Bleibt Donald Trump heute auf der Strecke, ist in den USA noch kein Problem gelöst

Publiziert am 08. November 2016

Rund 140 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner haben sich für die Wahlen registriert. Sie dürfen heute bestimmen, wer Präsident oder Präsidentin ihres Landes wird. Vieles deutet darauf hin, dass die Wahlbeteiligung unter die 50-Prozent-Marke fällt. 2012 betrug sie gerade noch 53,6 Prozent. Der apokalyptisch geführte Wahlkampf hat bei vielen Menschen im seit Jahren zerrissenen Land zu einem Overkill geführt. In den hart umkämpften Swing States sind sie der Bombardements an Radio- und TV-Spots, Lügen und Social-Media-Lärm, aber auch der Pseudo- und Breaking News überdrüssig; die täglichen Telefonanrufe und Besuche an der Haustüre, das die zahllosen freiwilligen Helfer systematisch betreiben, nerven gewaltig. Heute ist die Schlacht zu Ende – vielleicht.

Für den Präsidentschaftswahlkampf 2012 wurden mehr als 2 Milliarden Dollar aufgewendet; diese Summe dürfte nun beim Duell Trump vs. Clinton noch einmal überboten werden. „Big Money“ höhlt die amerikanische Politik schon seit Jahrzehnten aus, wer Partikularinteressen durchsetzen will, sichert sich mit grosszügigen Spenden die Loyalität von Gouverneuren, Senatorinnen und Mitgliedern des Repräsentantenhauses. Mehr als die Hälfte aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind inzwischen selber Millionäre.

Wie sich Wahlkampfspenden auswirken, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 1992: Die Exil-Kubaner in Miami steuerten mehrere Millionen Dollar an Bill Clintons Kampagne bei. Der Gliedstaat Florida ist mit 27 Wahlmännern einer der grössten Swing States, Clinton konnte ihn dank den Stimmen der Latinos gewinnen. Als Präsident verzichtete er während seiner achtjährigen Amtszeit darauf, das Wirtschaftsembargo gegen Kuba aufzuheben. Als Unabhängiger hätte er es in der Hand gehabt, die Not der kubanischen Bevölkerung zu lindern und einen sanften „Change“ herbeizuführen.

Schon im letzten Sommer hatte gemäss Umfragen eine Mehrheit der Amerikaner den Wahlkampf satt. Seine gnadenlose Härte, die sich mit den eigenen Problemen vermengt, verstärkt die Politikverdrossenheit. Die Ablehnung hat auch mit den beiden verbliebenen Kandidierenden zu tun: Sowohl Hillary Clinton wie Donald Trump sind Spaltpilze, ja regelrechte Hassfiguren.

Während Jahrzehnten lautete vor Präsidentschaftswahlen die wichtigste Frage, welche die Amis immer stellten:

Would you buy a used car from this man?

Glaubwürdigkeit war ein zentraler Faktor für den Wahlerfolg. Vor vier Jahren strauchelte Herausforderer Mitt Romney, weil er in der Wahrnehmung der Amerikaner ein dubioser Geschäftsmann blieb. Dieses Mal trauen sie weder dem Republikaner noch der Demokratin, die im Finale stehen, über den Weg. Hillary Clinton bringt zwar alles mit, was es für eine gute Präsidentin brauchte. Aber sie ist eine schlechte Wahlkämpferin, das Bad in der Menge will ihr nicht gelingen, bei keinem ihrer Auftritte wirkt sie authentisch. Für den grössten Malus kann sie nichts: Sie ist eine Frau. Viele Amerikaner – auch solche weiblichen Geschlechts! – finden, dass eine Frau im „Oval Office“ nichts zu suchen hat – Welcome to the 21th Century, America.

Trump, der cholerische Kotzbrocken und Despot, schaffte die Nomination aus zwei Gründen:

1.  Weil die Republikanische Partei versagt hat.
Die Mächtigen in der Grand Old Party (GOP) unterschätzten Trump lange Zeit. Als Aussenseiter gestartet, konnte er in den Vorwahlen schliesslich alle Kontrahenten schlagen. Am Parteitag der Republikaner in Cleveland (Ohio) gab es zwar Scharmützel, die Nomination von Trump konnte aber niemand mehr verhindern, ohne den grossen Bruch zu riskieren. Die Ereignisse der letzten Monate haben aber weiterhin das Potenzial, die GOP zu sprengen. Es ist gut möglich, dass zwei neue Parteien entstehen.

Schon bei der Entstehung der Tea-Party-Bewegung 2009 zeigte die Republikanische Partei strategische Schwächen. Sie ging davon aus, vom kräftigen Wind am rechten Rand zu profitieren. Die Bewegung war aber bald nicht nur laut, sondern auch finanzkräftig (sie wird unterstützt von den beiden milliardenschweren Koch-Brüdern Charles und David), hatte schnell einen grossen Zulauf, verstärkte ihren Einfluss innerhalb der Partei und brüskierte damit moderate Kräfte.

2.  Weil Angst, Wut und Frustration das Land gespalten haben.
Die Spaltung des Landes begann schon in den Achtzigerjahren, als Ronald Reagan die Ausgaben für die Rüstung massiv erhöhte und gleichzeitig die Sozialkosten herunterfuhr. Kelly Nyks, den ich vor drei Jahren traf, hat das in seinem Dokumentarfilm „Split – a deeper Divide“ gut nachgezeichnet. 47 Millionen Amerikaner – jeder siebte im Land – ist heute auf Essensmarken angewiesen, die Arbeitslosigkeit beträgt zurzeit offiziell 5,0 Prozent, laut unabhängigen Quellen und ohne statistische Tricks (Langzeitarbeitslose) liegt sie hingegen bei über 20 Prozent.

