura und Neuenburg Majorzwahlen, es braucht mehrheitsfähige Kandidaturen, die weit über die eigene Basis hinaus unterstützt werden. In den meisten Kantonen sind für eine Wahl 50 Prozent der Stimmen nötig – eine hohe Hürde.

Der am 7. April gross angekündigte „Sturm auf Stöckli“ ist, wie wir spätestens seit heute Abend definitiv konstatieren können, kläglich gescheitert. Die SVP hat im Ständerat nur noch 5 Sitze, 2 weniger als bei den Wahlen vor vier Jahren. Das “Volch” liess die Volkspartei im Stich, wie “TagesWoche”-Redaktor Philipp Loser schon vor ein paar Tagen treffend kommentierte.

Dass der Sturm chancenlos ist, war schon bei seiner Ankündigung klar. Die schweizweit bekannten SVP-Schlüsselfiguren, seit langem mit dem Etikett “Hardliner” stigmatisiert, vermögen nicht in die Mitte auszustrahlen, um dort die entscheidenden Stimmen zu holen.

Trotz dieser mehr als klaren Ausgangslage generiert die grosse Medienkonferenz von Brunner, Blocher und Baader im Bundesmedienzentrum einen Grossauflauf. Der Sturm auf die Agenda war geglückt, eine blosse Ankündigung beherrschte die Schlagzeilen aller Mediengattungen. Und sie blieb Thema, monatelang.

Es scheint sich zu einem ungeschriebenen Gesetz entwickelt zu haben: Wen die SVP ruft, strömen die Medienschaffenden herbei und berichten, analysieren und kommentieren auf Teufel komm raus. Dieser Magnetwirkung hat sich die SVP in den letzten 20 Jahren hart und mit viel Cleverness erarbeitet. Die Medienlogik unterstützt sie dabei kräftig.

Stellen wir uns vor, die FDP-Spitze mit Fulvio Pelli und Gabi Huber, flankiert von den Parteistars Karin Keller-Sutter (SG) und Pierre Maudet (Genf), hätte im Frühling ebenfalls zu einer Medienkonferenz gerufen, um einzig ihr Wahlziel für die Nationalratswahlen bekanntzugeben: 20 Prozentpunkte (vgl. 2007: 15.7%), also ähnlich utopisch wie der Sturm der SVP auf das  Stöckli.

Drei oder vier Bundeshausjournalisten hätten der Einladung Folge geleistet, sich entspannt auf die Bänke gefläzt und innerlich lächelnd den Ausführungen der FDP-Spitzenleute gelauscht. Hernach wären eine paar genüssliche Glossen über den hochmütigen Freisinn entstanden.

Mark Balsiger

Hinter den Kulissen der Hüttenbauer

Niederhelfenschwil – vor dem 4. Juli hätte ich keine Ahnung gehabt, wo diese Gemeinde liegt. Dem neuen Sommer-Schwerpunkt “Die Hüttenbauer” von SRF sei Dank, kann ich sie nun geografisch zuordnen. Fünf Teilnehmende, drei Wochen, eine Hütte – so lässt sich das Konzept der diesjährigen Sommerserie von  “Schweiz Aktuell” auf den Punkt bringen.

Knapp zwei Wochen sind seit dem Start verflossen. Ich hatte dieser Tage die Gelegenheit, bei den Hüttenbauern hinter die Kulissen zu schauen. Ein paar Momentaufnahmen:


Die Hüttenbauer werden nur selten von “fremden Faktoren” gestört: So dürfen Medienschaffende einmal pro Woche vorbeischauen, fotografieren und Fragen stellen. Schaulustige kommen nicht auf ihre Rechnung; sie dürfen gar nicht in die Nähe des Drehortes. Laut Daniel Pünter (ganz rechts), Redaktionsleiter von “Schweiz aktuell”, ist dieser Schwerpunkt ein Kick für sein Team. “Alle meine Kolleginnen und Kollegen wollten mitmachen. Ich konnte nicht alle berücksichtigen.”

