Die Fahnenflucht des Thomas Müller

Publiziert am 17. Januar 2011

Siebzehn Tage lang war ich ferienhalber in unwegsamen Gegenden unterwegs und hatte keinen Zugang zu Medien. Bei der Ankunft heute Nachmittag im Flughafen Zürich-Kloten springt mir die Schlagzeile von Thomas Müller (Bild) als erste ins Auge. Diese Geschichte ist – für mich – ein lausiger Start ins Wahljahr 2011.

Über Nacht hat der St. Galler Nationalrat und Stadtpräsident von Rorschach das Parteibuch gewechselt. Das ist starker Tobak, was auch für die Kommunikation gilt. Die Spitzen seiner ehemaligen Partei, der CVP,  mussten in der Sonntagspresse vom fliegenden Wechsel Müllers zur SVP erfahren und reagierten entsprechend perplex.

Insgesamt gehörte Müller der CVP 40 Jahre lang an. Ihr und nur ihr verdankt er seine politische Karriere. Bis vor wenigen Jahren war die CVP im Kanton St. Gallen die Machtpartei schlechthin; wer er zu etwas bringen wollte, musste ihr beitreten. Eine SVP-Kantonalsektion wurde erst 1993 gegründet.

Jahrtzehntelang profitieren und dann Fahnenflucht begehen – für Müller ist das offenbar kein Problem. Dass sein Sitz, der dritte der CVP St. Gallen, wackelt, dürfte die wahre Ursache für den Parteiwechsel sein.

Es kommt aber noch dicker: In den letzten drei Jahren zahlte der ehemalige Präsident des FC St. Gallen weder der kantonalen noch der nationalen Partei seine Mandatsbeiträge. Insgesamt belaufen sich die Ausstände auf 15’000 Franken.

Zuweilen bleibt einem nur noch das Kopfschütteln.

Foto Thomas Müller: cvp.ch

8 Replies to “Die Fahnenflucht des Thomas Müller”

  1. Thomas Müller startete zu seiner politischen Ochsentour wahrlich noch in einer anderen Zeit. Im Verlauf der Jahre mutierte der Kanton St.Gallen von einer CVP- zu einer SVP-Hochburg.

    Bei den Nationalratswahlen 1991 erzielte die CVP einen Wähleranteil von 35.8 Prozent und damit 5 Sitze (von total 12 Sitzen). Die SVP gab’s im Kanton gar nicht. Die “Auto-Partei – Die Freiheitlichen” schaffte 12.6 Prozent und 1 Sitz.

    16 Jahre später bei den Nationalratswahlen 2007 erzielte die SVP einen Wähleranteil von 35.8 Prozent und 5 Sitze. Die CVP kam auf 21.4 Prozent und 3 Sitze.

    Für seine Wiederwahl 2011 muss Thomas Müller trotzdem kräftig an Stimmen zulegen. Im Jahr 2007 erzielte er 33 532 Stimmen. Das reichte für Platz 3 auf der CVP-Liste. Auf der SVP-Liste wäre er aber mit dieser Stimmenzahl nicht einmal auf dem 12.Platz (= 35 995 Stimmen) gelandet. Im Jahr 2007 benötigte man für die Wahl auf der SVP-Liste 44 531 Stimmen (Platz 5).

    Der Parteiwechsel von Thomas Müller macht nun den Wahlkampf 2011 im Kanton spannender. Einzig Nationalrat Theophil Pfister (SVP) tritt von den Bisherigen nicht mehr an. Wer sich den freien Sitz schnappt, ist jetzt offener geworden.

  2. ‘@ jC

    Danke für Ihre ausführlichen Ergänzungen. Was ich bislang nirgendwo gelesen habe: Müller fürchtete womöglich, als CVP-Kandidat im Hebst nicht mehr gewählt zu werden – der dritte Sitz ist ja allenfalls gefährdet.

    Sollte Müller nun gar Ständeratskandidat der SVP werden, wäre das eine weitere Irrung dieser Geschichte.

  3. In der Tat eine hanebüchene Aktion. Aber wen wundert’s? Die SVP ist schon lange ein Auffangbecken für frustrierte Hinterbänkler.

    Bleibt zu hoffen, dass die St. Galler solche taktischen Spielchen abstrafen.

  4. Aussagen wie die Folgende lassen mich aufhorchen:

    “Jahrtzehntelang profitieren und dann Fahnenflucht begehen – für Müller ist das offenbar kein Problem.”

    Sagen Sie mal Herr Balsiger, wäre es allenfalls noch möglich, dass Herr Thomas Müller in den Jahren seiner Mitgliedschaft bei der CVP auch einen Beitrag zum Erfolg der Partei geleistet hat? Ihr Artikel ist vollkommen daneben, er ignoriert die Tatsache, dass es der bürgerliche Flügel in der CVP immer schwerer hat.

  5. Tja, das ist halt jetzt die angewandte Personenfreizügigkeit. Nationalrat Müller verspricht sich bei der SVP offenbar bessere Arbeitsbedingungen als in seinem alten Laden CVP. So ist das Leben eben.

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