Der Rücktritt von Urs Gasche führt zur ersten grossen Nagelprobe für die BDP
Publiziert am 05. August 2009
Der Berner Regierungsrat Urs Gasche (bdp) tritt im nächsten Frühling zurück. Überraschend kommt diese Entscheidung nicht, seit Wochen hielt sich das hartnäckige Gerücht in Berns Gassen, dass er keine weitere Legislaturperiode mehr anhängen möchte.
Gasches Rücktritt aus der Politik ist zunächst einmal bedauerlich. Er wurde 2001, als Ersatz für Hans Lauri (svp), der in den Ständerat nachrückte, gewählt und schnell eine der Leaderfiguren in der Regierung. Gleichzeitig blieb er mit beiden Beinen auf dem Boden, nahm sich nicht so wichtig und beobachtete den politischen Betrieb stets mit einer gewissen Distanz und Ironie.
In den Jahren 2002 und 2006 wurde Gasche mit jeweils sehr guten Resultaten wieder gewählt. Das wäre ihm auch im nächsten Frühling gewiss gewesen, obwohl er ja das Parteibuch gewechselt hat. Ursprünglich ein SVP’ler gehörte Gasche vor Jahresfrist zu den Gründungsmitgliedern der Berner BDP.
Die BDP steht nun vor der grossen Herausforderung, den Sitz von Urs Gasche zu verteidigen. Das wird alles andere als einfach, ein ähnliches Schwergewicht ist zurzeit nicht auf dem Radar zu erkennen. Der Einzige, der aus der heutigen Sicht gute Wahlchancen hätte, wäre Hans Grunder, Präsident der BDP Schweiz. Dieser kommt aber kaum infrage. Bei einer Wahl in die Regierung würde er sein Nationalratsmandat abgeben und die Partei so auf eidgenössischer Ebene ihre hart erkämpfte Fraktionsstärke wieder verlieren. Dasselbe gilt für Nationalrätin Ursula Haller, Nationalrätin und Gemeinderätin aus Thun.
SVP ist ihrem Ziel einen Schritt näher gekommen
Alle anderen Papabili – Grossrätin Beatrice Simon gilt als Favoritin – stehen vor einer schwierigeren Ausgangslage. Sie beginnen das Rennen bestenfalls auf gleicher Höhe wie die beiden SVP-Kandidaten Christoph Neuhaus (bisher) und Albert Rösti (neu). Neuhaus wie Rösti, aber auch SVP-Parteipräsident Rudolf Joder dürften heute eine gute Flasche aufmachen. Sie sind ihrem Ziel, der Rückeroberung eines zweiten Sitzes, heute einen Schritt näher gekommen.
Die BDP steht also vor ihrer ersten grossen Nagelprobe. Es ist gut möglich, dass sie im April 2010 ihren “geschenkten” Regierungsratssitz verliert. Zugleich wird ihre Fraktion im Kantonsparlament dereinst kaum so gross sein wie bisher. Sie profitierte vor Jahresfrist vom grossen Überlaufen wohlgelittener SVP-Grossräte.
Dieses “Berner Signal”, das Ende März 2010 womöglich ausgesendet wird, könnte beim weiteren Aufbau der BDP schweizweit lähmend wirken. Plötzlich wären die Karrierechancen für die Ambitionierten wie die Opportunisten doch nicht mehr so gut wie eben noch erhofft. In jedem Fall bedingt der Aufbau einer neuen Partei viel Knochenarbeit. Die Grünen brauchten 20 Jahre, um sich auf allen Stufen zu etablieren.
Aus der Perspektive des BDP-Aufbaus ist der Entscheidung von Urs Gasche ein harter Schlag. Die Partei muss nun beweisen, zu was sie fähig ist. Sie braucht einen Überflieger, besser: eine Überfliegerin.
Regierungsratswahlen werden fast eine reine Männersache
Dass eine Frau im Vordergrund steht, ist klar. Unter den bisherigen Regierungsratsmitgliedern wie den Kandidierenden ist Barbara Egger (sp) die einzige Frau. Nebst ihr reihen sich nicht weniger als 8 Männer ein: 2 EVP (Gsteiger, Jost), 2 SP (Perrenoud, Rickenbacher), 2 SVP (Neuhaus, Rösti), 1 FDP (Käser) 1 Grüner (Pulver). Vor diesem Hintergrund verspräche eine Frauenkandidatur eher Erfolg.
Mark Balsiger
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Foto Urs Gasche: diewahl.blueblog.ch
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