Bundesratswahlen: Eine Art Toto

Publiziert am 03. September 2010

Seit genau acht Wochen wird spekuliert und spekuliert und spekuliert. Nach gefühlten 700 Berichten zum Kandidatenkarussell der Leuenberger- und Merz-Nachfolge fallen in den nächsten Stunden die ersten Vorentscheidungen: Sowohl die SP- wie die FDP-Fraktion marchen aus, wer auf ihr Ticket kommt.

Machen wir mit – eine nicht ganz ernst gemeinte Art Toto.

Zuerst zur FDP, wo die Ausgangslage klarer ist. Die FDP.Liberalen werden ein Zweierticket vorschlagen. Ignazio Cassis (NR, TI) und Peter Malama (NR, BS) sind chancenlos. Sie sind auch primär angetreten, um die Fahne für ihre jeweiligen Regionen hochzuhalten – Cassis für das Tessin, Malama für die Nordwestschweiz. Dieses Engagement nützt den beiden Nationalräten persönlich.

Auf das Ticket kommen Johann Schneider-Ammann (NR, BE) und Karin Keller-Sutter (RR, SG). Schneider-Ammann ist der klare Favorit der Fraktion, er verkörpert die alten Werte der Partei und den idealen Lebenslauf eines Freisinnigen: Akademiker, langjähriger Unternehmer, Offizier.

Wenn nicht noch eine Leiche im Keller zum Vorschein kommt, dürfte Schneider-Ammann am 22. September auch zum Bundesrat gewählt werden. Er profitiert von starken Netzwerken und von Eigenschaften, die für eine Wahl in die Landesregierung zentral sind: verlässlich, umgänglich, staatsmännisch, nicht zu profiliert. Ein weiterer Vorteil für Schneider-Ammann ist sein Alter: Mit 58 Jahren ist absehbar, dass er nicht länger als acht Jahre bleiben wird.

Keller-Sutter wird nominiert, um die Frauen bei der FDP und die Ostschweiz nicht zu brüskieren. Sie sichert die rechte Flanke Schneider-Ammanns, obwohl sie gemäss Smartspider weiter links positioniert ist als er.

Bei der SP wird das Lesen im Kaffeesatz nahezu unmöglich: Klar ist für mich lediglich, dass es ein Zweierticket gibt und der Name von Eva Herzog (RR, BS) nicht darauf stehen wird. Das wäre ein Affront für zwei ihrer Kontrahentinnen, die auf nationaler Ebene seit mehr als zehn Jahren deutliche Spuren hinterlassen haben.

Die möglichen Kombinationen:

– Jacqueline Fehr (NR, ZH)  & Simonetta Sommaruga (SR, BE)
– Hildegard Fässler (NR, SG) & Jacqueline Fehr
– Hildegard Fässler & Simonetta Sommaruga

Ob eine der beiden offiziellen SP-Kandidatinnen am 22. September auch in den Bundesrat gewählt wird, ist zurzeit hingegen offen. Es ist möglich, dass aufgrund der Dynamik am Schluss ein anderes SP-Mitglied obsiegt. Bei dieser Frauenwahl werden auch “Soft”-Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Wer sehr profiliert und gleichzeitig eher nüchtern-unnahbar ist, hat einen Malus. Der Bauch (der Männer) wählt mit.

Fast ging es vergessen: Die SVP-Fraktion schickt ihren Jean-Francois Rime (NR, FR) ins Rennen, und auch die Grünen müssen nun eine Kandidatur präsentieren. Beide werden am Wahltag keine Hauptrolle spielen.

Collage: newsnetz

6 Replies to “Bundesratswahlen: Eine Art Toto”

  1. Ich teile deine Einschätzung bezüglich der FDP. Etwas anderes ist kaum denkbar. Keller-Sutter dürfte auf das Ticket kommen. Bei der Wahl wird sie aber chancenlos sein. Ihr Smartspider-Profil entspricht tatsächlich nicht ihrem Ruf. Aber entscheidend ist schliesslich, dass sie in den Köpfen mit einer restriktiven AusländerInnenpolitik assoziiert wird. Das Tagi-Interview von gestern dürfte da nicht geholfen haben. Nicht zuletzt dürften die Stimmen rechts der FDP (bei welchen Keller-Sutter Chancen hätte) an Rime gehen.

    Auch nicht zu vergessen: Schneider-Ammann geniesst eine breite Akzeptanz bei den gewerkschaftsnahen Abgeordneten. Dies dürfte reichen, um in der SP die entscheidenden Stimmen zu erhalten.

    Bei der SP würde ich auf ein Ticket Sommaruga/Fehr tippen. Sommaruga wird dann schwer zu schlagen sein. Wird Sommaruga nicht nominiert, würde die SP einen grossen Teil der bürgerlichen ParlamentarierInnen vor den Kopf stossen… Mögliche Risiken wären eine erzwungene Wahl von Sommaruga.

    Natürlich ist alles sehr spekulativ… Ich rechne aber mit keinen grossen Überraschungen am 22. September.

  2. Ich tendiere bei beiden Parteien zu den FavoritInnen (Fehr/Sommaruga und Keller-Sutter/Schneider-Ammann [lustig, plötzlich sind die Doppelnamen bei den Bürgerlichen zu finden ;-)]). Nachher, da bin ich anderer Meinung als Simon Lanz, glaube ich dass das Rennen ziemlich offen ist – bei beiden Sitzen. Wenig Chancen traue ich dem SVPler zu.

  3. Plötzlich ging es schnell bei den Nominationen. Der Vollständigkeit halber:

    Die SP-Fraktion schickt Simonetta Sommaruga ins Bennen, die FDP.Liberalen Karin Keller-Sutter und Johann Schneider-Ammann.

  4. Derweil wird eifrig darüber diskurtiert, dass Basel wieder nicht zum Zug komme und das Bern vielleicht bald doppelt vertreten sein könne.

    Auch bei den letzten Bundesratswahlen wurde viel darüber lamentiert, dass nun einer aus der Romandie an der Reihe sei und Urs Schwaller eben kein echter Romand sei.

    Und nun schickt die SVP einen Romand ins Rennen – und keiner muckt auf. Versteht das jemand?

    Mich interessieren nicht die Beweggründe der SVP (Bonus schaffen in der Romandie für die Wahlen im 2011), sondern die Frage, warum man ihn – ungeachtet der Partei – nicht schon alleine aufgrund seiner Herkunft aus dem Rennen nimmt (ich verstehe das rein medial)?

  5. ‘@ Titus

    In Teilen ist das doch bereits geschehen. Die allermeisten Medien nehmen die SVP-Kandidatur nicht ernst – die Volkspartei selber ja auch nicht.

    Vor diesem Hintergrund kann man Monsieur Rime doch im Rennen lassen. Sein Auftritt am Freitag in der “Arena” fand ich übrigens ziemlich gut. Kein Kläffer, sondern eine KMUler mit Humor.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert