Die SVP bleibt aussen vor
Publiziert am 13. Juni 2010Die Wahlen im Kanton Graubünden warten mit zwei fetten Überraschungen auf:
1. Die FDP ist Siegerin auf der ganzen Linie
2. Die SVP holt im Parlament nur vier Sitze und verpasst den Einzug in die Regierung klar
Die FDP büsste die letzten Jahre bei allen Parlamentswahlen in den Kantonen Wähleranteile ein. Zuletzt besonders brutal in Bern (- 6,1%) und Glarus (- 9,8%). In Graubünden legte sie heute nicht weniger als fünf Sitze zu. Damit stellt sie die mit Abstand grösste Fraktion. Bei den Regierungsratswahlen erzielt der Bisherige Martin Schmid (Foto ganz links) zudem das beste Ergebnis. Diese Glanzresultate sind Balsam auf die Wunden des Freisinns.
Die SVP verpasst mit vier Sitzen selbst ihr Minimalziel: die Bildung einer eigenen Fraktion im Grossen Rat (mind. fünf Sitze), so heisst das Kantonsparlament in Graubünden. Weil die Parlamentssitze in den 39 Wahlkreisen nach dem Majorzwahlsystem (Mehrheitswahl) ermittelt werden, liegt ein Schluss auf der Hand: der Volkspartei mangelte es an bekannten bzw. mehrheitsfähigen Kandidaten. (Das gilt offensichtlich auch für ihr Regierungsratskandidat Heinz Brand: Er kam bloss auf Rang 7. Die Regierung bleibt damit parteipolitisch gleich wie zuvor zusammengesetzt: 2 BDP, 1 CVP, 1 FDP, 1 SP.)
Die neue Anzahl Parlamentssitze der Parteien (blau) im Vergleich zu 2006 (grau):
Ohne Fraktion hat die SVP in der parlamentarischen Arbeit der nächsten vier Jahre wenig Einfluss. Die zwei Grünliberalen, die heute gewählt wurden, sowie die vier Unabhängigen (Parteilose) werden sich hüten, eine Fraktionsgemeinschaft mit ihr einzugehen. Wahrscheinlicher ist, dass sich Grünliberale und Unabhängige zusammenschliessen werden.
Die SVP, die von 1971 bis Mitte 2008 zu den mächtigen Parteien Graubündens zählte, hat einen steinigen Weg vor sich. Bei den eidgenössischen Wahlen in 16 Monaten wird es für sie sehr schwer, ein Nationalratsmandat zu erringen. Denn das Hauptproblem bleibt: ihr fehlen zugkräftige Namen.
Als Retter in der Not könnte Peter Aliesch auftreten. Aliesch war von 1983 bis 1990 Nationalrat und von 1990 bis 2002 Regierungsrat für die FDP. Im Sommer 2001 stolperte er über die “Pelzmantelaffäre”, die FDP entzog ihm das Vertrauen, Aliesch kehrte der Partei den Rücken. Vor ein paar Monate trat er der SVP bei. Im Alter von 65 Jahren könnte er dereinst ein Comeback versuchen.
Foto neue Regierung Graubündens: vilan24.ch, von links nach rechts:
– Martin Schmid, FDP, bisher, 25’720 Stimmen
– Barbara Janom Steiner, BDP, bisher, 24’623
– Hansjörg Trachsel, BPD, bisher, 20’530
– Mario Cavigelli, CVP, neu, 19’800
– Martin Jäger, SP, neu, 16’034
(absolutes Mehr: 15’682 Stimmen, Stimmbeteiligung 36,2%)
– 6. Barla Cahannes Renggli, CVP, neu, 14’276
– 7. Heinz Brand, SVP, neu, 13’070
Grafik: gr.ch
War es dannzumal, also im Sommer 2008, doch so, dass die Bündner SVP ausgeschlossen wurde und die BDP gründeten. Es ist plausibel, dass die SVP nicht abhebt. Die ehemaligen SVPler sind immer noch in der BDP; auch wenn viele nicht glücklich sind. Der Ärger über den Rausschmiss verfliegt aber scheinbar nicht so schnell und die Rückwanderung ist (noch) nicht eingetreten.
Den (wieder) gewählten Bündner Regierungsräten liegt offenbar wenig an ihrem Online-Auftritt noch am Dank.
Nur gerade einer von fünf schaffte es, auf seiner Website ein paar Worte des Dankes für die (Wieder-)Wahl zu verlieren. http://www.hansjoergtrachsel.ch/news/
Hansjörg Trachsel war nicht nur der einzige, sondern auch schnell. Bereits am Sonntagnachmittag, kurz nach seiner Wiederwahl, hatte er regiert.
‘@ Andreas Lüthi
Eine Rückwanderung dürfte es zumindest die nächsten Jahre nicht geben. Dafür hat die BDP in Graubünden schlicht zu gut abgeschlossen – bzw. die SVP zu schlecht. Bei der Volkspartei einzusteigen ist wenig attraktiv, weil: bis Mandate in Reichweite liegen, kann es noch lange dauern.
[…] (58, Foto), der die kantonale SVP-Sektion präsidiert, will es zum zweiten Mal nach 2010 wissen. Damals erreichte er lediglich Platz 7. Jetzt ist seine Ausgangslage viel besser: […]