Das letzte Wochenende habe ich mit ein paar feinen Leuten in Engelberg verbracht. Irgendwo im Schnee entdeckten wir tatsächlich jemanden, der die legendäre SKA-Mütze aus den Siebzigerjahren trug. Sie ist Kult, die Credit Suisse hingegen ist: Geschichte. Alfred Escher, der die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) 1856 gegründet hatte, um das Eisenbahnnetz zu finanzieren, würde sich im Grab umdrehen.
Die Schweiz gilt als Hort der Stabilität. Doch im Moment wankt sie: Eben hat die UBS, die grösste Bank des Landes, die zweitgrösste «gerettet». Sonst wären die Credit Suisse und mit ihr viele kleine Banken, zahllose KMU usw. in den Abgrund gerissen worden, was unter Umständen weltweit eine Finanzkrise ausgelöst hätte. Der Bundesrat hat die Übernahme mit einer Notverordnung orchestriert und vielleicht stimmt es, dass dies die beste aller schlechten Optionen ist.
Mächtige Player aus den USA, Grossbritannien und Saudi-Arabien wollten mit der Credit Suisse einen Konkurrenten aus dem Weg räumen. Sie bot sich an, weil sie schwächlich geworden war. Im Jahr 2007 notierte die CS-Aktie bei 80 Franken, am Freitagabend bei Börsenschluss noch bei 1 Franken 86. Diese Talfahrt ist beispiellos, und sie hat einen Grund: Die Boni-Kultur höhlte das Unternehmen von innen immer mehr aus. Selbst wenn die Credit Suisse tiefrote Abschlüsse machte, durften sich ihre Manager bedienen. Nach vielen Fehlern und Skandalen war das Vertrauen schliesslich im Eimer. Der gigantische Kapitalabfluss der letzten Phase (bis zu 10 Milliarden Franken pro Woche) zeigt dies eindrücklich.
In den letzten 20 Jahren hat die Credit Suisse 42 Milliarden Franken Boni ausbezahlt – 42’000’000’000 Franken! Wie kaputt ist diese Bank? Das krasseste Beispiel: Brady Dougan kriegte 2009 nebst seinem fixen Gehalt von 18 Millionen einen Bonus von 71 Millionen Franken. Die Gier der Manager nach dem schnellen Geld hat ihr schliesslich den Garaus gemacht.
Gestern Abend traten einzelne Figuren von Bundesrat, Nationalbank, Finma, UBS und CS vor die Medien. Schuld am Aus der Credit Suisse seien «Gerüchte auf Social Media», wurde erläutert. Und die «Too-big-to-fail»-Regulierung funktioniere in der Schweiz gut.
Fakt ist: Die Finanzmarktaufsicht (Finma) hat die «To-big-to-fail»-Regulierung, die nach der Finanzkrise 2008 eingeführt wurde, noch gar nie angewendet. Die Trennung der Banken nach Sparten – hier klassische Dienstleistungen wie die Kreditvergabe, dort das hochriskante Investmentbanking – war vor ein paar Jahren im Parlament nicht mehrheitsfähig.
Für gerade einmal 3 Milliarden Franken reisst sich die UBS die Credit Suisse unter den Nagel. Das ist ein Spottpreis. Seitens des Staats gibt es eine Defizitgarantie von 9 Milliarden Franken, die Nationalbank hilft bei Bedarf mit einem Darlehen von bis zu 200 Milliarden Franken. Mir wird schwindlig. Doch zurück zur Medienkonferenz:
Hörten wir gestern Abend einen kritischen Nebensatz von Finanzministerin Karin Keller-Sutter oder Bundespräsident Alain Berset an die Adresse der CS-Spitze? Nada.
Hörten wir eine leise Selbstkritik seitens der CS-Spitze? Nada. Man müsse sich jetzt auf die Zukunft konzentrieren, sagte Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann.
«Ach, ihr geldgetriebenen Säcke!», stöhnt Bürokollege Suppino leise!
Wenn alles gut läuft beim Entstehen der neuen Riesen-Bank, braucht es unsere Steuergelder nicht. Die wichtigste Währung in diesem Game: Vertrauen. Das wird eine anspruchsvolle Übung. Nicht zu vergessen: Das eidgenössische Wahljahr hat seit gestern ein Mega-Thema. Die Parteien werden sich von heute an überbieten mit Forderungen und Anschuldigungen.
PS:
Buchtipp zum Thema: «Frühling der Barbaren» von Jonas Lüscher. Die Novelle kam zwar schon vor zehn Jahren heraus, ist aber wieder brandaktuell und ein famoses Stück Literatur.
Foto: Der Spiegel