Wahlen in Basel-Stadt, wo die Linken die besseren Bürgerlichen sind

Publiziert am 12. September 2008

2.jpg

An diesem Wochenende bestellt Basel-Stadt die Regierung und das Parlament neu. Ein echter Wahlkampf hat in den letzten Wochen und Monaten kaum stattgefunden. Das hat verschiedene Gründe:

1. Anstand statt Konfrontation: In Basel ist der Umgang unter den Politisierenden traditionell sehr höflich. Wer einmal eine Debatte im Grossen Rat verfolgt hat, wird das bestätigen. Das Intermezzo mit der SVP-Vorkämpferin Angelika Zanolari, die vor ein paar Jahren einen konfrontativ-lauten Stil ins Parlament brachte, ist Geschichte.

2. Devensive Bürgerliche: Für die Regierungsratswahlen wollten die bürgerlichen Bündnispartner CVP, FDP und LDP den als gemässigt eingestuften SVP-Kandidaten Patrick Hafner nicht mit an Bord nehmen. Die Hemmungen sind weiterhin gross, zusammen mit der Volkspartei anzutreten, und auch sonst ist nur wenig Kitt vorhanden unter den Bürgerlichen. Dabei müssten sie angreifen, nachdem sie vor vier Jahren einen Sitz verloren haben, der das Pendel nach links ausschlagen liess. Die Zusammensetzung der siebenköpfigen Regierung seit 2004: 3 SP,1 Grüner, 1 CVP, 1 FDP, 1 Liberaler.

Die SVP ist in den letzten 12 Jahren zur zweitstärksten Kraft hinter der SP herangewachsen. Wie in vielen anderen Wahlkreisen hat sie aber auch in Basel Mühe, in die Regierung zu kommen. Es wäre eine grosse Überraschung, wenn ihr das am Sonntag gelingen würde.

CVP, FDP und LDP begnügen sich offensichtlich damit, ihre drei bisherigen Regierungsräte (Carlo Conti, CVP, Hanspeter Gass, FDP, Christoph Eymann, Liberale) bestätigen zu lassen. Dabei wären die Chancen für einen Angriff auf die rot-grüne Mehrheit intakt gewesen: Die SP muss nämlich eine Doppelvakanz neu besetzen. Bei der Nomination sprang sie über ihren eigenen Schatten und machte die Geschlechterfrage nicht zum entscheidenden Kriterium. Sie schickt mit Christoph Brutschin und Hans-Peter Wessels zwei Männer ins Rennen, zwei sichere Werte, die Wirtschaftskompetenz mitbringen.

Der rot-grün dominierten Regierung wird attestiert, in den letzten vier Jahren pragmatisch gearbeitet zu haben. Sie schaffte es, die staatliche Pensionskasse zu sanieren und sie gleiste Steuersenkungen auf. Es ist deshalb kaum ein Zufall, dass die “Basler Zeitung” schrieb, die Linken seien die “besseren Bürgerlichen”.

3. Parlamentswahlen interessieren nicht: Wenn es auf kantonaler Stufe überhaupt echte Wahlkämpfe gibt, werden diese um Regierungsratssitze ausgetragen. Bei Parlamentswahlen ist das nicht der Fall, es herrscht faktisch ein kaum überblickbares Jekami. In Basel-Stadt wurden nicht weniger als 829 Kandidierende angemeldet. Der Grosse Rat zählt neu noch 100 statt wie bisher 130 Mitglieder. Einige Bisherige müssen zwar um ihre Wiederwahl bangen, mehrere unter ihnen werden am Sonntagabend lange Gesichter machen. Das war bei den Parlamentsverkleinerungen in den Kantonen Bern, Solothurn, Aargau und St. Gallen nicht anders.

Die Wiederwahl der vier Bisherigen Eva Herzog (SP), Guy Morin (Grüne), Carlo Conti (CVP) und Christoph Eymann (Liberale) gilt als sicher. Bei Hanspeter Gass (FDP) trifft das, so die Auguren in Basel, nach seinen ersten zwei Regierungsjahren nicht zu. Es ist möglich, dass bei einem zweiten Wahlgang die Karten neu gemischt werden. Schafft es Gass im ersten Anlauf, einer der beiden Sozialdemokraten aber nicht, dürften die Bürgerlichen Morgenluft wittern.

Am Sonntagabend darf man gespannt nach Basel blicken. Es sind die ersten Wahlen in einer grossen Schweizer Stadt seit den eidgenössischen Wahlen vor elf Monaten. (BS ist ein Stadtkanton, ein Exgüsé nach Riehen und Bettingen.) Dabei interessiert insbesondere das Abschneiden von SP und SVP. Die SP, weil sie vor Jahresfrist eine historische Schlappe eingefangen hat und seither bei den kantonalen Wahlen in St. Gallen und Schwyz Federn lassen musste. Die SVP, weil sie seit der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat, dem angekündigten Oppositionskurs und der Abspaltung der BDP noch nicht wieder Tritt gefasst hat.

Gespannt sein darf man auf das Abschneiden der Grünliberalen, die erstmals antreten. Dass Sie im Rathaus einziehen, gilt als sicher. Die entscheidende Frage ist, wem sie Wähleranteile abzwacken. Gefährdet sind primär SP, FDP, Liberale sowie die Demokratisch-Soziale Partei (DSP), eine Abspaltung der SP.

Das Ergebnis der Grünliberalen, die sich womöglich im urbanen Raum etablieren, kann ein Signal sein für kommunale Wahlen in anderen Städten. Am 28. September in Biel, am 30. November in Bern.

Das Ergebnis der Basler Wahlen wird am Montagmorgen hier und im Wahlbistro von Meinungsforscher Claude Longchamp analysiert.

Foto: baz.ch

2 Replies to “Wahlen in Basel-Stadt, wo die Linken die besseren Bürgerlichen sind”

  1. Tatsächlich haben die Grünliberalen in Basel den Einzug mit einem sensationellen Resultat (5 Sitze und ein Wähleranteil von 5%) auf Anhieb geschafft. Herzliche Gratulation!

    Das zeigt, dass die Zeit reif ist für eine Partei, die nachhaltige grüne Politik mit nachhatltiger Finanz- und Wirtschaftspolitik verbindet. Zudem sind Grünliberalen weder den Gewerkschaften, den Staatsangestellten noch den Grossunternehmen oder den Bauern hörig und dies scheint gut anzukommen.

    Wir sind gespannt auf die Wahlresultate in Biel, St. Gallen und Bern. Weitere Erfolge werden hoffentlich folgen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert