Der Bundesrat kriegt Noten
Publiziert am 07. Mai 2009Unlängst beklagte ich den grassierenden Benotungsfimmel in unserem Land. Heute kriegte die Landesregierung für einmal nicht nur verbale Prügel: Im Newsnetz erhalten die sieben Mitglieder auch Noten wie vor vielen Jahren als sie noch Primarschüler waren. Moritz Leuenberger glänzt als Bester mit einer 5, Hans-Rudolf Merz erhält bloss eine 3,5.
Der Autor (Hubert Mooser) stiefelt bei jedem Bundesrat ein paar Plus- und Minuspunkte zusammen, zieht ein knappes Fazit – und schwupps auch eine Note aus dem Hut. Willkommen im Politjournalismus 2009.
Über die Bewertungskriterien tappen wir auch nach der Lektüre des Artikels im Dunkeln. Wurden Charisma, Sozialkompetenz, Durchsetzungsvermögen, Führungsstärke, Verhandlungsgeschick und Eloquenz gemessen? Und falls Ja: Wie misst man solche Qualitäten nach einigermassen objektiven Kriterien?
Ich weiss es nicht. Zudem: Wer war die Jury? Der Autor alleine? Ein paar seiner Kolleginnen und Kollegen, die er am Kaffeeautomaten befragte? Politiker? Experten?
Es wäre durchaus möglich, einzelne Aspekte zu messen, etwa die Anzahl gewonnener Volksabstimmungen oder die Anzahl gewonnener Abstimmungen im Parlament. Eine solche Gesamtbewertung hätte eine gewisse Relevanz erreicht, aber eine aufwändigere Recherche bedingt.
Fazit: So schwach der Bundesrat seit Monaten regieren mag, die als “Analyse” angepriesene Geschichte mit dem Titel “Wie schlecht ist dieser Bundesrat wirklich?” verdient keine genügende Note.
Nachtrag vom Freitag, 8. Mai:
Was eine Analyse sein kann, zeigt in der Printausgabe des heutigen “Tages-Anzeigers”. Verena Vonarburg nimmt sich Bundesrat Pascal Couchepin zur Brust – ohne Note.
Dieser Vergleich hat einige tragische Note: Bei der Redaktion des Print-Tagi wird demnächst eine Massenkündigung ausgesprochen, die Online-Redaktion geniesst Heimatschutz.
Offizielles Bundesratsfoto 2009: keystone
Tja, wir sind wohl nicht weit davon entfernt, den nächsten Bundesrat oder die nächste Bundesrätin mittels Casting-Show zu erküren:
Switzerland’s next political leader
Wollen wir hier schon mal die Aufgaben und Kategorien festlegen, welche die KandidatInnen durchlaufen und bestehen müssen? 😉
Was machen eigentlich alle die entlassenen Journalisten? Gehen sie zum RAV und bewerben sich auf Sachbearbeiterstellen? Machen sie sich selbständig? Verwirklichen sie sich einen lang gehegten Traum und geben z.B. ein alternatives Kulturjournal heraus? Plagen sie Existenzsorgen oder kommt sowieso die Partnerin schon lange für den Lebensunterhalt auf?
Keine Ahnung. Noch nie etwas darüber gehört. Vielleicht liefern entlassene Journalisten keine gute Story.
Gratuliere zum Rettet-Den-Bund-Kampf. Auch wenn ich noch skeptisch bin, was den Tagesbund angeht – dass ich um den BZ-Boulevard rumkomme, rechne ich zu einem gewissen Teil direkt Dir an. Dafür ein Danke.