Bern-Bashing – und die unverzerrte Analyse

Publiziert am 15. November 2007

Bern-Bashing wurde bis vor kurzem mit einem Namen verknüpft: Urs-Paul Engeler. Regelmässig drischt er in der “Weltwoche” auf die Bundeshauptstadt und ihre Exponenten ein. Man hat sich an die Schläge gewöhnt, knirscht mit den Zähnen, die Lokalpresse relativiert oder repliziert, eine Flut von Leserbriefen folgen – und dann kehrt wieder Ruhe ein. Bis zum nächsten Mal.

Die galligen Texte Engelers werden jeweils als “Kritik aus Zürich” eingestuft, womit man bequem einen Reflex auslösen kann. Daneben gibt es aber auch das hausgemachte Bern-Bashing. Es hat Tradition und schadet dem Image der Stadt enorm. Es sind lokale Miesepeter, die alle und alles schlecht machen.

Seit dem Krawall-Samstag vom 6. Oktober betreiben die Medien schweizweit Bern-Bashing. In diesen Tenor stimmen viele ein, auch solche, die die Stadt nur vom Hörensagen kennen. Das Image leidet – “perception is reality”-, Sündenböcke müssen her.

Höchste Zeit für eine echte Analyse. Jean-Martin Büttner gelingt sie im heutigen “Tages-Anzeiger”. Wach und mit offenem Blick auf das Wesentliche hat er sich mit Berns Problemen auseinandergesetzt, behält dennoch die Distanz, recherchierte sauber und, wie fast immer bei Büttner, schreibt brillant. Zur Versachlichung hilft dieser Text gewiss.

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7 Replies to “Bern-Bashing – und die unverzerrte Analyse”

  1. die tagi-analyse deckt sich weit gehend mit meinen wahrnehmungen. eigentlich schade, dass ein journalist aus zürich uns aufzeigen muss, woran bern krankt.

  2. Eben in der Tageszeitung “Der Bund” gelesen: am gefährlichsten ist Bern auf der Strasse, konkret: zu Stosszeiten mit dem Fahrrad. Zu diesem Befund kommt eine Regula Bühlmann in ihrem Leserbrief von heute. Mit dem Velo unterwegs, sei sie fast täglich mit rücksichtslosen autofahrern konfrontiert, die Vortritts- und Verkehrsregeln missachteten. Der Strassenverkehr fordere mehr Opfer als die Randgruppierungen, heisst es im Leserbrief weiter. Ich finde das eine interessante Ergänzung zum Thema Sicherheit.

  3. Büttner hat eine treffende Beschreibung der Problematik geliefert – nun, er ist ja ein ausgewanderter Berner und kennt diese Stadt. Beim Stapi trifft die Analyse sehr zu: Tschäppät ist kein Krisenmanager, keiner, der hinsteht und in kritischen Situationen das Heft in die Hand nimmt. Er ist wirklich ein Schönredner und Schönwetterpolitiker. Dadurch hat er seine Glaubwürdigkeit zu einem grossen Teil verspielt.

  4. ‘@ alle

    Schön, dass sie mitdiskutieren! Das freut mich.

    @ marlü: Jean-Martin Büttner vom “Tages-Anzeiger” ist meines Wissens in Bern geboren, dann allerdings in Basel aufgewachsen. Seit etwa sieben Jahren lebt Büttner, den ich persönlich nicht kenne, wieder in Bern.

    Zu Alexander Tschäppät: Haben sie das Samstags-Interview im “Bund” mit ihm gelesen?

    @ renateb: Die relative Sicherheit auf Berns Strassen kenne ich gut. Meistens mit dem Fahrrad unterwegs, staune ich immer wieder. Über viele andere Verkehrsteilnehmer. Weil viele ihre Gefährte nicht im Griff haben, gleichzeitig am Natel telefonieren oder in Quartierstrassen keine Richtungsänderungen mehr signalisieren, habe ich grundsätzlich das Tempo reduziert. Womit ich keine Debatte “guter öV, schlechter MIV bzw. umgekehrt” nicht lostreten möchte.

  5. ‘@ Mark Balsiger. Interessant war Tschäppäts Frage, was gewesen wäre, hätte es den 6. Oktober nicht gegeben. Für ihn hätte das wohl bedeutet: Keine Änderung, weiterhin keine verschärften Massnahmen gegen die unzumutbaren Zustände rund um den Bahnhof. Nun hat er – man muss es zugeben, in seiner unnachahmlich charmant eloquenten Art klargemacht, dass der Fokus jetzt auf Sicherheit und Sauberkeit liege. Man könnte fast sagen: zum Glück gabs den 6. Oktober, weil damit auch dem Stapi endlich die Augen geöffnet wurden.

  6. ‘@ malü

    Wenn wir die letzten 25 Jahre betrachten, gab es schon heftigere Ausschreitungen als am 6. Oktober. Bloss war, wie es mir scheint, die Situation nie schon im Vorfeld so aufgeladen. Es kann sein, dass der Krawall-Samstag in die Geschichte eingeht. Er löste eine echte Debatte und Veränderungen aus.

    Dass sich beide politischen Blöcke bezichtigen, Wahlkampf zu betreiben, liegt auf der Hand – und ist wohl auch nicht an den Haare herbeigezogen.

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