Am ersten Jahrestag des Supergaus in Fukushima strahlte das gelb-rote Anti-AKW-Symbol an zahllosen Manifestationen. Das SVP-Sünneli hingegen macht einen Lätsch: Die SVP musste gestern bei Parlamentswahlen in drei Kantonen der deutschen Schweiz massive Verluste hinnehmen, der Trend der Nationalratswahlen setzt sich vor.
Der gestrige Wahltag dürfte SVP-Parteipräsident Toni Brunner (Foto) gleich doppelt schmerzen: In seinem Heimatkanton St. Gallen schaffte sein Kompagnon Stefan Kölliker die Wiederwahl als Regierungsrat nur äusserst knapp, bei den Parlamentswahlen setzte es für die SVP gar eine Schlappe ab.
In St. Gallen büsst die SVP 6 Sitze ein, in Schwyz ebenfalls, in Uri verliert sie 4 Sitze. Das sind happige Verluste, die die Volkspartei fünf Monate nach den Nationalratswahlen erlitt. Der Trend von damals – minus 2,3 Prozentpunkte – setzt sich also fort, ein Muster wird erkennbar.
Die nüchternen Zahlen von gestern blenden allerdings aus, dass die SVP in den Kantonen St. Gallen und Schwyz weiterhin die klar stärkste Kraft bleibt und in Uri ex-aequo mit der FDP die zweitgrösste Fraktion stellt. Zieht man in Betracht, dass noch vor 20 Jahren in St. Gallen und Uri keine Kantonalsektionen existierten und die SVP Schwyz eine Kleinpartei war, präsentieren sich die Resultate in einem anderen Licht.
Erklärungsversuche für die massiven Sitzverluste, von der Affäre Hildebrand bis zu Bundesrat Ueli Maurers Taschenspielertricks mit dem Gripen, dürften zu kurz greifen. Der Hauptgrund ist einfacher: Die SVP konnte vor vier Jahren überwältigende Siege erringen, im Kanton Schwyz beispielsweise mit einem Plus von 14 Mandaten. Diese Erdrutsche wurden wegen Christoph Blochers Abwahl aus dem Bundesrat möglich. In den ersten kantonalen Wahlen nach diesem Erdbeben entlud sich die Wut vieler konservativer Wählerinnen und Wähler. Vorab die CVP musste dafür büssen.
Fazit: Die SVP bleibt in der Negativspirale. Das wird der politischen Konkurrenz weiter Mut und Auftrieb geben. Der stetige, 20 Jahre andauernde Aufstieg der Volkspartei ist vorbei, wenn auch auf hohem Niveau, der Nimbus der Unbesiegbaren endgültig gebrochen. Ob Positionierungs-, Richtungs- und Personaldiskussionen über eine längere Zeitspanne immer wieder für Unruhe innerhalb der Partei sorgen werden, bleibt abzuwarten.
Mark Balsiger
Nachtrag vom Montag, 12. März 2012, 18 Uhr:
Auch die Schweizer Presse widmet sich heute dem Abschneiden der SVP an den kantonalen Wahlen. So auch der “Tages-Anzeiger”. Er wertet die Niederlagen als “Zeichen für die Ankunft in der Normalität”:
Willkommen in der Normalität (TA vom 12. März, Hannes Nussbaumer; PDF)
Schlicht falsch ist in der Tagi-Analyse, dass die gestrigen Wahlen die ersten seit den Nationalratswahlen im Oktober 2011 gewesen waren. Den meisten Medien ist derselbe Fehler unterlaufen. Tatsächlich fanden die ersten kantonalen Wahlen nach den “Eidgenössischen” bereits am 13. November 2011 statt, und zwar in Freiburg.
Dabei legte die SVP 3 Sitze zu. Zählt man den Sitzgewinn von gestern im Kanton Waadt dazu, präsentiert sich der Zwischenstand für die SVP nach 5 kantonalen Wahlen wie folgt:
– minus 16 Sitze in der deutschen Schweiz
– plus 4 Sitze in den frankofonen bzw. zweisprachigen Kantonen.
Nachtrag vom 17. April 2012:
Gestern fanden im Thurgau kantonale Wahlen statt. Dabei verlor Die SVP rund 6 Wählerprozente bzw. 10 Sitze. Das ist eine veritable Schlappe, die in dieser Deutlichkeit nicht erwartet wurde, zumal die SVP Thurgau seit jeher als moderate Sektion gilt. Politologe Claude Longchamp erkennt im Interview für die SVP schweizweit eine Wende, das flächendeckende Erfolgsrezept der letzten 20 Jahre sei Vergangenheit.
Updates und weitere Analysen:
– Das Märchen vom Abwärtstrend der SVP (Daniel Bochsler, 21.04.2012, Sonntag)