Heute sind auch Vertreter des Kantons St. Gallen und Gemeindepolitiker mit dabei. Wie ich durch den Wald stolperte, komme ich mit einem von ihnen ins Gespräch. Er stellt sich als Lucas Keel (ganz rechts) vor. Noch ist er Gemeindepräsident von Niederhelfenschwil, bald schon in Uzwil (Im Kanton St. Gallen werden die Stellen des Gemeindepräsidenten ausgeschrieben. In kleineren Gemeinden sind sie nicht nur für die Strategie bzw. das Politische zuständig, sondern auch für das Operative der Verwaltung – ein Unikum.)

Keel ist nicht nur mediengewandt und volksnah, er hat auch das Flair zum Schreiben. Regelmässig verfasst er im Gmeindsblättli Kolumnen (sie werden auf der Website der Gemeinde rechts in der blau eingefärbten Sidebar als PDF-Dokumente aufgeführt).


Liza Andrea Kuster (unten), die beim Quintett als “Abenteurerin” aufgeführt wird, ist für die Mahlzeiten und den Schlafplatz verantwortlich, “quasi der Fourier”, wie einer der Gäste witzelt. Im Dorf macht sie mit Fahrrad und Anhänger die Einkäufe. Das Wasserholen sei besonders streng, erzählt sie mir, bis zu 70 Kilogramm schleppe sie in den Wald.

Kuster hat zweifellos am meisten Routine im Umgang mit Medien und Kameras – als Miss Earth Switzerland 2010 erstaunt das nicht. Der “Blick” feiert sie bereits als Entdeckung des TV-Sommers: “Noch nie liess jemand vor laufender Kamera charmanter Fotzelschnitten anbrennen als die Bernerin mit philippinischen Wurzeln.” Auffallend: Auch ihre Kolleginnen und Kollegen sind allesamt authentisch.


Inzwischen ist es kurz vor 19 Uhr. Michael Weinmann lässt sich von der 20-köpfigen Gästeschar, die sich nur ein paar Schritte von ihm entfernt postiert hat, nicht ablenken. Konzentriert geht er seine Moderationen nochmals durch. Erst unmittelbar vor dem Sendestart spürt man ihm die Nervosität an, es sind die Hände, die es verraten. Sobald es ernst gilt, merkt man davon nichts mehr. Mit Präsenz, Schalk und einem echten Interesse an seinen Interview-Gästen führt er durch die Sendung.



Der Jüngste auf dem Set ist Christian Jung (Mitte). Der 13-Jährige aus dem nahen Dorf ist drei Wochen lang Kabelträger, eine Aufgabe, die er pflichtbewusst und mit ein wenig Stolz ausführt.


Das Fazit meiner Stippvisite: Ich bin überrascht, wie bescheiden SF seine Schauplätze ausgestattet hat. Unaufmerksame Spaziergänger oder Joggerinnen könnten sie sogar übersehen. Gut so.

Fotos: Mark Balsiger

P.S.  Auch im Netz tut SRF viel für die Hüttenbauer: Ein Blog fehlt ebenso wenig wie ein Online-Game und eine Facebook-Seite. Vermutlich ist das die erste grössere Crossmedia-Geschichte überhaupt. Die kritische Würdigung darüber erfolgt anderswo.

Der Wahlk(r)ampf mit Social Media

Internet und Social Media sind noch nicht richtig in den Köpfen der Schweizer Politiker angekommen. So lautet eine alte These von mir. Inzwischen ist sie zur Gewissheit geworden, und ich habe Verständnis dafür. Beobachtungen eines Pendlers zwischen zwei Welten.

Gestern Abend, Kongresshotel Einstein, St. Gallen. Im Plenum sitzen rund 60 Mitglieder des kantonalen Parlaments, einige unter ihnen kandidieren für den Nationalrat. Dabei sind auch ein paar Parteisekretäre, die Stimmung ist aufgeräumt, man hört aufmerksam zu. Ich stoppte dort auf meiner kleiner Tournee in Sachen Wahlkampf und Social Media.

Der Name Facebook ist allen geläufig, zwei Drittel aller Kantonsräte haben ein persönliches Profil, etwa zehn von ihnen sind bei Twitter dabei, jeder Dritte hat eine eigene Website. Der Respekt vor den neuen Medienkanälen ist aber gross, das ist förmlich spürbar. Dasselbe gilt für die Zweifel.

