Auf der Jöö-Welle surfen: Berner Parteien mit gelungenen und innovativen Videos

Publiziert am 24. März 2010

Noch vor Wochenfrist stellen wir im “Bund” fest, dass der Berner Wahlkampf fast ausschliesslich auf konventionelle Medien und Massnahmen ausgerichtet sei. Noch am selben Tag erfolgte ein erster Gegenbeweis: Die SP lancierte die beiden Bärchen Urs & Berna.

Die Namensvetter der putzigen Medienstars im Bärenpark, die derzeit täglich 5000 Besucher anlocken, kriegen im Film Besuch von einem vierbeinigen “Cervelat-Promi” aus der Stadt Zürich: Das Zebra, das die SP aus dem Kreis 11 verschiedentlich in Videoclips auftreten liess, gesellt sich zu den Bärchen. Aber schauen Sie selbst:

Der Clip ist gut gemacht, ohne Wenn und Aber. Die Macher reagierten schnell und clever: Sie surfen auf der Jöö- und Promi-Welle. Das Zebra generierte im Stadtzürcher Wahlkampf bereits viel Medienaufmerksamkeit und wurde dank der Satiresendung “Giacobbo/Müller” Kult – immer und immer wieder von Mike Müller lanciert, ein Running Gag eben.

Mit Politik hat das nichts am Hut, dafür mit Aufmerksamkeit, und die ist im zunehmend inhaltslosen Wahlkampf viel wert. Der Clip bringt ein Schmunzeln in die Gesichter der Zuschauer – und die Onlinemedien befassen sich ein weiteres Mal mit diesem Thema, dem Zebra sei Dank.

Bei “Youtube” wurde das Filmchen immerhin schon rund 2450 Mal angeschaut – für Produktionen im Schweizer Wahlkampf ist das ein beachtlicher Wert.

SP und Grüne haben inzwischen auch für ihre vier bisherigen Regierungsratsmitglieder ein Video hochgeladen:

In diesem Clip versuchen die Macher, Inhalte zu transportieren, was ihm prompt eine gewisse Schwere verleiht. Der Weg-Klickreflex muss gebändigt werden. Handwerklich ist der Clip aber gut, der Dreh mit der Uhr und der Sommerzeit passt.

alexandra_perina1_200Einen Entwicklungsschub voraus ist die Produktion der CVP-Regierungsratskandidatin Alexandra Perina-Werz (Foto). Technisch überzeugend gelöst ist die Verknüpfung mit verschiedenen politischen Kernbotschaften. Perina-Werz erklärt in kurzen Einblendungen zu jedem Thema, worum es ihr geht. Als “Talking Head” und mit ihrer eigenen Stimme, ein innovativer Ansatz.

Die Flash-Produktion – auf dem Videoportal von Youtube kann man sie vermutlich aus technischen Gründen nicht hochladen – basiert allerdings auf einem Drehbuch, das nicht überzeugt. So dauert die erste Sequenz beim Bahnhof Bern geschlagene 12 Sekunden, ohne dass etwas gesagt oder Spannung aufgebaut würde. Das strapaziert die Geduld der Betrachter stark, zu stark. Erneut kommt der Weg-Klickreflex.

Dabei wäre die zweite Sequenz ein gelungener und witziger Einstieg gewesen: Ein älterer Mann, der sich dem Plakat von Perina-Werz nähert, wird urplötzlich von ihr mit “Grüessech!” begrüsst. Mit diesem Überraschungseffekt hätte die Produktion dynamischer gewirkt.

Die Option, das eigene Foto einzubauen und so das Video personalisiert an Freunde und Bekannte zu mailen, animiert zu wenig. Und auch der Begleittext hätte nochmals überarbeitet werden müssen:

Hallo
Vielleicht interessiert Dich dieses Video. Alexandra Perina-Werz freut sich über Deine Unterstützung. Klicke einfach auf den Link:
http://www.perina-werz.ch/2010/index.html?code=gz9ioqbdv06vdov3bdv1jfg4ikbdv2

Bester Gruss

Ein solcher Hilfstext macht etwa soviel Lust auf das Anklicken wie zum vierten Mal Kartoffelsalat in derselben Woche. Die virale Verbreitung im grossen Stil dürfte ausbleiben. Das “Masterpiece” mit dem ehemaligen “Tagesschau”-Sprecher Charles Clerc, der im Februar 2008 in einem famosen Beitrag für die Personenfreizügigkeit warb, bleibt weiterhin unerreicht. Schätzungsweise 600’000 Mal wurde es angeklickt.

3 Replies to “Auf der Jöö-Welle surfen: Berner Parteien mit gelungenen und innovativen Videos”

  1. Tja, in den Zürcher Zabrafilmen gibts ja einiges an Inhalt. Was dann aufgenommen wird, bzw. den Anlass bietet, dass die Medien die Filme aufgreifen, ist das “Jöö” oder das Witzige.

    Die Politik muss mit den Medien leben, welche die Schweiz hat, nicht jene, die sie sich erträumt. Problematisch wird es dann, wenn jene Medien, die sich überwiegend um Klamauk kümmern, die angebliche Inhaltsleere der Kampagnen der Parteien beweinen (z. B. der Tagi).

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert