SVP vor Comeback, CVP und FDP bangen

Publiziert am 11. Juni 2010

Im Kanton Graubünden teilen die drei bürgerlichen Parteien CVP, FDP und SVP seit Jahrzehnten Macht und Mandate weitgehend unter sich auf. Die SP kommt über den Status einer Aussenseiterin nicht hinaus. Die Grünen wiederum konnten bis heute nicht Fuss fassen, erst in Davos hat sich eine Sektion etabliert.

Im Frühsommer 2008 veränderte sich die politische Landkarte über Nacht: Damals wurde die Bündner SVP-Kantonalpartei aus der SVP Schweiz ausgeschlossen. Das als Reaktion auf die Weigerung der Bündner SVP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, aus der Partei auszutreten. Praktisch alle Mandatsträger der Bündner SVP wechselten das Parteibuch: 2 Nationalräte (Brigitta Gadient, Hansjörg Hassler), 2 Regierungsräte (Barbara Janom Steiner, Hansjörg Trachsel), und 30 der 32 Grossräte.

Diese Erschütterung während der Legislaturperiode macht die Parlamentswahlen (Grossrat) vom kommenden Sonntag spannend. Drei Fragen stehen im Zentrum:

1.  Kann die SVP, die vor 2 Jahren bei Null beginnen musste, ein starkes Comeback landen?
2.  Schafft es die BDP, ihre Position zu konsolidieren?
3.  Vermögen CVP und FDP die Verluste in engen Grenzen zu halten?

Zunächst ein Blick auf die aktuelle Sitzverteilung im Grossen Rat:

– CVP  35 Sitze
– FDP  33
– BDP  30
– SP     14
– FdU   5 *
– SVP   2

* FdU = Fraktion der Unabhängigen

zu 1.)  Ähnlich wie ein paar Monate zuvor im Kanton Bern hat die SVP keinen Aufwand gescheut, nationale Spitzenfiguren im Bündner Wahlkampf zu präsentieren: Bundesrat Ueli Maurer, Christoph Blocher, Parteipräsident Toni Brunner sowie Nationalrat Peter Spuhler füllten die Sääle, standen aber, so die Kritik aus dem Bergkanton, den eigentlichen Kandidaten vor der Sonne. Die Volkspartei will am Sonntag mindestens Fraktionsstärke erringen (5 Sitze). Und sie hofft darauf, mit Heinz Brand im fünfköpfigen Regierungsrat Einzug zu halten. Die Chancen dafür stehen gut.

zu 2.)  Die BDP errang bei den kantonalen Wahlen in Bern und Glarus spektakuläre Erfolge: plus 16,0% in Bern, plus 16,1% in Glarus. Natürlich will, ja muss sie in ihrem dritten Stammkanton ebenfalls gut abschneiden. Nur so ist gewährleistet, dass der Schwung auch in das eidgenössische Wahljahr hineingetragen werden kann. Den braucht sie, um auch in anderen Kantonen mitzumischen.

zu 3.)  Die FDP hat bei den kantonalen Wahlen in Bern 6,1% verloren, in Glarus waren es sogar 9,8%. Die CVP wiederum büsste bei den Glarner Landratswahlen (Kantonsparlament) vom 30. Mai 4,3 Prozentpunkte ein, im Kanton Bern hat sie mit 1,1% keine Bedeutung. Beide Parteien bangen, sie wollen die Talfahrt bremsen.

Das Gerangel in der politischen Mitte ist gross. In den ländlichen Regionen des Kantons Bern grub die BDP auch der SP das Wasser ab, in Graubünden ist dieses Potential geringer. Entsprechend müssen CVP und FDP fürchten, Wähleranteile an die BDP zu verlieren.

Das Wahlsystem in Graubünden ist ein Unikum: Es gibt nicht weniger als 39 verschiedene Wahlkreise (siehe Kantonskarte oben), in 16 davon ist nur ein einziger Sitz zu vergeben. Es gilt das Majorzwahlrecht, das sonst nur noch in Appenzell-Innerrhoden und Appenzell-Ausserrhoden zur Anwendung kommt, und die Kumulierung eines Namens ist nicht möglich. Wer gewählt werden will, muss im ersten Wahlgang also mindestens 50% der Stimmen auf sich vereinen.

Dieses System benachteiligt die kleinen Parteien, hat aber auch einen Vorteil: Echte Wahlchancen haben nur gemässigte Kandidaten, die weit über die eigene Partei hinaus Stimmen erringen.

Kantonskarte: wahlen-gr.ch

4 Replies to “SVP vor Comeback, CVP und FDP bangen”

  1. frage: wie beurteilst du, in kenntnis der ergebnisse, diesen artikel?
    was hat dich leiten lassen, insbesondere die svp so zu überschätzen?
    keine kritik, aber eine fragen nach den grundlagen unseres rätselratens …

  2. ‘@ stadtwanderer

    Nach meiner simplen These gibt es in jedem Kanton ein nationalkonservatives Segment, das zwischen 20 und 40 Prozent des Elektorats ausmacht. Bei Lichte betrachtet kann nur die SVP dieses Segment vollumfänglich erreichen.

    Ich ging auch im Kanton Graubünden davon aus, dass die SVP unter dieser Prämisse ebenfalls Erfolg haben könnte. Trotz Majorzwahlrecht und der gemässigten Tradition der ursprünglichen SVP in diesem Kanton.

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