Tschäppäts Vollmondgesänge oder Wieviel Privatleben darf ein Politiker haben

Publiziert am 05. März 2010

Alexander Tschäppät ist ein Causeur, aber auch der beste Verkäufer der Bundesstadt – und seiner selbst. Bei unverzerrtem Licht und nüchtern betrachtet, hat Berns Stadtpräsident einen beachtlichen Leistungsausweis als Politiker vorzuweisen.

Der Politiker Alexander Tschäppät kommt allerdings regelmässig ins Gehege mit dem Menschen Alexander Tschäppät. Etwa wenn man Testosteron und Pheromone Polka tanzen lässt oder die gut geölte Zunge sich verselbstständigt.

Am letzten Wochenende feierte Tschäppät den Sieg von YB über den FC Zürich im “Luna llena”. Bald einmal stand er auf der Bühne und besang zusammen mit einer Partyband nicht nur den Vollmond, sondern auch zwei ehemalige Bundesräte, die in den Songzeilen allerdings ganz anders benamst wurden.

Seither muss Tschäppät sich nicht um mediale Unaufmerksamkeit sorgen, er gibt von den Kameras und Mikrofonen den Reuigen und gelobt, dass “so etwas” nicht mehr vorkomme.

Mit der nötigen Distanz und Schärfe fällt die Analyse von Jean-Martin Büttner im heutigen “Tages-Anzeiger” auf:

Wo eine Bühne ist, steht auch ein Tschäppät (PDF)

Nach jedem Tritt in das Fettnäppchen thematisiert Tschäppät das Recht auf ein Privatleben. Damit hat er im Prinzip Recht, bloss: bei Berufspolitikern, National- und Ständeräten hat es keinen Platz für Eskapaden in der Öffentlichkeit. Für sie existiert nur noch in den eigenen vier Wänden eine Privatsphäre. Das ist der Preis eines hochdekorierten Amtes.

Foto Alexander Tschäppät: flickr.com

5 Replies to “Tschäppäts Vollmondgesänge oder Wieviel Privatleben darf ein Politiker haben”

  1. Vielleicht ist der Begriff «Privatsphäre» nicht so glücklich gewählt.

    Wenn es darum geht, dass eine Politikerin oder ein Politiker auch einmal Privatperson ausserhalb der eigenen vier Wände sein darf, dann würde ich das massiv bejahen.

    Das Gegenteil würde für eine Politikerin oder einen Politiker mit sich bringen, dass alles, was ausserhalb der eigenen vier Wände geschieht, immer einer politischen Botschaft gleich kommt. Das kann es dann ja auch nicht sein.

  2. ‘@ Titus Sprenger

    Ich meinte in der Tat auch “Privatleben”, schrieb in der Eile aber Privatsphäre. Den Titel habe ich darum geändert.

    Ich unterscheide zwischen Politikern auf der einen Seite und Berufspolitikern bzw. National- und Ständeräten auf der anderen Seite. Die Mitglieder der zweiten Gruppierung muss sich bei jedem Schritt in der Öffentlichkeit bewusst sein, dass ebendiese hergestellt werden kann.

    Alexander Tschäppät scheint das gelegentlich zu vergessen.

  3. ‘@Mark Balsiger

    Wissen Sie denn nicht, dass wir gewöhnlichen Leute eine Riesenfreude haben an Politikern, die lustvoll in Fettnäpfchen reinstampfen?

    Seien wir doch ehrlich: das Volk hat so was die Nase voll von all den PR-geschulten Bubis! Sind wir eine Nation von Pressesprechern? Nein! Wir sind ein Volk im Saft!

    Ich hoffe Sie berücksichtigen das, wenn Sie unsere Politiker PR-mässig beraten.

  4. ‘@Philipp Aregger

    Wenn Sie und andere Freude an solchen Aktionen haben, ist Ihnen das unbenommen. Dass im konkreten Fall Alexander Tschäppät allerdings lustvoll in ebendieses Näpfchen trat, wage ich zu bezweifeln.

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