Die 4 Phasen bis zur Bundesratswahl
Publiziert am 09. Juli 2009
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Es gibt immer wieder Unsicherheiten über den Nominationsprozess, den die Parteien bis zu den Bundesratwahlen vornehmen müssen. Ich habe deshalb ein simples Modell entwickelt, das von 4 Phasen bis zum Wahltermin ausgeht. Betrachten wir es anhand des Fahrplans, den die FDP Schweiz für die Nachfolge von Pascal Couchepin festgelegt hat:
Phase 1: Das Kandidatenkarussell dreht sich. Vereinzelte Politiker springen ab, andere bekräftigen, eine Kandidatur anzustreben, Dritte zögern. Hinter den Kulissen werden Sondierungsgespräche mit möglichen Interessenten geführt. Dabei geht es nicht nur darum, wer auch wirklich Chancen hat und gewählt werden will, es geht auch um ein Schaulaufen der Partei. Sie kann auf diese Weise aufzeigen, wie viele fähige Schlüsselpersonen sie in ihren eigenen Reihen hat.
Das kantonale Parteipräsidium setzt den Interessierten eine Frist; bis zum Tag X müssen sich diese entscheiden und das zumindest intern kommunizieren. Ein konkretes Beispiel: Der Neuenburger Ständerat Didier Burkhalter gab am 8. Juli bekannt, dass er kandidieren möchte. Die erste Phase dauert je nach Politiker unterschiedlich lange. (Nachtrag vom 10. Juli: Der Fall des Liberalen Nationalrats Christian Lüscher aus Genf ist exemplarisch, wie es abläuft. Er bekundete am 9. Juli öffentlich sein Interesse an einer Kandidatur. Jetzt obliegt es der Genfer Kantonalsektion, ihn zu nominieren.)
Phase 2: Die Kantonalparteien – und nur sie! – haben in dieser Phase die Entscheidungskompetenz, jemanden ins Rennen zu schicken. Welches Gremium auf kantonaler Stufe entscheidet, ist unterschiedlich. Manchmal ist es ein ausserordentlicher Parteitag, manchmal der Kantonalvorstand. Um beim Beispiel von Didier Burkhalter zu bleiben: Die FDP des Kantons Neuenburg nominierte ihn am selben Tag wie er seine Kandidatur offiziell bekanntgab (8. Juli). Das ist allerdings nicht zwingend. Nominationen zuhanden der FDP-Bundeshausfraktion können noch bis am Montag, 10. August vorgenommen werden.
Phase 3: Die Kandidatinnen und Kandidaten sind seit spätestens dem 10. August namentlich bekannt; sie alle wurden von ihren Kantonalparteien nominiert. Am Mittwoch, 27. August präsentieren sie sich den kantonalen Parteipräsidenten. Es handelt sich dabei um eine Anhörung, die normalerweise in keine Empfehlung zuhanden der Bundeshausfraktion mündet. Voraussichtlich am Dienstag, 8. September entscheidet die FDP-Bundeshausfraktion, wen sie auf den Schild heben will. Im aktuellen Fall der Couchepin-Nachfolge steht eine Einerkandidatur im Vordergrund. Die CVP/EVP/glp-Fraktion wird übrigens ebenfalls am 8. September beschliessen, mit welchem Kandidaten sie antritt. Es ist möglich, dass die Bundeshausfraktionen in dieser Phase neue Kandidaten ins Spiel bringen oder sogar nomieren.
Phase 4: Die offiziellen Bundesratskandidaten sind seit dem 8. September bekannt. In der Regel werden sie nun von den Fraktionen der anderen Parteien zu Hearings eingeladen. Basierend auf diesen Hearings sind Wahlempfehlungen möglich. Die Kandidaten absolvieren in diesen Tagen einen regelrechten Marathon an Interviews. Diese Phase ist beendet, wenn am Mittwochmorgen, 16. September Nationalratspräsidentin Chiara Simoneschi-Cortesi mit der Glocke läutet und die 246 Mitglieder der Vereinigten Bundesversammlung auf das Wahlgeschäft einstimmt. Gewählt wird geheim, Abweichungen zu Fraktionsbeschlüssen kommen häufig vor.
Mark Balsiger
Interessant ist ja dieses Mal, dass die Zeit von der Rücktrittsankündigung bis zur tatsächlichen Ersatzwahl wohl noch selten in der Geschichte so lange gedauert hat.
Ob dies ein Vor- oder Nachteil für die Parteien und Kandidaten ist? Der Vorteil ist sicher, dass sich die Parteien im Gespräch halten können und grosse Medienpräsenz garantiert ist. Der Nachteil liegt wohl auf der Seite der Kandidaten, in dieser langen Zeitspanne muss ihnen doch schwindlig werden auf dem Kandidatenkarussell!
Wenns ganz blöd geht, hat man sich monatelang auf dem Karusell gedreht, sich mit dem Gedanken der Kandidatur bzw. des Bundesratsamtes angefreundet und dann kommt am 8. September irgendein Sprengkandidat, mit dem niemand gerechnet hat.
Wobei: so viel Innovation traue ich der Schweizer Politik eigentlich nicht zu. Wieso eigentlich nicht mal einen unverbrauchten (= parteilosen) Unternehmer bringen, statt jemanden, dessen Profil beim Gang durch die Institutionen bereits zur Unkenntlichkeit abgeschliffen wurde? Es würde dem Bundesrat gut tun: Ein wenig mehr Leadership statt “Konsens-Treten-an-Ort”.
P.S. Als kleine Ergänzung: Nicht nur Kantonalparteien, auch Jungparteien und Frauenparteien werden nominieren, aber nicht, dass das etwas am Spiel ändern würde.
‘@ Jan Flückiger
Die Idee, jemanden von aussen im Bundesrat zu installieren, brachte Mitte Juni NZZ-Chefredaktor Markus Spillmann aufs Papier. Etwas später doppelte alt-Nationalrätin Judith Stamm (cvp, LU) in einem Leserbrief nach. Man solle einen Headhunter ansetzen, der das neue Bundesratsmitglied zu suchen hat.
Im Wahlkampfblog vom 10. Dezember 2008 lancierte ich schon einmal die Idee eines Quereinsteigers:
http://www.wahlkampfblog.ch/?p=498
Apropos Quereinsteiger: Wie wärs mit Thomas Borer?
‘@ David
Thomas Borer? Ein origineller Vorschlag. Letztlich wurde er ja 2002 von Bundesrat Deiss geschasst. Die Wahl in den Bundesrat wäre eine späte Genugtuung für ihn. On verra.