Die Faktoren für Wahlerfolg von Parteien

Publiziert am 20. Oktober 2011

Demoskopen und Politologinnen sind in einem ständigen Wechselbad: Entweder sie kriegen verbal Prügel oder ihre Studien, Umfragen und Prognosen werden von den Primärakteure im Brustton der Überzeugung zitiert.

Die meisten Medien wiederum sind schon vor Jahren dazu übergegangen, im Vorfeld der Wahltermine die Wackelsitze zu benennen oder sogar den Ausgang vorwegzunehmen. Die “Berner Zeitung” von gestern zeigt das exemplarisch. Die bereits Abgewählten können sich bedanken, die frühzeitig Erkorenen auch. (Ersteren hilft die Nennung für eine Schlussmobilisierung, Zweiteren schadet der medial verliehene Glanz.)

Als Service für die Leserinnen und Leser dieses Blogs stellte ich die Ergebnisse des Nationalratswahlen 2007 sowie die Momentaufnahmen der zuverlässigsten Umfragen (Isopublic sowie das 7. SRG-Wahlbarometer von gfs.bern) und der SRF-Wahlbörse zusammen:


Quellen: bfs, SonntagsBlick, srf, zoonpoliticon.ch; alle Angaben ohne Gewähr

Und gleich nochmals dieselbe Darstellung in einer grösseren PDF-Datei zum Ausdrucken:

Nationalratswahlen: Ergebnisse 2007, Umfragewerte und Prognosen 2011 (PDF)

Umfrageinstitute arbeiten mit Samples, die in der Regel zwischen 600 und 1200 Befragte umfassen. Wahlbörsen basieren auf dem fiktiven Handel von Aktien; im Fall der SRF-Wahlbörse sind ein paar Hundert Händlerinnen und Händler am Werk.

Was mich mehr interessiert, ist eine systematische Einordnung der wichtigsten Faktoren, die für die Parteien zum Wahlerfolg führen. Mein erster Vorschlag unterscheidet drei verschiedene Kategorien:


A-Faktoren:

– Image der Partei
– Schlüsselfiguren (Bekanntheitsgrad, Glaubwürdigkeit, Kompetenz, Popularität)
– Themenkonjunktur
– Themenführerschaft
– Medienpräsenz


B-Faktoren:

– Strategie
– Geld
– Anzahl Parteimitglieder und Sympathisanten


C-Faktoren:

– Wahlkampagne
– Unterstützung durch Organisationen
– Mobilisierungsfähigkeit
– Auswirkung von Meinungsumfragen
– Auswirkungen der kantonalen Wahlen im selben Jahr (v.a. Kanton Zürich)

Die A-Faktoren erachte ich als zentral, die B- und C-Faktoren hingegen sind etwas weniger wichtig. Der Versuch, ein Modell zu erarbeiten, steht damit erst am Anfang. Nun hoffe ich auf Inputs – hier und im realen Leben. Was meinen die jungen und engagierten Bloggenden, was der grosse Meister des Fachs?

Meine Prognose werde ich am Samstag hier publizieren.

Mark Balsiger

Grafik: border-crossing/wahlkampfblog

10 Replies to “Die Faktoren für Wahlerfolg von Parteien”

  1. nun zur sache:

    die wahlforschung unterscheidet zwischen kurz-, mittel- und langfristigen faktoren des wahlerfolgs.

    in der eile: kurzfristige einflüsse ergeben sich aus dem wahlkampf. mittelfristige aus der politik seit den letzten (vergleichbaren) wahlen. langfristige resultieren aus dem zeitgeschichtlichen überblick. im letzten bericht haben wir das aus unserer sicht ausgeführt:

    http://www.gfsbern.ch/Neuigkeiten/tabid/177/itemid/760/amid/1151/schweizer-wahlen-2011.aspx

    eine gewichtung gibt es, wie du absolut zurecht sagst, für die schweiz noch nicht. es gibt aber unterschiede, die bekannt sind, je partei(-typ):

    – historisch gewachsene parteien haben ein übergewicht an langfristig wirksamen faktoren. das drückt sich vor allem auch in der weltanschaulichen verankerung der partei aus, ebenso im image der partei.

    – neue parteien leben entweder von einer person (bdp), von einem thema (neue umweltpolitik, bdp) oder von einer grundstimmung (politikverdrossenheit, priaten, eher in berlin wichtig als in bern).

    die kunst einer traditionellen partei ist es, auf der tradition aufzubauen, um die stammwählerschaft zu mobilisieren (was beispielsweise die cvp macht, die fdp aber kaum mehr schafft), darüber hinaus aber aktuelle bezüge via personen und themen zu nutzen, was die svp (mit dem rekurs auf die kampagne 2007 und ihre symbolik), die sp (in der schlussphase mit den kampfjets) und die grünen (mit dem akw mühleberg) versuchten.

    hinzu kamen machtfragen, wie die bundesratszusammensetzung, vornehmlich von sp und svp thematisiert.
    generell sind wir überzeugt, dass direkte mobilisierungsbemühungen, wie die direkte wähleransprache durch kandidierende, von dir etwas unterschätzt wird.

    soviel für den moment.