Eine kleine Auswahl der Fragen, die gestellt wurden:

– Wieso sollte ich nebst meinem persönlichen Profil noch eine Facebook-Page bewirtschaften?
– Was bringt mir Twitter?
– Muss man bei Twitter dabei sein, um die Tweets lesen zu können?
– Wieviel kostet ein ganzes Paket: Website, Blog, Facebook und Twitter?
– Hole ich dort zusätzliche Stimmen?

Das grösste Hindernis für die Etablierung von Social Media ist offenbar die fehlende Zeit. In den ersten Monaten täglich eine halbe Stunde oder mehr aufzuwenden liegt für die allermeisten Politisierenden nicht drin. Ihre Tage – und Abende – sind sonst schon lang genug, die Agenden voll, die Verpflichtungen vielfältig. Ein radikaler Umbau der Ressourcen will kaum jemand vornehmen. Eine Beobachtung, die ich auch bei der Zusammenarbeit mit einzelnen Kandidierenden, für die meine Agentur arbeitet, mache.

Auch Spitzenkandidaten sind erst teilweise im Netz. Die fünf national bekannten Ständeratskandidaten des Kantons St. Gallen zeigen das exemplarisch:

(FB steht für Facebook; “Profil” ist der persönliche Auftritt bei Facebook, “Seite” eine offene Fan-Seite)

Wir dürften davon ausgehen, dass diese Tabelle Ende August mehr Häckchen und Zahlen aufweisen wird. Das war beispielsweise bei den Regierungsratswahlen in den Kantonen Basellandschaft, Zürich und Luzern in diesem Jahr auch so. Wer allerdings erst kurz vor dem Wahltermin in Social-Media-Kanälen aktiv wird, macht sich verdächtig. Ihm geht es gar nicht um den vielgespriesenen Dialog, sondern nur um das schnelle Abholen von neuen Wählern – so die Kritik, die nicht unberechtigt ist.

Fazit: Aus zeitlichen Gründen werden die Social-Media-Aktivitäten erst für die letzten zwei Monate hochgefahren. Kaum ist der Wahltermin vorüber, wird dieses “Online-Zeugs” auch gleich wieder vergessen. Auch dazu findet man im Kanton St. Gallen ein exemplarisches Beispiel: Beni Würth, der sich im letzten Herbst bei einer Ersatzwahl für den Regierungsrat durchsetzte, hat seinen guten Webauftritt seit Mitte Dezember 2010 nicht mehr verändert:

Diesen Eintrag findet man unter der Rubrik “Aktuelles”. Autsch.

Letzte Woche, Zürich, NZZ-Bistro: Am Social Media Gipfel referieren zwei Jungstars: Stefan Krattiger, der mit 26 bereits Gemeindepräsident der 1700-Seelen-Dorfes Aegerten bei Biel wurde, und Philipp Kutter (35), Gemeindepräsident von Wädenswil und Kantonsrat. Krattiger ist studierter Politikwissenschaftler und inzwischen Projektleiter für Kommunikation und neue Medien bei der SP Schweiz. Kutter wiederum ist Historiker und PR-Fachmann.

Diese Zusatzinformationen scheinen mir wichtig zu sein.  Krattiger sagte: “Ich habe die Faszination von Twitter noch nicht entdeckt.” Und Kutter fragte: “Twitter ist doch Einweg-Kommunikation, nicht?” Und das war nicht als Provokation gedacht.

Eine Würdigung dieses Anlasses nahm Bloggerkollege Christian Schenkel vor.

Natürlich sind Social Media mehr als Twitter, Facebook und Youtube, viel mehr. Eine der wenigen Online-Kampagnen, die Durchschlagskraft entwickelten, ist dieser Comix.

In der Schweiz unerreicht, aber in einer anderen Kategorie (nationale Abstimmungen), ist die Kampagne mit “Tagesschau”-Sprecher Charles Clerc zur Personenfreizügigkeit (Volksabstimmung im Februar 2009).

