Blocher vor dem Comeback als Nationalrat

Publiziert am 13. Dezember 2007

Keine andere Sportart verkörpert die traditionellen Werte der Schweiz besser als das Schwingen. Aufrichtigkeit und Fairness werden gross geschrieben, die Protagonisten sind bodenständig. Nach dem Kampf gratuliert der Verlierer dem Sieger. Der Sieger klopft dem Verlierer kollegial das Sägemehl vom Rücken. Ein kräftiges Händeschütteln, ein Blick in die Augen des anderen – und beide stapfen gemeinsam wieder aus dem Ring.

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Der wahre Charakter eines Menschen zeigt sich in der ersten Stunde eines Sieges oder einer Niederlage. Rund um den Bundeshauskrimi der letzten Tage kann man das exemplarisch mitverfolgen. Einerseits nimmt der frisch abgewählte Justizminister das Wort “Dreck” in den Mund und droht unverhohlen. Andererseits wird eimerweise Hohn und Spott über die SVP gegossen. Die triumphierenden Gegner gehen dabei ähnlich vor wie sonst ihre Feinde. Wie du mir, so ich dir, “tit for tat”.

Die ersten wichtigen Entscheidungen bei der SVP mit ihrem Verständnis von Opposition sind schon zu Beginn der nächsten Woche zu erwarten.

Ich zweifle nicht daran, dass Christoph Blocher in wenigen Monaten wieder unter der Bundeshauskuppel auftauchen wird. Als Nationalrat. Oppositionsführer brauchen ein Mandat im Parlament, dort können sie viel mehr Druck aufbauen. Blocher geht es bei seiner Rückkehr aber auch um eine persönliche Genugtuung – und um die Demütigung seiner Feinde, die ihn gestern abgewählt haben.

Am 3. März 2008 wird die Frühjahrssession beginnen. Dann wäre ein Comeback möglich. Ein Bisheriger aus dem Kanton Zürich gibt seinen Sitz frei und alle Ersatzleute auf der Nationalratsliste verzichten. Et voilà, so geht das. Dem SVP-Überflieger, der die Kantonalpartei Zürich 1977 als 10-Prozent-Partei übernahm und bis 2003 auf über 30 Prozent stemmte, wird man eine Rückkehr gewiss nicht verwehren.

Wer glaubt, dass mit der Abwahl von Blocher das Problem entsorgt ist, irrt sich also. Es dürfte noch grösser werden: Schuld daran ist die Blocher-Fixierung der Massenmedien, die mit der neuen Konstellation sogar noch zunehmen wird. Vor genau vier Jahren, nach der Wahl Blochers in den Bundesrat, hatte ich diese Symbiose von Medien und Blocher thematisiert. Dieser Text passt auch heute noch – haargenau.

Blocher und die Medien (PDF, 10 KB)

Kommt hinzu: Christoph Blocher hat ab Anfang Januar viel, viel Zeit für die Politik. Das war in der Phase von 1979 bis 2003 als Nationalrat nicht der Fall. Die Siegerinnen und Sieger von heute müssen sich warm anziehen. Blocher hat noch etwas, wovon andere nur träumen: Geld, sehr viel Geld. Er könnte vermutlich jedes Jahr x Millionen in Kampagnen stecken, ohne mit den Wimpern zu zucken.

P.S.   Man sollte in Bundesbern vermehrt Kurse im Schwingen anbieten.

Foto: Tages-Anzeiger online

5 Replies to “Blocher vor dem Comeback als Nationalrat”

  1. Ein Bisheriger aus dem Kanton Zürich gibt seinen Sitz frei und alle Ersatzleute auf der Nationalratsliste verzichten.

    Und die Parteisoldaten (der Zürcher SVP) werden diesem Klimmzug natürlich wieder unterstützen. Ein Argument mehr, dass eine solch totalitär geführte Partei nicht zur Schweizer Demokratie passt.

  2. Ich habe gerade die Sendung “Classe politique” auf SF1 verfolgt, und muste mich über die Äusserung von Seiten SVP sehr wundern!
    “Die Abwahl von Hr. Blocher sei undemokratisch”?!
    Naja, wir leben in einer Gesellschaft wo die Mehrheit nun mal das sagen hat. Vor 4 Jahren hat die Mehrheit bestummen, dass Fr. Metzler gehen muss, nun hat es Hr. Blocher getroffen. Wie diese Mehrheit zustande gekommen ist? Nun das ist wohl eine andere Frage!

    Auch stimmt die Aussage nicht, dass die Wähler der SVP mit dieser Abwahl betrogen wurden.
    Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass ich im Oktober einen “Wunschkandidaten” für den Bundesrat auf meinen Wahlzettel schreiben konnte. Ich durfte der Partei meiner Wahl und den Personen die uns im NR vertreten sollen meine Stimme geben, und hoffen, dass diese ihre Arbeit gut absolvieren.

    Trotzdem wäre es mir wohl lieber wenn dieses Wahldebakel nicht stattgefunden hätte. Denn jetzt wird Hr. Blocher wohl lauter schreien als je zuvor.
    Die Mehrheit hat entschieden, und ein demokratisch denkender Mensch würde sich diesem Entscheid ohne Drohungen, Theater und Oppositionsgelüsten beugen!

  3. Man darf aber nicht vergessen: Auch wenn Blocher weiter rumpöbelt, er ist entzaubert. Die Medien waren fasziniert, weil er sich von nichts aufhalten liess und scheinbar mit allem durchgekommen ist. Das ist jetzt vorbei.

    Blocher will doch nur zurück ins Parlament für die politische Immunität.

  4. Es können gar nicht genug Stimmen auf die Blocher-Fixierung in den Medien hinweisen! Entzaubert? Es gibt eine Parteibasis, die Blocher nun noch mehr glorifizieren wird – und die Parteibeitritte dieser Tage sind sicher auch eher Blocher-fixiert.
    Meiner Meinung nach haben politische Parteien UND die Medien eine grosse Verantwortung, ihre Arbeit nicht darauf zu beschränken, pro oder contra Blocher zu politisieren.
    Rein arithmetisch formal ist nun eine Basis geschaffen, in der erst recht nur Sachpolitik dem SVP-Stil entgegen gehalten werden kann – und die Medien hätten das dann auch entsprechend zu behandeln.
    Hören wir alle ein bisschen auf zu blochern, und folgen wir im Geist dem Aufruf der neuen Bundesrätin, mit klaren Positionen, aber auch offenen Ohren und wachem Verstand nach Lösungen zu ringen und diese dann auch zu tragen.

    Wenn tatsächlich Respekt gewahrt wird, kann viel Energie für das Engagement in der Sache gespart werden!

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