Bundesrat Samuel Schmid spricht – das Publikum applaudiert
Publiziert am 01. August 2008Bundesrat Samuel Schmid sprach gestern Abend an der Bundesfeier in Wittenbach (SG). Die mehr als 500 Gäste gaben ihm einen warmen Empfang.
Das ist nicht selbstverständlich: Im Vorfeld waren seine öffentlichen Auftritte verschiedentlich als Risiko taxiert worden. Schmid ging ein gewisses Risiko ein mit seinen Ansprachen zum Nationalfeiertag. Es hätte zu fototrächtigen Störaktionen kommen können.
Indes, bei einer kurzfristigen Absage seiner insgesamt drei Auftritte wäre er als “Höseler” bezeichnet worden.
Schmid erwähnte in seiner Ansprache die Turbulenzen der letzten Wochen mit keinem Wort. Das ist eine verpasste Chance. Er hätte beim Publikum gepunktet, wäre er kurz auf die eigenen Fehler zu sprechen gekommen. Ein einzigen Satz nur hätte gereicht, ein ehrliches “Pardon”.
Dieser eine Satz wäre heute und die nächsten Tage quer durch das feiernde Land verbreitet worden. Viele hätten ihm verziehen. Das Schweizer Volk, das in diesen Stunden landauf, landab oft thematisiert wird, will keine Supermänner in der Politik. Es will Politiker, die berührbar und ehrlich sind.
Doch wie sangen schon “Chicago”: “It’s hard to say I’m sorry.”
So wird die Affäre Nef/Schmid noch eine Weile weiter motten.
Wenn in einer Gemeinde mit gut 8600 Einwohnern gerade mal sechs Prozent aufmarschieren, wenn erstmals ein Mitglied der Landesregierung auftaucht, ist das mit dem «warmen Empfang» doch etwas zu relativieren…
Geben unsere Medien wirklich das wider, was “das Volk” bewegt? Die Medien, die uns über Wochen weis machen wollte, alle wollten Schmid weg haben? Irgendwie geht mir das nicht auf – und gibt mir einmal mehr den Eindruck einer gemachten Kampagne im Sommerloch verschiedener Verlagshäuser.
Zum Glück waren gestern 1500 Einwohner an der
vorgezogenen 1. Augustfeier in Wittenbach anwesend.
Warum “zum Glück”?
‘@trix
Ich geb’s freimütig zu, ich hab einfach Mark Balsiger als seriöse Quelle vertraut und die 500 nicht nachgeprüft. Dies nachzuholen erwies sich als gar nicht so einfaches Unterfangen, die meisten Online-Quellen enthalten nämlich keinerlei Hinweise über den Aufmarsch. Das St. Galler Tagblatt spricht immerhin von Grossandrang. Eine konkrete Zahl habe ich aber nur in einem Bericht gefunden, beim Westschweizer Radio. Die sprechen ebenfalls von 500 Gästen, eine Zahl, die wie der Rest des Artikels wohl auf einer Agenturmeldung basiert.
Wo war denn von 1500 Personen zu lesen oder zu hören?
Unser Sebst-Verteidigungsminister versteht mit dem kalkulierten Risiko umzugehen. Seine Spürnase in der Politik gleicht der eines erfolgsorientierten Geschäftsmannes. Ein sorry wäre kein Verkaufsschlager gewesen. Brot und Spiele gefallen besser. Gute Laune und den Daumen hoch genügten in Wittenbach zum Erfolg. Der warme Applaus galt dem Sieger! So mögen es die Leute.
Genau – das tumbe Volk. Es muss die Medienwelt wohl furchtbar ärgern, dass ihre Kampagne nur das halbe Ziel erreicht hat.
Eine Welle der Sympathie für Bundesrat Schmid titelt heute die Berner Zeitung BZ seine Festansprache in Champoz (BE), Lignières (NE) und Wittenbach (SG).
Die Schweiz lebt (!), online nachzulesen auf der Webseite des VBS. Für mich kommen seine Träume und grossen Ideen etwas gar hochgestochen daher und stehen im Kontrast zum hinterlassenen Opfer Nef, der in einer Art von Konkursverfahren ausgemustert wurde.
Schmid steht unter Heimatschutz, so wird Helmut Hubacher (SP) in der BZ zitiert: Zu meiner Überraschung in einer Kolumne von Christoph Mörgeli (SVP): Für Samuel Schmid durchs Feuer gehen, Zitat Ursula Haller (BDP) Das Wächteramt der Medien funktioniert durchaus. Die Nachrichten zu interpretieren und nach dem Wahrheitsgehalt abzuklopfen gehört zum persönlichen Vergnügen vergifteter Bloger. Den politischen Konstellationen geht es wie den Sternen, sie unterliegen einer langsamen Veränderung. Im Falle Schmid strahlen die Planeten noch gut, aber es wird nicht immer so bleiben.
Dass auch politische Planeten einmal untergehen werden, ist wohl kaum etwas Neues – panta rhei. Aber Schmid liess sich ganz offensichtlich von der massiven Medienkampagne nicht aus der Umlaufbahn bringen. Ganz abgeschlossen scheint das nicht: Der Berner Bund (gehört ja jetzt auch Tamedia) und der Tagesanzeiger gifteln weiter gegen Schmid.
Samuel Schmid ist dafür bekannt, kein grosser Kommunikator zu sein. Dafür finden seine Worte dann umso mehr Beachtung, wenn er einmal etwas sagt. Ich vermute daher, dass die Worte jener Medienkonferenz, an welcher er die Medien quasi zur Mässigung aufgerufen hatte, ausschlaggebend dafür waren, dass viele ihn als Opfer einer medialen Hetzkampagne sehen. Und – wie es sich gehört, solidarisiert man sich doch mit Opfern, oder? Insofern würde ich weniger von einer Sympathiewelle als vielmehr von einer „Solidarisierungswelle“ sprechen.
Ob er sich durch seine späte Kommunikation selber zum Opfer gemacht hat, ist eine andere Frage.
Die Dispute zwischen SVP- und BDP-Anhängern dürften vermutlich im Hintergrund auch noch eine Rolle spielen.
Ist übrigens jemandem die folgende Passage des offiziellen Wortlauts aufgefallen: „Ich habe in diesen medial etwas bewegten Sommertagen wieder einmal die weltberühmte Rede von Martin Luther King hervorgenommen“?
Am Donnerstagabend feierte die Gemeinde Wittenbach nicht nur den Geburtstag des Landes, sondern auch das 250-Jahr-Jubiläum ihrer Schützengesellschaft. Da hatte Bundesrat Samuel Schmid wohl einfach als „einer der bekanntesten und überzeugtesten Schützen des Landes„ (Zitat Tagblatt vom 2. August 2008) sozusagen ein Heimspiel. Das relativiert einiges.
Oh je. Wie schrieb doch schon Schiller: “Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt!”