Mark Balsiger

Der Profiteur heisst Hans Fehr

Ich glaube nicht, dass Schweizer Politiker nach dem Übergriff auf Nationalrat Hans Fehr (Bild) Bodyguards brauchen. Wenn Scharfmacher, die die Wut anderer auf sich ziehen, ihre Rhetorik aber wieder mildern, dürften solche Fälle in Zukunft ausbleiben.

Damit ich hier nicht falsch verstanden werde: Was am Freitagabend vor der traditionellen “Albisgüetli”-Tagung der Zürcher SVP geschah, ist fies und niederträchtig. Ich verurteile die Aktion der vermummten Chaoten, die Fehr zusammenschlugen, aufs Schärfste. Der Legitimationsversuch, die Gegenseite hätte zuerst (verbal) Feuer gelegt und deshalb dürfe man (physisch) zuschlagen, ist schwach.

Allerdings scheint Hans Fehr trotz Anzeichen auf Gewalt naiv gewesen zu sein. Im Wissen um die unbewilligte Demonstration, die schon im Vorfeld der Tagung für Wirbel sorgte, hätte er beispielsweise Personenschutz der Polizei anfordern können. Eine zweite Möglichkeit: Sich zusammen mit anderen Gästen in einem Taxi direkt vor den Eingang des “Albisgüetli” fahren zu lassen.

Noch vor seiner Arztvisite am Freitagabend hat Fehr schon Interviews gegeben. Seit Samstagmorgen ist er auf allen Kanälen präsent. Das ist sein gutes Recht, zumal das mediale Interesse schnell wieder anderswo liegt. Davon profitiert er nun als Opfer. Die Chaoten spielten ihm einen wunderbaren Steilpass zu – ein Geschenk im Wahljahr 2011.

Erinnerungen werden wach: Am 3. Oktober 1991 wurde der damalige Sankt Galler CVP-Nationalrat Edgar Oehler in der Berner Innenstadt von Unbekannten zusammengeschlagen. Statt auf den Notfall ging Oehler schnurstracks zurück ins Bundeshaus, wo die Herbstsession lief. Die Aufmerksamkeit war sofort bei ihm, das Thema gesetzt: Agenturbilder mit einem blutüberströmten Oehler wurden verbreitet, der “Blick” thematisierte den Fall auf der Frontseite.

Am 20. Oktober 1991 wurde Edgar Oehler wiedergewählt.

Foto Hans Fehr: news.ch

Die Fahnenflucht des Thomas Müller

Siebzehn Tage lang war ich ferienhalber in unwegsamen Gegenden unterwegs und hatte keinen Zugang zu Medien. Bei der Ankunft heute Nachmittag im Flughafen Zürich-Kloten springt mir die Schlagzeile von Thomas Müller (Bild) als erste ins Auge. Diese Geschichte ist – für mich – ein lausiger Start ins Wahljahr 2011.

Über Nacht hat der St. Galler Nationalrat und Stadtpräsident von Rorschach das Parteibuch gewechselt. Das ist starker Tobak, was auch für die Kommunikation gilt. Die Spitzen seiner ehemaligen Partei, der CVP,  mussten in der Sonntagspresse vom fliegenden Wechsel Müllers zur SVP erfahren und reagierten entsprechend perplex.

Insgesamt gehörte Müller der CVP 40 Jahre lang an. Ihr und nur ihr verdankt er seine politische Karriere. Bis vor wenigen Jahren war die CVP im Kanton St. Gallen die Machtpartei schlechthin; wer er zu etwas bringen wollte, musste ihr beitreten. Eine SVP-Kantonalsektion wurde erst 1993 gegründet.

Jahrtzehntelang profitieren und dann Fahnenflucht begehen – für Müller ist das offenbar kein Problem. Dass sein Sitz, der dritte der CVP St. Gallen, wackelt, dürfte die wahre Ursache für den Parteiwechsel sein.

Es kommt aber noch dicker: In den letzten drei Jahren zahlte der ehemalige Präsident des FC St. Gallen weder der kantonalen noch der nationalen Partei seine Mandatsbeiträge. Insgesamt belaufen sich die Ausstände auf 15’000 Franken.

Zuweilen bleibt einem nur noch das Kopfschütteln.

