Die BDP und Hans Grunder feiern heute, doch morgen geht die Knochenarbeit weiter
Publiziert am 30. Oktober 2009Dieses Wochenende kann die BDP Schweiz ihren ersten Geburtstag feiern. Auf den ersten Blick ist die Geschichte der BDP eine Erfolgsgeschichte: Sie hat eine Bundesrätin, eine sechsköpfige Fraktion im eidgenössischen Parlament, 10 kantonale Sektionen und bereits zwischen 5000 und 6000 Parteimitglieder.
Das ist in den letzten 90 Jahren der erfolgreichste Start, den eine Partei in der Schweiz hingelegt hat. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg war sinnigerweise eine Vorläuferpartei der heutigen SVP ähnlich erfolgreich. Sie spaltete sich vom Freisinn ab, und die Berner Bauernpartei, die bald als Bernische Bauern- und Gewerbepartei (BGB) firmierte, avancierte bereits 1919 zur mächtigsten Kraft im Kanton. Sie ist es noch heute, unter dem Namen SVP, wenn auch mit gerupften Federn.
Eben an diese BGB und deren Werte rief BDP-Präsident Hans Grunder (Bild) in den letzten Monaten oft in Erinnerung. Sie dient ihm und Teilen seiner Gefolgschaft als Vorbild, was zuweilen den Vorwurf provoziert, die neue Partei sei bloss eine “anständigere SVP”. Grunder ist ein Daueroptimist, er rechnet bei den eidgenössischen Wahlen 2011 mit einer Verdoppelung der Nationalratssitze, also neu 10.
Der Lackmustest kommt bereit im März nächsten Jahres. Dann muss sich die BDP im Kanton Bern, dort, wo die Abspaltung von der SVP ihren Anfang nahm, behaupten. Es gilt, den “geerbten” Regierungsratssitz von Urs Gasche und die 17 Sitze im Kantonsparlament zu verteidigen. Das wird eine Herkulesaufgabe.
Eine Aufgabe, die als noch schwieriger bezeichnet werden kann, ist die Verteidigung des Bundesratssitzes. Eveline Widmer-Schlumpf wird oft als Hors-sol-Bundesrätin bezeichnet. Wenn die grossen Fraktionen im Dezember 2011 sich darauf verständigen, die arithemtische Konkordanz (weiter) aufrecht zu erhalten, hat Widmer-Schlumpf kaum eine Chance.
Die SVP wird auf einen zweiten “echten” Sitz in der Landesregierung pochen, und wenn sie auf eine einigermassen gemässigte Kandidatur setzt, dürfte sie damit auch reüssieren. Widmer-Schlumpf hat deshalb theoretisch vier Möglichkeiten:
1. Sie stellt sich diesem Kampf, verliert ehrenhaft und verlässt den Bundesrat erhobenen Hauptes und womöglich mit einem guten bis sehr guten Leistungsausweis
2. Sie gibt frühzeitig ihre Demission auf Ende 2011 bekannt
3. Sie wechselt abermals die Partei, dieses Mal zur CVP. Ob dieser Schritt allerdings ihre Chancen auf eine Wiederwahl signifikant verbessern würde, steht in den Sternen
4. Sie setzt auf das Prinzip Hoffnung bzw. das labile Zweckbündnis, das ihr im Dezember 2007 bereits zum Sieg gegen Christoph Blocher verholfen hatte
Die Entscheidung Widmer-Schlumpfs wird zum Schlüssel für die weitere Entwicklung der SVP. Macht die Bündnerin 2011 keine Anstalten, aus dem Bundesrat zurückzutreten, ist das Wahlkampfthema Nummer 1 bereits gesetzt und damit könnte die Volkspartei weiter zulegen. Mögliche Personalrochaden im Bundesrat interessieren nicht nur die Skandalisierungsmedien (einer von Kurt Imhofs Lieblingsbegriffen) viel mehr als Sachfragen.
Für die BDP geht die Knochenarbeit nach dem Feiern an diesem Wochenende in jedem Fall weiter. Es braucht 20 Jahre, bis eine Partei etabliert ist, 19 haben sie noch vor sich.
Mark Balsiger
Weitere Postings zum Thema:
– Der Rücktritt von Urs Gasche führt zur ersten grossen Nagelprobe für die BDP (5. August 2009)
– BDP: Es braucht die richtige Duftnote (3. Juni 2008)
Foto Hans Grunder: news.ch
Ich gehe davon aus, dass Bundesrätin Widmer-Schlumpf für vier Jahre gewählt ist. Weiter gehe ich davon aus, dass sie dies selber ebenso sieht. Damit können wir uns direkt den Bundesrats-Wahlen 2011 zuwenden.
Bundesrätin Widmer-Schlumpf wird antreten. Dass die anderen Parteien dem „Konkordanz-Gesäusel“ der SVP auf den Leim gehen, ist kaum anzunehmen. So hat beispielsweise die CVP immer deutlich gemacht, dass Frau Widmer-Schlumpf als SVP-Bundesrätin gewählt worden ist. Den Sitz hat sich die SVP selber vergeben.
Aus derzeitiger Perspektive sehe ich keinen Grund, warum die anderen Parteien dies nicht ebenso sehen sollten.
Hinzu kommt, dass sich Frau Widmer-Schlumpf derzeit einen Leistungsausweis erarbeitet hat, welcher weit über die Parteigrenzen hinaus anerkannt ist. Je mehr sie diesen steigern kann, desto grösser wird ihre Popularität im Volk und wächst damit faktisch ihr Rückhalt im Volk. Eine Nicht-Wiederwahl wäre also v.a. ein Bumerang für sämtliche Nicht-SVP-Parteien.