Der Blick in die Kristallkugel: Wer in der Stadt Bern gewinnt, wer verliert

Publiziert am 29. November 2008

Politbeobachter und Kaffeesatzleser können ihr Dasein damit legitimieren, wenn sie möglichst präzise Wahlausgänge prognostizieren. Ich wage es, die Ergebnisse der Stadtberner Wahlen rund 24 Stunden vor der Bekanntgabe zu nennen.

Es handelt sich um keine wissenschaftlich elaboriertes Modell, mit dem ich meine Einschätzungen zu messen versuche. Es ist lediglich ein gelassener Blick in die Kristallkugel. Aus einer rein subjektiven Warte beurteilte ich über eine Zeitspanne von vier Jahren folgende Kriterien:

– parlamentarische Arbeit
– Performances des Spitzenpersonals
– Medienpräsenz
– Image
– “Strahlkraft” der nationalen Parteien
– Mobilisierungspotenzial der eidgenössischen Vorlagen
– Wahlkampagnen
– Listengestaltung

Meine Prognosen:
(in Klammer der Wähleranteil von anno 2004)

– BDP          3,5 (—-; + 3,5)
– CVP          6,0 ( 3,9; + 2,1)
– die mitte  2,4 (—-; + 2,4)
– EVP          4,5 ( 3,6; + 0,9)
– FDP*       12,5 (18,2; – 5,7)
– GB           11,0 ( 9,3; + 1,7)
– GFL          8,5 (11,6; – 3,1)
– glp**         4,5 (—-; + 4,5)
– SP/Juso 25,0 (29,1; – 4,1)
– SVP        12,0 (12,9; – 0,9)

Die Klein- und Kleinstparteien (ARP, EDU, GPB, JA, PdA, SD) holen insgesamt 10,1 Prozentpunkte.

* FDP:  beide Listen (Männer und Frauen) sowie jungfreisinnige
** glp = Grünliberale Partei

Schliesslich die Wahlen in die Stadtregierung:

Es bleibt bei 3 RGM- und 2 bürgerlichen Sitzen. Bei RGM macht Regula Rytz (gb) das beste Ergebnis, knapp vor Alexander Tschäppät (sp) und, mit deutlichem Abstand, Edith Olibet (sp). Auf bürgerlicher Seite holt Barbara Hayoz (fdp) klar am meisten Stimmen. Zweiter wird Reto Nause (cvp), haarscharf vor Beat Schori (svp).

Gerade diese Gemeinderatswahlen sollten allen vor Augen führen, wie verkehrt das Wahlsystem mit dem Listenproporz ist. Im Vordergrund stehen Blöcke statt Köpfe, und das kann sich eine Stadt wie Bern eigentlich nicht mehr leisten.

Schliesslich die Ausmarchung fürs Stadtpräsidium: Tschäppät bleibt Stadtpräsident; er erringt 56 Prozent der Stimmen. Hayoz kommt auf 39 Prozent, Jimy Hofer auf 5 Prozent.

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Foto: stadtwanderer

9 Replies to “Der Blick in die Kristallkugel: Wer in der Stadt Bern gewinnt, wer verliert”

  1. Teils einverstanden, aber ich halte dagegen:

    – FDP -5.2
    – die mitte +1.9
    – glp +2.0
    – GFL stabil
    – SP -3.0

    Weil: Grünliberal gibts in Bern schon lange und besser, als GFL. Die glp hats hier drum schwerer als anderswo, in der Stadt sowieso. Und: “die mitte” als seltsames und unter unschönen Umständen geborenes Abspaltungskonstrukt braucht nun wirklich kein Mensch. Und: Die SP hat in der Stadt einen recht stabilen Grundtopf und kann den Abgang zu den Grünen in Grenzen halten.

    Stapi-Wahl: Tschäppät gewinnt sehr knapp, 51-52%, weil den Cüplisozialismus viele satt haben – und nur, weil Hayoz zuviele Stimmen an Hofer verloren hat.

    Schori schafft die Wahl nicht extrem komfortabel, aber relativ locker – weil die CVP wischiwaschi ist und ich den Nause eh immer nur draussen rauchen und tratschen sehe, wenn ich an Donnerstagabenden am Rathaus vorbei radle (und das ist recht oft der Fall).

  2. Liebe Kristallkügeler

    Mutig, mutig.

    Ich arbeite nun schon einige Jahre an der Hochrechnung der eidg. Abstimmungen. Da liegen wir in aller Regel richtig. Das liegt an der Methode. Als Kristallkügeler bin ich allerdings schwach. Ob das an mir oder an der Kristallkugel liegt, ist mir immer noch unklar. Ich diskutiere diese Frage regelmässig mit Mike Shiwa zu nächtlicher und teurer Telefonstunde.

    Trotz grosser Telefon-Investitionen: Keine Prognose aber: Wir werden genau schauen, was genau all die Berner mit ihren Kugeln den Jackpot beim Flippern geknackt haben und die Dusche für die FDP effektiv so kalt sein wird.

  3. Die Stadt Bern scheint keine Prozentzahlen liefern zu wollen, immerhin ist die Sitzverteilung nun aber draussen – eine erste Überprüfung ist nun also möglich.

    Wo gibt’s die Kristallkugel zu kaufen, scheint kein schlechtes Modell zu sein. Gratuliere zur Prognose! Der Wechsel von SVP zu BDP war deutlicher als vorausgesagt, aber sonst hat’s in der Zahlenreihe wohl mehrere Punktlandungen.

  4. Die Stadt Bern scheint in der Tat keine Prozentzahlen zu liefern. Wir liefern sie hier – für alle Nicht-Berner:

    – BDP 7,5%
    – CVP 3,6%
    – die mitte 1,0%
    – EVP 2,7%
    – FDP 12,0%
    – GB 8,9%
    – GFL 10,8%
    – glp 5,1%
    – SP/Juso 24,4%
    – SVP 9,1%

    @ Andreas Kyriacou

    Die Kristallkugel bleibt gut behütet bei mir. Sie dürfte noch oft gute Dienste leisten und zu weiteren Punktlandungen verhelfen.

  5. Wieso liefert die Stadt eigentlich keine Prozentzahlen und Vergleiche?

    Das ist etwas vom ersten, das ich beim Kanton eingeführt hatte, als ich den Bereich frisch betreute. Gesunder Menschenverstand, Servicebewusstsein…?

    Auch war der Stadtserver teils nicht erreichbar (wurden Lasttests gefahren?), und die aussagekräftigen PDFs waren erst rund 45 Minuten nach der Bekanntgabe online verfügbar. Von XLS/CSV keine Spur.

    Chapeau hingegen für die inzwischen ergänzte Panaschierstatistik als Excel. Das ist toll.

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