Foto Thomas Müller: cvp.ch

Hans-Rudolf Merz fasste sich ein Herz und sichert der FDP so den zweiten Sitz

Die Rücktrittsankündigung von Moritz Leuenberger vor genau vier Wochen war ein Coup, der den Medienminister sichtbar freute. Der Rücktritt seines Bundesratskollegen Hans-Rudolf Merz (Bild), den dieser zur Unzeit (von 11.30 bis 12.15 Uhr; Radiostationen beginnen ihre Informationssendungen um 12 oder 12.30 Uhr) bekanntgab, ist die logische Konsequenz. Aufgrund dieser neuen Konstellation kann die FDP ihren zweiten Bundesratssitz verteidigen und sich dank dem Nachfolgekarussell, das nun angedreht wird, in einem positiven Licht präsentieren.

Die Führungsspitze der FDP mit Fulvio Pelli (Parteipräsident), Gabi Huber (Fraktionschefin) und Stefan Brupbacher (Generalsekretär) wurde seit Wochen nicht müde zu betonen, Merz bleibe bis Ende 2011. Es war dieses gebetsmühlenartige Wiederholen einer eigentlich realitätsfremden Sprachregelung, die hellhörig machen musste.

Hinter den Kulissen setzten freisinnige Kantonalsektionen und Parlamentarier verstärkt Druck auf, weil: mit Bundesrat Merz, der seine Glaubwürdigkeit und nach eigenen Aussagen auch sein Gesicht verloren hat, wäre die FDP im eidgenössischen Wahljahr 2011 nicht vom Fleck gekommen. In einer durch und durch medialisierten Öffentlichkeit sind die Bundesräte die wichtigsten Schlachtrösser für ihre Parteien.

Hans-Rudolf Merz hing trotz der Dauerkritik an seinem Amt, fasste sich aber offenbar in der Sommerpause ein Herz. Sein Rücktritt kommt gerade noch zum richtigen Zeitpunkt – für ihn, für seine Partei und für die Landesregierung. Die FDP wird am 22. September diesen Sitz problemlos verteidigen können. Die CVP hat keine Kandidatur in der Pipeline, die SP setzt auf die gegenseitige Unterstützung für die Leuenberger-Nachfolgeregelung im Dezember, die Grünen sind chancenlos.

Weitere Spielvarianten, die jetzt herausposaunt werden, sind irrelevant. Natürlich wird die SVP für die Ersatzwahlen vom 22. September einen Sprengkandidaten aufstellen. Er bringt es auf die 66 Stimmen aus der eigenen Fraktion – business as usual. Das war schon bei den Sprengkandidaturen von Christoph Blocher (Gesamterneuerungswahlen 1999) und Toni Bortoluzzi (Ersatzwahl für Ruth Dreifuss 2002) nicht anders.

Entscheidend ist, dass die erneuerte Landesregierung aus fähigen Mitgliedern besteht, die sich finden und als Gremium an Glaubwürdigkeit und Durchschlagskraft zurückgewinnen.

Nachtrag von 18 Uhr:

Bei Bundesratswahlen ist die regionale Verortung einer der wichtigsten Faktoren. Deswegen wurde Hans-Rudolf Merz im Dezember 2003 überhaupt gewählt. Nach der Abwahl von Ruth Metzler herrschte in der Vereinigten Bundesversammlung ein Tohuwabohu wie selten zuvor. Für die Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus der Ostschweiz war klar, dass sie ihrer Region einen Sitz sichern wollen – quer durch alle Fraktionen.

Auch deswegen obsiegte Merz über die als Favoritin gehandelte Berner Ständerätin Christine Beerli. Dass deswegen vorübergehend nur noch eine Frau in der Landesregierung vertreten war, wurde in Kauf genommen. Gerade auch von den Ostschweizer Frauen im Parlament.