Als 2006 die Immobilienblase platzte, verloren Millionen von Leuten, die dem Mittelstand zugeordnet werden konnten, ihr Hab und Gut. Die Finanzkrise, die daraus resultierte, radierte eine grosse Anzahl Jobs aus und der Staat musste viele Banken und Versicherungen vor dem Konkurs bewahren. So erhielt beispielsweise die AIG, weltweit der grösste Versicherungskonzern, von der US-Notenbank einen Kredit in Höhe von 85 Milliarden Dollar. Die Rettungsaktionen verschlangen viel, viel Geld – Steuergeld.

usa-waffen-starbucks-stats-612-kopieSeit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 (9/11) in New York und Washington ist die Angst in den USA allgegenwärtig. Das Geschäft mit der Sicherheit boomt, so gibt es heute sechsmal mehr Waffengeschäfte als Starbucks-Filialen (siehe Grafik oben) – mit den bekannten Folgen.

Angst, Arbeitslosigkeit und der Mangel an Perspektiven haben die USA immer tiefer gespalten; Wut und Verachtung branden der politischen Klasse entgegen. So konnte Trump überhaupt erst Präsidentschaftskandidat werden. Er ist die Frucht einer unheilvollen Entwicklung. Bleibt er auf der Strecke, atmen die Wallstreet und die restliche Welt auf. In den USA ist deswegen noch kein einziges Problem gelöst. Verhasst wie Hillary Clinton ist, wird sie es auch als Präsidentin nicht schaffen, das gespaltene Land wieder zu vereinen.

Amerika muss nicht “great again” gemacht werden. Viel wichtiger wäre: Make America sane again – Amerika soll wieder gesunden. Ein Wahlsystem, das den Willen der Wählerinnen und Wähler abbildet statt verzerrt, würde den USA auch gut anstehen.

 

One Reply to “Bleibt Donald Trump heute auf der Strecke, ist in den USA noch kein Problem gelöst”

  1. Ich war gerade drüben (New York). O.K. der Trumptower ist abgesperrt, aber wenn wir ehrlich sind, ist das Sicherheitsproblem vor der Reitschule grösser, in Manhattan hatte ich NIE angst, das mir etwas zustossen würde, dies würde ich gerne auch mal über die Stadt Bern sagen!

    Bill Clinton:
    Ihre Kuba-Embargo-These zu Bill Clinton ist doch sehr gewagt. 1. Der kalte Krieg war damals erst 2-3 Jahre vorbei, Niemand konnte sagen ob Castro durchhalten wird. Sie wurden da auf ihrer Radtour durch Kuba Gehirngewaschen!
    2. Bill Clinton verdankte seine Wahl (und Wiederwahl) der Kandidatur von Ross Perot (einem Milliardär wie Trump) welcher Stimmen den Reps abnahm. Heute gibt es faktisch seine Reformpartei nicht mehr, aber die Unzufriedenen hatten schon damals bis 20%.
    3. Und diese Unzufriedenen hatten bereits 1994 dafür gesorgt, dass das Repräsentantenhaus seither (nach 40 Jahren der Mehrheit der Demokraten) strukturell in republikanischer Hand ist. Sorry aber Bill Clinton hat als Präsident versagt, der dachte zu oft mit dem kleinen Kopf.

    Hillary Clinton:
    Sorry aber Sie ist einfach ein Kontrollfreak, deshalb auch die E-Mail-Affäre welche nur dem Geld nachrennt. Ausserdem wer sie wählt muss doch verrückt sein, ihre Wahl hätte doch ein weiter so bedeutet und z.B. die Arbeitslosenprobleme kaum gelöst.

    Donald Trump und GOP:
    Ich bin realistisch, ob er die Probleme lösen kann ist sehr unsicher. Aber als ich endlich mal wieder nach 20 Jahren wieder durch Manhattan gelaufen bin, wurde mir eines sofort klar, bei so vielen Bettlern oder Leuten die einem auf irgendwelche Touren etc. mitnehmen wollen, einer U-Bahn die 2.75$ kostet egal wie weit man fährt und McDonalds die keine Automaten haben zum bestellen, weil die Arbeitnehmer billiger sind als die Automaten, da musste ein Kandidat gewinnen der verspricht, das keine illegalen Mexikaner mehr kommen und einem den Job wegnehmen. Und die GOP wird sich vorerst mal eher nicht spalten, weil viele Reps bekommen nun gute Jobs im Weissen Haus.

    Das Wahlsystem der USA:
    Ich habe vorhin schon erklärt, dass der Kongress faktisch seit mehrerer Jahren in den Händen der Republikaner ist, würde jetzt einfach das Volksmehr entscheiden, dann wäre Clinton jetzt zwar evtl. gewählt worden. Aber der Kongress und die Regierung würden definitiv Dauerblockiert und im Falle von Präsidentin Clinton könnte so das Land nicht mehr regiert werden, weil auch Absetzungsverfahren durch den Kongress gedroht hätten, es könnte sogar in Bürgerkriegszuständen Enden, weil das Land ist gross und weit.

    Oder man könnte es machen wie in Nebraska oder Main, wo der Kongressdistrikt den Wahlmann stellt und der Sieger des Staates den Bonus von 2 Wahlmänner erhält, aber dann wäre Super-Obama schon vor vier Jahren abgewählt worden. Und Optionen wie China oder Frankreich sind wohl kaum besser. Mein Vorschlag: der Kongress sollte es endlich zugeben, der Unabhängigkeitskrieg von 1775 war ein Fehler und die englischen Monarchin ergebenst darum bitten, wieder als Kolonie ins Mutterland zu dürfen.

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