Wie aus dem Lehrbuch – zu Beginn
Publiziert am 04. August 2012Dieser Tage sorgt ein Plakat mit einem schwulen CVP-Paar in der halben Schweiz für Aufmerksamkeit. Die Rechnung ist aufgegangen, freuen sich die Zürcher Akteure. Allerdings machten sie auch simple Fehler.
Offen gesagt: Ein solches Sujet hätte ich der CVP des Kantons Zürich nicht zugetraut. Sie verbucht damit einen Überraschungseffekt, die erste Phase der Kampagne rollt an wie im Lehrbuch:
Am Montag hängen die ersten Plakate in der Stadt Zürich, tags darauf greift der “Blick am Abend” die Kampagne auf. Die Medienkonferenz findet am Donnerstag statt. Weil noch hochsommerliche Newsflaute herrscht und der Teaser “schwul” weiterhin wirkt, ist die massenmediale Resonanz gross. Selbst in Basel wird das Thema gross gefahren und ein welsches Gay-Magazin befasst sich ebenfalls damit.
Stadtparteipräsident Markus Hungerbühler (rechts), sein Lebenspartner Dominik Mazur, auch er CVP-Mitglied, und die Kantonalzürcher CVP verpassten es mit ihrer Aktion, die Gunst der Stunde optimal zu nutzen. Inhalte formulierten sie keine. Stattdessen wissen wir nun, dass noch 79 weitere Plakatsujets mit CVP-Köpfen folgen werden – gestaffelt über mehrere Jahre.
Dass Websites bei Parteien und Politiker oft in Vergessenheit geraten, ist bekannt. Der aktuelle Fall der CVP ist exemplarisch: Erst am Freitagabend schaltete die Kantonalpartei einen Medienspiegel auf. Zeitgleich platzierte Hungerbühler ein paar wenige Zeilen auf seiner Website. Die Referate bzw. Informationen der Medienkonferenz sind nicht online verfügbar.
Und jetzt wirds grotesk: Die CVP-Stadtpartei würdigt die enorme Präsenz ihres Präsidenten bislang mit keiner Zeile. Der Surfer wird “herzlich willkommen” geheissen. Prominent in der Mitte der Website ist die “neue Ausgabe” des vierteljährlich erscheinenden Magazins Vitamin CVP zum Herunterladen bereit. Sie stammt vom Dezember 2011.
Auf Facebook hätte die Partei unmittelbar nach der Medienkonferenz eine Diskussion über die Einführung des Adoptionsrechts von schwulen und lesbischen Paaren lancieren können. Damit wäre die nationale Partei herausgefordert gewesen, der Diskurs hätte weitere Aufmerksamkeit und ein schärferes Profil zu Folge gehabt. Nichts dergleichen geschah, die Page der Kantonalpartei verzeichnet gerade einmal 13 Likes und Protagonist Hungerbühler mochte offensichtlich nicht in ein Wespennest stechen.
Dieser Fall zeigt einmal mehr: Das Internet mit seinen Möglichkeiten ist bei den Schweizer Parteien noch nicht richtig angekommen. Es passieren immer wieder die altbekannten Fehler.
Mark Balsiger
Foto/Plakat: zvg/blick
offen gesagt: das sujet hab ich irgendwo im netz gesehen, aber dass das zwei schwule sind, hab ich wohl überguckt. henusode.
“Stattdessen wissen wir nun, dass noch 79 weitere Plakatsujets mit CVP-Köpfen folgen werden – gestaffelt über mehrere Jahre.”
> 79 sujets gestaffelt über mehrere jahre? was ist das denn für eine kurlige mediaplanung, die auf jahre plant? noch nie gehört sowas. bin mal gespannt, wie die das machen.
und dann der slogan: anders als man denkt. der sagt ja eigentlich: vorher haben die uns einfach irgendwas erzählt, aber nicht wirklich was ist. oder wie?
tsss…
‘@bugsierer
Mir ging es auch so: Ich musste weit länger als zwei Sekunden gucken, bis der Groschen fiel. In der Regel gucken Passanten aber nicht länger als zwei Sekunden.
Den Slogan hingegen finde ich gelungen. Dass er nur in Diaspora-Regionen der CVP verwendet wird, liegt auf der Hand.
Dachte erst, dass auch Leute, die den rechten Arm verloren haben, in der CVP willkommen sind.
War aber wohl zu politisch hintergründig gedacht…