Bahnhofplatz Bern: Baldachin ist ein Wurf
Publiziert am 27. Mai 2008Gut Ding will Weile haben. Bis am Bahnhofplatz Bern die Bagger auffahren konnten, stritt man sich eine Politikergeneration lang über das Wie, Einsprachen mussten bereinigt und Abstimmungen erzittert werden.
Noch ist der letzte Pinselstrich nicht gemacht, aber mit Sicherheit lässt sich schon jetzt sagen: Der umgebaute Bahnhofplatz besticht durch seine Grosszügigkeit. Wer vom Bubenbergplatz Richtung Loeb bzw. Heiliggeistkirche unterwegs ist, kommt ins Staunen. Dieser Abschnitt präsentiert sich wie eine stolze Allee, einzig ein paar mächtige Bäume, die die Strasse säumen, fehlen.
Der Baldachin, dieses riesige, etwa 85 Meter lange, elegant geschwungene Glasdach, wirkt von Westen her betrachtet wie ein Tor zur Innenstadt. Keine Zweifel: der Baldachin ist ein Wurf. Auf Grund der Pläne hatte ich gezweifelt, dass er sich ins Stadtbild einfügen würde. Ich täuschte mich – zusammen mit vielen anderen, die den Baldachin teilweise sogar regelrecht verteufelten und alles daran setzten, ihn zu verhindern.
Der neue Bahnhofplatz wirkt offen, freundlich und, ich wiederhole mich, grosszügig. Er ist eine Visitenkarte, auf die man stolz sein darf. Vielleicht hilft das den Von-Geburt-auf-und-stets-hier-gebliebenen Bernerinnen und Bernern, die offenbar ihre Stadt als minderwertig einstufen, ihre Wahrnehmung zu korrigieren.
Die Einweihung des neuen Bahnhofplatzes findet diesen Samstag statt. Es wird mir der grossen Kelle angerichtet, eine 17-stündige Sause wartet auf die Bevölkerung. Und vermutlich auch einige Störefriede – verkleidete Antifa-Mitglieder, die die Aufmerksamkeit für sich nutzen wollen.
Fotos: www.bahnhofplatz.ch
Was ist schon eine Allee ohne Bäume? Nein, ein Wurf ist das nicht. Es fehlt zudem eine Fortsetzung des Daches bis ganz zum Bahnhof hin, und dass man diesen Wurf 24 Stunden ultrabeschallen und im Winter heizen muss, ist ein Skandal.
dito … das ist ein Un-wurf.
Bern ist für mich schon seit Jahrzehnten eine langweilige und trostlose Stadt, von den nervenden Bettlern, den Schmierereien und der hohen Kriminalität ganz zu schweigen. Es kann in Bern fast alles nur noch besser werden. Und da kommt nun der Baldachin und die neu gebaute Christoffelunterführung gerade recht. Langsam, aber sicher hat Bern damit begonnen, zu erwachen aus einer jahrzehntelangen Lethargie.
Ich freue mich immer wieder, wenn sich anerkannte Experten (z.B solche der Kommunikation) urplötzlich als Multi-Experten (z.B. für moderne Architektur) entpuppen. Diese Unsitte ist seit einiger Zeit im schweizerischen Blätterwald zu beobachten. Das sich diese Unsitte nun hier auf den Wahlkampf-Blog (für mich im weitesten Sinne ein Polit-Blog) ausweitet, muss wohl einem allgemeinen Trend zugerechnet werden.
Das Wort Un-Wurf gefällt mir, womöglich handelt es sich sogar um eine neue Wortkreation, und das allein verdiente schon Respekt.
@ ernst k.
So, wie der Baldachin sich präsentiert, wäre eine Verlängerung bis zum Bahnhof tatsächlich wünschenswert. Wenn mich mein Langzeitgedächtnis aber nicht im Stich lässt, war diese “Verlängerung” des Glasdaches ursprünglich geplant, wurde danach aber redimensioniert.
@ my dear open society
Womöglich lässt sich aus der Ferne die politische Dimension des neuen Bahnhofplatzes nicht erkennen. Ich habe in den letzten Jahren die Irrungen der Politik zu diesem gigantischen Umbauprojekt beobachtet und finde es das Resultat vor diesem Hintergrund wirklich gelungen.
Das wahlkampfblog ist und bleibt ein Blog über Politik und Medien, an einer Expansion in Richtung Städte- und Verkehrsplanung bzw. Architektur habe ich kein Interesse. Getreu dem Motto: Schuster bleib bei deinen Leisten.
[…] Stadtpräsident Alexander Tschäppät mit “10vor10″-Korrespondent Urs Wiedmer unter den Baldachin beim umgestalteten Bahnhofplatz und zum neuen Eisstadion, das zurzeit gebaut wird. Die Botschaften: “Wir gaben und geben Bern […]
Ich finde den Bahnhof sehr gelungen! Viel besser als das Konstrukt in Berlin, da fallen ja immer die Platten runter.