CVP und FDP sind Gewinnerparteien
Publiziert am 09. Februar 2011Die beiden staatstragenden Parteien CVP und FDP haben ein Problem: Beide verlieren seit Anfang der Achtzigerjahre langsam, aber konstant Wähleranteile. Die nackten Zahlen:
– CVP: 21,3% (1979), 14,5% (2007) = minus 6,8%
– FDP: 24,0% (1979), 15,8% (2007*) = minus 8,2%
* Die Fusion mit den Liberalen erfolgte 2009, addiert erreichen FDP.Die Liberalen nun 17,7%
Das ist die eine Seite der Medaille – es ist die düstere. Dass CVP und FDP die meisten Abstimmungen an der Urne und im eidgenössischen Parlament gewinnen, ist die andere. Es wäre die helle. (Die Erfolgsquoten betragen zwischen 68 und rund 90 Prozent. Die entsprechende Zusammenstellung/Studie konnte ich nirgendwo finden. Wer hat sie greifbar?)
Ich redete mir jahrlang den Mund fusselig, um CVPler und Freisinnige davon zu überzeugen, dass sie ihre realpolitischen Erfolge bzw. die hohen Zustimmungen bei Volks- und Parlamentsabstimmungen ins Schaufenster stellen müssten. Ohne Erfolg. Einmal nur, bei den eidgenössischen Wahlen 2003 wars, konnte ich zwei solche erhellende Zahlen in einem Prospekt durchsetzen: Zwischen September 1997 und September 2003 war das Volk bei 58 von 68 Volksabstimmungen auf der Seite der CVP. (Das entspricht einer Erfolgsquote von 85 Prozent.) Verschämt fand dieser Satz Unterschlupf.
Heute Morgen trat die Spitze der CVP vor die Medien und präsentierte ihre Wahlkampagne 2011 – und siehe da: Sie fokussiert tatsächlich auf dem “Erfolgsmodell Schweiz”, welches dank der CVP möglich geworden sei.
Der werberische Auftritt steht. Ob er gelungen ist, sollen andere beurteilen. Viel wichtiger wäre es, wenn die Botschaft beim Publikum ankommt. Das könnte man schaffen, wenn die CVP-Mitglieder mit Überzeugung und gebetsmühlenartig ebendiese Botschaft verbreiteten: “Wir sind eine Gewinnerpartei. Wir stehen in 8 von 10 Abstimmungen auf der Seite der Volksmehrheit.”
Bringt die CVP das zustande, nachdem sie, genauso wie die FDP, wie hypnotisiert auf die SVP starrt, mit der Angst vor den nächsten Wahlniederlage im Nacken, gelegentlich “Pfui!” ruft und über deren gut gefüllte Kriegskasse lamentiert?
Es wäre die Abkehr von einem seit nunmehr 18 Jahren eingeschliffenen Mechanismus. Dafür würde es viel Selbstvertrauen und Durchhaltewillen brauchen.
Sujets: cvp.ch
[…] This post was mentioned on Twitter by Mark Balsiger and Andreas Burger, Mark Balsiger. Mark Balsiger said: CVP und FDP sind Erfolgsparteien vs CVP und FDP wären Erfolgsparteien. http://bit.ly/fO7zE1 Zwei Kühe machen noch nicht den Unterschied. […]
FDP und CVP gewinnen zwar viele Abstimmungen. Oft sind es aber direkte oder indirekte “faule” Kompromisse, die zur Wahl stehen, denen das Wahlvolk mangels besserer Alternativen zustimmt. Die wichtigen Themen setzen immer noch SVP, SP und Grüne.
CVP: Themen setzen statt nur reagieren!
Es ist leider nicht so wie Christope Darbellay, Präsident der CVP Schweiz, sagt, dass die Polparteien SVP, SP und Grüne nur die Probleme benennen, sie aber nicht lösen.
Die Polparteien kämpfen mit Initiativen, Referenden und teuren Plakataktionen für ihre Lösungen. Die CVP reagiert oft nur auf die von den Polparteien lancierten Themen und Lösungsvorschläge. Ihre Kompromisslösungen werden zwar indirekt über Gegenvorschläge oder direkt via Volksabstimmung gutgeheissen.
Sieger und Verlierer dieser ausgehandelten Lösungen sind aber mit diesen Kompromissen meist nicht zufrieden. Weil sie zurzeit keine Mehrheit haben, sind die Mitte-Parteien gezwungen, sich einmal nach links und ein anderes Mal nach rechts zu bewegen. Das ist wahltaktisch keine attraktive Position, für den politischen Fortschritt aber nötig.
Auch im Ausland sind Mitte-Parteien klein, haben aber trotzdem ein grosses politisches Gewicht. Ein anderes Mittel, den Einfluss zu vergrössern, wäre das Ergreifen von Volksinitiativen, um eigenständig Themen zu setzen. Dazu sind die einst erfolgsverwöhnten bürgerlichen Parteien aber zu bequem. Das Sammeln von Unterschriften auf der Strasse ist halt ein mühsames Geschäft.
lieber mark, guter hinweis auf übereinstimmung parolen und abstimmungen – ich glaub, claude longchamp hat auch etwas dazu. sonst habe ich nur das gefunden, rickenbacher und ladner, beide interessant und unterstützen deine einschätzung
http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/schweiz/vor_dem_regierungswechsel_1.9250991.html
http://www.andreasladner.ch/dokumente/seminarvortraege/SS01_Parolen.doc
‘@ Regula
Danke, das Papier aus Andreas Ladners Veranstaltung schaue ich mir noch genauer an. Ich glaube, dass aus dem letzten Jahr eine aktuelle Erhebung existiert. Bloss wo? (Keine Zeit zum selben Zählen….)
@ Alex Schneider
Ich habe einen Einwand bzw. eine Ergänzung: Die bürgerlichen Parteien CVP und FDP sind inzwischen auch mit Initiativen beschäftigt; die FDP brachte im Herbst 2008 die Initiative gegen das Verbandsbeschwerderecht an die Urne.
Zählen Sie die SVP nicht mehr zu den bürgerlichen Parteien? Sie hat in den letzten 20 Jahren viel Erfahrung mit den direktdemokratischen Instrumenten gesammelt.
Und hier das “Newsnetz”-Interview zum Thema mit CVP-Präsident Christophe Darbellay:
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Dank-uns-war-die-Schweiz-so-krisenresistent/story/25008529
Bisherige Erfolge soll man ruhig nennen, klar, doch nicht ohne Aussicht auf weitere. Ich glaube kaum, dass die CVP Wählanteile zurückgewinnt, wenn sie lediglich erwähnt, dass sie bis anhin gute Arbeit geleistet hat. Zumal diese bisherigen Erfolge aus den Plakaten nicht hervorgehen – oder verdanken wir der CVP Stierkämpfe? Oder junge Wanderer?
Mir fehlt der Link zu den Herausforderungen der Zukunft.
Was ist eigentlich mit diesem “Schürzen-Plakat” der CVP-Herren? War dies nur ein Entwurf zum Thema 40 Jahre Frauenstimmrecht oder wird das noch was? Gesehen habe ich es nur im “Blick” (print).
Heute präsentierte die FDP Schweiz ihre Kampagne. Ein erster Newsnetz-Bericht:
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Die-FDP-konnte-sich-nicht-entscheiden/story/27219471