“Der Parmelin-Effekt findet nicht statt”
Publiziert am 03. Mai 2017Bei den Staatsratswahlen im Kanton Waadt vom letzten Sonntag konnten fünf von sieben Sitzen besetzt werden. Alle anderen Kandidaturen erreichten das absolute Mehr nicht. Für den zweiten Wahlgang vom 21. Mai ist Pfeffer drin. Doch zunächst der Zieleinlauf des ersten Wahlgangs, grafisch dargestellt von der NZZ:
Die bisherige Staatsrätin Béatrice Métraux (Grüne) muss nochmals antreten. Sie tut es im Päckli mit SP-Nationalrätin Cesla Amarelle. Bislang hatte Rot-Grün eine 4:3-Mehrheit in der Waadtländer Regierung. Doch mit einem überraschenden Schachzug von Mitte-Rechts ist plötzlich Dynamik aufgekommen: Die GLP hat ihren Kandidaten ausgewechselt – François Pointet raus, Nationalrätin Isabelle Chevalley (Foto unten) rein. Sie ist die bekannteste Grünliberale in der Westschweiz. Zudem paktiert die GLP mit der SVP.
Andreas Fahrländer, Redaktor bei der “Aargauer Zeitung”, nahm diese aussergewöhnliche Konstellation zum Anlass, mir ein paar Fragen zu stellen. Dieses kurze Interview und der einleitende Abschnitt sind online nicht verfügbar, wird aber deshalb hier eingepflegt:
“Eine neue Rechte wird im Kanton Waadt geboren”, titelte die Westschweizer Zeitung “Le Temps” gestern. Die SVP Waadt schliesst sich für den zweiten Wahlgang der Staatsratswahlen vom 21. Mai mit den Grünliberalen zusammen. Es sei ein Entscheid der Vernunft, nicht des Herzens, hiess es aus der Volkspartei. Mit dieser Allianz, zu der auch die FDP gehört, will die SVP einen der zwei verbleibenden Sitze in der Waadtländer Regierung gewinnen, in der sie seit 2011 nicht mehr vertreten ist. Parteipräsident und Nationalrat Jacques Nicolet tritt nun auf einer Liste mit Nationalrätin Isabelle Chevalley von der GLP an.
Herr Balsiger, eine Allianz aus SVP und GLP ist schon sehr gewöhnungsbedürftig, nicht?
Mark Balsiger: Auf den ersten Blick, ja. Der Blick in die Vergangenheit zeigt aber, dass Parteien in der Regel agil und pragmatisch vorgehen. Politisieren heisst nicht nur, nach inhaltlichen Kriterien zu entscheiden, man muss auch kühl rechnen. Sowohl die SVP wie die GLP waren beim ersten Wahlgang am Sonntag ja ziemlich weit entfernt von einem eigenen Regierungssitz. Also spannen sie jetzt zusammen. So könnten sie die Mehrheitsverhältnisse kippen – in ein 4:3 für die Bürgerlichen.
Verkaufen die Grünliberalen da nicht ihre Seele?
Die GLP war bei den nationalen Wahlen 2011 Meisterin der Listenverbindungen, dabei handelte es sich natürlich um Proporzwahlen. Im Kanton Thurgau etwa hat sie sich mit BDP, EVP und EDU zusammengetan. EVP und EDU sind ausgesprochen wertkonservativ, gerade bei gesellschaftspolitischen Themen also von der GLP weit entfernt. Aber es ging um Macht, einen Nationalratssitz, den man so gemeinsam holen konnte. Er ging prompt an die GLP; 2015 verlor sie ihn allerdings wieder.
Seit der Abwahl von Oskar Freysinger aus dem Walliser Staatsrat ist die SVP in keiner Westschweizer Regierung mehr vertreten. Warum tut sich die wählerstärkste Partei des Landes da so schwer?
Die SVP erlebt in der Romandie einen Jojo-Effekt. Eine Zeit lang konnte sie stark zulegen und hat in den Kantonen Neuenburg, Waadt und Wallis auch Regierungssitze gewonnen, inzwischen hat der Wind aber wieder gedreht. Die SVP-Regierer überzeugten nicht, einer verstarb 2011 im Amt. Der Parmelin-Effekt findet nicht statt.
Woran liegt das?
Es fehlt das Personal. Überall dort, wo die SVP mit bekannten und konsensfähigen Leuten antritt, die in die politische Mitte ausstrahlen, schafft sie es in die Regierung. Das konnte man beispielsweise in Zürich, Schaffhausen oder Luzern beobachten. SVP’ler, die regelmässig bellen und provozieren, werden nicht gewählt. Das ist bei der Linken übrigens nicht anders. In den Exekutiven wollen Herr und Frau Schweizer gemässigte Leute, die solide politisieren.