Die Ostschweiz stellt traditionell einen Sitz – die letzten Vertreter:

– Hans-Rudolf Merz (fdp, AR): 2004 – 2010
– Ruth Metzler (cvp, AI): 1999 – 2003
– Arnold Koller (cvp, AI): 1987 – 1999
– Kurt Furgler (cvp, SG): 1971 – 1986

Foto Hans-Rudolf Merz: keystone

Die SVP bleibt aussen vor

Die Wahlen im Kanton Graubünden warten mit zwei fetten Überraschungen auf:

1.  Die FDP ist Siegerin auf der ganzen Linie
2.  Die SVP holt im Parlament nur vier Sitze und verpasst den Einzug in die Regierung klar

Die FDP büsste die letzten Jahre bei allen Parlamentswahlen in den Kantonen Wähleranteile ein. Zuletzt besonders brutal in Bern (- 6,1%) und Glarus (- 9,8%). In Graubünden legte sie heute nicht weniger als fünf Sitze zu. Damit stellt sie die mit Abstand grösste Fraktion. Bei den Regierungsratswahlen erzielt der Bisherige Martin Schmid (Foto ganz links) zudem das beste Ergebnis. Diese Glanzresultate sind Balsam auf die Wunden des Freisinns.

Die SVP verpasst mit vier Sitzen selbst ihr Minimalziel: die Bildung einer eigenen Fraktion im Grossen Rat (mind. fünf Sitze), so heisst das Kantonsparlament in Graubünden. Weil die Parlamentssitze in den 39 Wahlkreisen nach dem Majorzwahlsystem (Mehrheitswahl) ermittelt werden, liegt ein Schluss auf der Hand: der Volkspartei mangelte es an bekannten bzw. mehrheitsfähigen Kandidaten. (Das gilt offensichtlich auch für ihr Regierungsratskandidat Heinz Brand: Er kam bloss auf Rang 7. Die Regierung bleibt damit parteipolitisch gleich wie zuvor zusammengesetzt: 2 BDP, 1 CVP, 1 FDP, 1 SP.)

Die neue Anzahl Parlamentssitze der Parteien (blau) im Vergleich zu 2006 (grau):

Ohne Fraktion hat die SVP in der parlamentarischen Arbeit der nächsten vier Jahre wenig Einfluss. Die zwei Grünliberalen, die heute gewählt wurden, sowie die vier Unabhängigen (Parteilose) werden sich hüten, eine Fraktionsgemeinschaft mit ihr einzugehen. Wahrscheinlicher ist, dass sich Grünliberale und Unabhängige zusammenschliessen werden.

Die SVP, die von 1971 bis Mitte 2008 zu den mächtigen Parteien Graubündens zählte, hat einen steinigen Weg vor sich. Bei den eidgenössischen Wahlen in 16 Monaten wird es für sie sehr schwer, ein Nationalratsmandat zu erringen. Denn das Hauptproblem bleibt: ihr fehlen zugkräftige Namen.

Als Retter in der Not könnte Peter Aliesch auftreten. Aliesch war von 1983 bis 1990 Nationalrat und von 1990 bis 2002 Regierungsrat für die FDP. Im Sommer 2001 stolperte er über die “Pelzmantelaffäre”, die FDP entzog ihm das Vertrauen, Aliesch kehrte der Partei den Rücken. Vor ein paar Monate trat er der SVP bei. Im Alter von 65 Jahren könnte er dereinst ein Comeback versuchen.

Foto neue Regierung Graubündens: vilan24.ch, von links nach rechts:
– Martin Schmid, FDP, bisher, 25’720 Stimmen
– Barbara Janom Steiner, BDP, bisher, 24’623
– Hansjörg Trachsel, BPD, bisher, 20’530
– Mario Cavigelli, CVP, neu, 19’800
– Martin Jäger, SP, neu, 16’034
(absolutes Mehr: 15’682 Stimmen, Stimmbeteiligung 36,2%)
– 6. Barla Cahannes Renggli, CVP, neu, 14’276
– 7. Heinz Brand, SVP, neu, 13’070

Grafik: gr.ch

SVP vor Comeback, CVP und FDP bangen

Im Kanton Graubünden teilen die drei bürgerlichen Parteien CVP, FDP und SVP seit Jahrzehnten Macht und Mandate weitgehend unter sich auf. Die SP kommt über den Status einer Aussenseiterin nicht hinaus. Die Grünen wiederum konnten bis heute nicht Fuss fassen, erst in Davos hat sich eine Sektion etabliert.

