Der Hebel gegen Lohnexzesse liegt bei Aktionären, Konsumenten und Kunden
Publiziert am 24. November 2013Ruedi Noser ging bei „Schawinski“ eine Wette ein: Der Nein-Stimmen-Anteil bei der 1:12-Initiative werde „mindestens 70 Prozent betragen“, verkündete er in der Talksendung. Die Wette hat der FDP-Nationalrat und Unternehmer verloren, die Abstimmung hingegen gewonnen (mit 65,3% Nein). Gäbe es mehr Nosers in unserem Land, wäre das Abstimmungsresultat von heute noch deutlicher ausgefallen. Er bekämpfte die Initiative der Juso mit Verve und gab so den Gegnern ein glaubwürdiges Gesicht, während sich andere blamierten.
Schweizerinnen und Schweizer entscheiden normalerweise pragmatisch. Natürlich verurteilen sie die Lohnexzesse, die in der Kaste der sogenannten Top-Manager geschehen. Gleichzeitig wissen sie aber auch, dass diese Leute – es sind in der Schweiz insgesamt 4500 – die Sozialwerke massiv alimentieren. Oder wie es SP-Bundesrat Hans-Peter Tschudi, oft als Vater der AHV bezeichnet, einmal sagte: „Die Reichen brauchen die AHV nicht. Aber die AHV braucht die Reichen.“
Eine Zustimmung zur 1:12-Initiative hätte faktisch ein Lohndeckel bedeutet; ein Lohndeckel, der vom Staat kontrolliert wird, gehört aber nicht in die Bundesverfassung. Womit wir bei der liberalen Wirtschaftsordnung angelangt wären. Sie ist eine Säule, auf dem das Erfolgsmodell Schweiz basiert. Ein Ja hätte sie unterspült. Die Beispiele Deutschland und insbesondere Frankreich zeigen, wie zahllose staatliche Regulierungen die Innovationskraft und das Unternehmertum abwürgen.
Die Initianten destillierten den falschen Lösungsansatz heraus, legten aber den Finger auf wunde Punkte. Die Löhne, die sich die sogenannten Top-Manager zuschanzen, sind in den letzten 15 Jahren regelrecht explodiert. Anzeichen für eine Selbstregulierung gibt es nicht, die Lohnexzesse werden weitergehen. Diese Entwicklung verstärkt die Wut der Leute, die mit ehrlicher Arbeit nur knapp über die Runden kommen. So wird der Zusammenhalt unserer Gesellschaft infrage gestellt – eine weitere Säule des Erfolgsmodells Schweiz.
Die Finanzkrise von 2008 und die daraus entstandene 1:12-Initiative hat zu einer langen und engagierten Debatte geführt. Dabei ging es auch um Ethik und Moral. Die Quintessenz: Lohnexzesse passen nicht zu den typischen Schweizer Tugenden Fleiss, Bescheidenheit und Bodenhaftung. Um Lohnexzesse einzudämmen, ist ein staatlicher Eingriff kein taugliches Vorgehen. Der Hebel liegt vielmehr in den Händen der Aktionäre, Konsumentinnen und Kunden. Nach dem Nein von heute könnten sie beginnen, ihre Macht zu bündeln.
Mark Balsiger
Zeitungskommentare vom 25. November 2013:
– Das Nein zur 1:12-Initiative war die Sternstunde der Demokratie
(Aargauer Zeitung, Christian Dorer)
– Die Wirtschaft im Zugzwang
(Der Bund/Newsnet, Patrick Feuz)
Foto: srf.ch