  2. Als weiteren Faktor könnte vielleicht noch der “Alternativ”-Bonus zählen, also Parteien, welche ohne viel Zutun (passiv) zu neuen Wählenden gelangen und eine valable Alternative zur bisherigen Partei darstellen (SP vs. GPS, BDP vs. FDP usw.).

    Dann stelle ich mir die Frage, ob Du eine systematische Einordnung nur suchst, um eine theoretische Basis zu haben oder ob damit auch Einschätzungen des Wahlerfolgs gemacht werden sollen?

  3. ‘@ Titus

    Ein interessanter Ansatz, der wohl die Labelparteien BDP und GLP am stärksten begünstigt. Ihnen laufen ehemalige Wählerinnen und Wähler der FDP und der SP zu.

    Zum zweiten Punkt: Natürlich möchte ich aufgrund eines Modells den Wahlerfolg auch möglichst genau voraussagen. Allerdings fehlt die Zeit dazu, bereits auf diesen Sonntag etwas hinzubringen.

    Morgen wird es mithin bloss einen Blick in die Kristallkugel geben. Der war in der Vergangenheit allerdings fast immer sehr klar.

  4. ‘@ Mark
    OK, vielen Dank. Dann fahre ich fort:

    Mir ist nicht klar, wie gewisse Faktoren gewertet werden um Voraussagen machen zu können. Als Beispiel: Die Glaubwürdigkeit von Schlüsselfiguren scheint mir eine sehr vage Angelegenheit zu sein. Frenetische Anhänger attestieren einer Person eine hohe Glaubwürdigkeit, Anhänger der politischen Gegner sehen das aber vermutlich anders.

    Oder: Die Medienpräsenz liesse sich zwar relativ gut messen. Aber ob diese wohlwollend oder eher schädigend ist, ist wiederum eine äusserst relative Angelegenheit.

    Es bliebe wohl einzig die Beurteilung “aus dem Bauch heraus”, was dann entsprechend angezweifelt werden kann…

  5. Hey Mark!

    Merci für deinen Beitrag. Du titelst “Faktoren für den Wahlerfolg von Parteien”. In der Forschungsliteratur wird das Pferd meist von der anderen Seite aufgezäumt. Die Frage lautet meistens: “Wieso wählt jemand eine bestimmte Person”. Aber ich glaube das ist eine Frage deines Standpunktes. Immerhin berätst du Politisierende und nicht Wähler/innen.

    Um bei der mir vertrauten Wählerperspektive zu bleiben: Es gibt verschiedene eklektische Erklärungsmodelle. Das für mich nach wie vor beste ist der sogenannte Kausaltrichter des Wahlverhaltens (Campbell et al. 1960).

    http://polithink.ch/?attachment_id=4590

    Am Eingang des Trichters befinden sich Wirtschaftsstruktur, Soziale Konfliktlagen und historisch-kulturelle Muster. Diese Faktoren haben die Ausgestaltung des Parteisystems und die Wertorientierung der Wähler/innen beeinflusst. Diese Faktoren wiederum die Identifikation mit bestimmten Parteien beeinflusst. Am engen Ende des Trichters befinden sich die der Parteiwahl direkt vorgelagerten Faktoren “Einstellungen zu Themen” und “Einstellungen zu Kandidaten”. Die beiden letzten Faktoren dürften für Politikberater wie dich interessant sein.

    Natürlich ist dieses Modell einfach zu kritisieren (es ist ja auch gut 50 Jahre alt). Wohl werden den kurzfristigen, der Wahl direkt vorgelagerten Komponenten zu wenig ausdifferenziert (auch wird etwa die Rolle der Medien kaum angesprochen). In dieser Hinsicht finde ich deine Auflistung wertvoll und interessant. Sie setzt bei den schwächen des Modells von Campbell an.

    An deinem Modell würde ich jedoch das Gegenteil kritisieren. Du vernachlässigst meiner Meinung nach das weite Ende des Kausaltrichters. Einige Politikwissenschaftler argumentieren, dass die Bedeutung dieser langfristigen Faktoren abgenommen und jene der kurzfristigen Faktoren zugenommen hat (etwa R. Dalton). Sie aber gänzlich aus einem Modell zur Erklärung des Wahlverhaltens auszuschliessen halte ich auch für verfehlt.

    Unten findest du einen Link zu einem Artikel von Simon Bornschier und Mark Helbling. Sie beschreiben den Kausaltrichter ausführlicher.

    http://bit.ly/qvWX8p

    Gruss, Simon

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