Das Duell erstickte im Korsett

Publiziert am 02. September 2013

merkel_steinbrueck_tvduell_580_stern_de_2808_TV-Duell_1260-(3)Allein das Wort weckte Erwartungen: Duell. Man denkt dabei unweigerlich an einen Widerstreit der besten Argumente, Leidenschaft, Emotionen und rhetorische Glanzlichter, wie sie deutsche Spitzenpolitikerinnen und -politiker zünden können. All das wurde gestern Abend im einzigen TV-Duell zwischen Angela Merkel (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) nicht gegeben. Ich erkenne drei Gründe.

Das liegt, erstens, an den Primärakteuren: Bundeskanzlerin Merkel hat einen sicheren Vorsprung auf ihren Herausforderer, im Gegensatz zu ihm geniesst sie im Volk grosses Vertrauen. Sie schaffte es meisterhaft, das Tempo der Debatte zu drosseln, sie redete viel und sagte wenig – sie merkelte. Steinbrück war zwar sympathischer als gewohnt, hatte aber kein Momentum, das er für die Schlussphase des Wahlkampfs so dringend bräuchte. Immer mal wieder verhedderte er sich in technokratisch-aufgeblähten Sätzen, die das Publikum ratlos zurückliessen.

Das liegt, zweitens, am strengen Regelwerk, das seit der ersten TV-Debatte im Jahr 2002 (zwischen Schröder und Stoiber) von wenigen Nuancen abgesehen immer noch gilt. So wurde die Redezeit beider Kandidierenden in Minuten und Sekunden gestoppt, die Fragen waren vorsichtig formuliert und weitgehend absehbar, eine Dramaturgie liess sich nicht erkennen. Stattdessen plätscherten die 90 Minuten matt und langweilig dahin. Sie wirken länger als jedes durchschnittliche Fussballspiel und ich musste mich zwingen, am Ball zu bleiben.

Das liegt, drittens, an den Moderatorinnen und Moderatoren. Zweifellos haben die vier Fernsehanstalten ARD, ZDF, RTL und Pro7 keinen Aufwand gescheut, um gemeinsam ein Drehbuch für dieses Format zu schreiben. Weil in der Live-Sendung aber vier Medienschaffende Fragen stellten, blieben das Nachhaken und Spontanität aus. Stattdessen gab es immer wieder kurze Pausen, die Moderierenden mussten sich abgleichen, echte Dynamik wollte nicht aufkommen. Dass einzig Stefan Raab, seit 20 Jahren im Genre der Schenkelklopfer tätig, Zug in die Debatte brachte, ist für den politischen Journalismus Deutschlands bedenklich.

Fazit: Der Erkenntnisgewinn tendiert gegen Null, diese Form der “Debatte” ist tot, das TV-Duell erstickte im Korsett. Mit nur einem Moderator, der die Zügel straff in der Hand hält und das Tempo diktiert – wieso nicht mit einem Block Fragen, die nur mit Ja oder Nein beantwortet werden dürfen? -, hätte man Merkel und Steinbrück aus der Reserve geholt. Stefan Niggemeier macht in seinem Blog einen noch radikaleren Vorschlag: eine Streitgespräch ohne Moderator. Interessant, aber in der politisch austarierten deutschen TV-Welt undenkbar.

Mark Balsiger

 

Fotomontage Angela Merkel und Peer Steinbrück: stern.de

4 Replies to “Das Duell erstickte im Korsett”

  1. Aus dem Branchenportal “Persönlich”:

    17,64 Millionen Fernsehzuschauer und -zuschauerinnen haben am Sonntagabend das TV-Duell zwischen den Kanzlerkandidaten Angela Merkel (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) verfolgt. Der Marktanteil lag nach Angaben des deutschen Internet-Medienmagazins “Meedia” bei 29,1 Prozent.

    Es sei das Duell mit der zweithöchsten Einschaltquote nach demjenigen zwischen Merkel und Gerhard Schröder (SPD) von 2005 gewesen, berichtete “Meedia” am Montag unter Berufung auf die Quoten von professionellen Auswertern. Das TV-Duell von 2005 hatte es auf 20,98 Millionen Zuschauer gebracht. Das vorige Aufeinandertreffen zwischen Merkel und dem damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier (SPD) 2009 sahen laut “Meedia” 15,26 Millionen Zuschauer.

    Das einzige TV-Duell im diesjährigen Wahlkampf war von insgesamt fünf Sendern übertragen worden. Die meisten sahen in der ARD zu – dort waren es 10,11 Millionen Zuschauer. Im ZDF verfolgten 3,71 Millionen das Duell, auf RTL 2,22 Millionen, bei ProSieben 1,51 Millionen und bei Phoenix 80’000. (sda/afp)

  2. Das TV-Duell war echt eine zähe Angelegenheit. Das erste Mal schaute ich 21.05 Uhr auf die Uhr, dann 21.20 Uhr und schliesslich nochmals um 21.35 Uhr. Das lag aber nicht am beruhigenden Blau im Hintergrund.

    Wenn schon vier Moderatoren, dann ein Team. Es waren aber Einzelplayer. Keiner spielte dem andern einen Ball zu. Peer Steinbrück benutzte oft das Bild mit den “bunten Schachteln im Schaufenster”. Weniger wäre hier mehr gewesen. Und bei Angela Merkel bin ich so schlau wie vorher. Wie überlebt diese Frau nur im testosteron-getränkten Haifischbecken.

  3. Mutti ist in Deutschland sehr beliebt, sie wird mit Sicherheit Kanzlerin bleiben, entweder schwarz-gelb oder schwarz-rot, aber im letzten Szenario ohne Kavallerist Peer.

    Der Dreikampf Trittin, Gysi, Brüderle von Montag war echt unterhaltsam. Mit der Analyse von Mark Balsiger zum TV-Duell von Sonntag bin ich einverstanden. Am peinlichsten fand ich die “Leistung” der vier Moderatoren.

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