Im Frühsommer 2008 veränderte sich die politische Landkarte über Nacht: Damals wurde die Bündner SVP-Kantonalpartei aus der SVP Schweiz ausgeschlossen. Das als Reaktion auf die Weigerung der Bündner SVP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, aus der Partei auszutreten. Praktisch alle Mandatsträger der Bündner SVP wechselten das Parteibuch: 2 Nationalräte (Brigitta Gadient, Hansjörg Hassler), 2 Regierungsräte (Barbara Janom Steiner, Hansjörg Trachsel), und 30 der 32 Grossräte.

Diese Erschütterung während der Legislaturperiode macht die Parlamentswahlen (Grossrat) vom kommenden Sonntag spannend. Drei Fragen stehen im Zentrum:

1.  Kann die SVP, die vor 2 Jahren bei Null beginnen musste, ein starkes Comeback landen?
2.  Schafft es die BDP, ihre Position zu konsolidieren?
3.  Vermögen CVP und FDP die Verluste in engen Grenzen zu halten?

Zunächst ein Blick auf die aktuelle Sitzverteilung im Grossen Rat:

– CVP  35 Sitze
– FDP  33
– BDP  30
– SP     14
– FdU   5 *
– SVP   2

* FdU = Fraktion der Unabhängigen

zu 1.)  Ähnlich wie ein paar Monate zuvor im Kanton Bern hat die SVP keinen Aufwand gescheut, nationale Spitzenfiguren im Bündner Wahlkampf zu präsentieren: Bundesrat Ueli Maurer, Christoph Blocher, Parteipräsident Toni Brunner sowie Nationalrat Peter Spuhler füllten die Sääle, standen aber, so die Kritik aus dem Bergkanton, den eigentlichen Kandidaten vor der Sonne. Die Volkspartei will am Sonntag mindestens Fraktionsstärke erringen (5 Sitze). Und sie hofft darauf, mit Heinz Brand im fünfköpfigen Regierungsrat Einzug zu halten. Die Chancen dafür stehen gut.

zu 2.)  Die BDP errang bei den kantonalen Wahlen in Bern und Glarus spektakuläre Erfolge: plus 16,0% in Bern, plus 16,1% in Glarus. Natürlich will, ja muss sie in ihrem dritten Stammkanton ebenfalls gut abschneiden. Nur so ist gewährleistet, dass der Schwung auch in das eidgenössische Wahljahr hineingetragen werden kann. Den braucht sie, um auch in anderen Kantonen mitzumischen.

zu 3.)  Die FDP hat bei den kantonalen Wahlen in Bern 6,1% verloren, in Glarus waren es sogar 9,8%. Die CVP wiederum büsste bei den Glarner Landratswahlen (Kantonsparlament) vom 30. Mai 4,3 Prozentpunkte ein, im Kanton Bern hat sie mit 1,1% keine Bedeutung. Beide Parteien bangen, sie wollen die Talfahrt bremsen.

Das Gerangel in der politischen Mitte ist gross. In den ländlichen Regionen des Kantons Bern grub die BDP auch der SP das Wasser ab, in Graubünden ist dieses Potential geringer. Entsprechend müssen CVP und FDP fürchten, Wähleranteile an die BDP zu verlieren.

Das Wahlsystem in Graubünden ist ein Unikum: Es gibt nicht weniger als 39 verschiedene Wahlkreise (siehe Kantonskarte oben), in 16 davon ist nur ein einziger Sitz zu vergeben. Es gilt das Majorzwahlrecht, das sonst nur noch in Appenzell-Innerrhoden und Appenzell-Ausserrhoden zur Anwendung kommt, und die Kumulierung eines Namens ist nicht möglich. Wer gewählt werden will, muss im ersten Wahlgang also mindestens 50% der Stimmen auf sich vereinen.

Dieses System benachteiligt die kleinen Parteien, hat aber auch einen Vorteil: Echte Wahlchancen haben nur gemässigte Kandidaten, die weit über die eigene Partei hinaus Stimmen erringen.

Kantonskarte: wahlen-gr.ch