Die Grünen sind im Wellental, der BDP ist die Basis weggebrochen

Publiziert am 09. Februar 2015

Basel-Landschaft ist bei eidgenössischen Volksabstimmungen zu einem Trendkanton geworden. Bei Wahlen liegt er zusammen mit dem Aargau nahe bei den Resultaten auf nationaler Ebene – eine Schweiz im Kleinen. Die Baselbieter Landratswahlen von gestern machen es deshalb reizvoll, im Kaffeesatz zu lesen und ein Deutungsversuch für die Nationalratswahlen vom 18. Oktober zu unternehmen.

Aussagekräftiger als die Veränderungen in Wählerprozenten und Sitzen ist die Parteiwählerzahl, wie sie die Landeskanzlei in Liestal nennt. Die Parteiwählerzahl entspricht der Summe von Kandidatenstimmen und Zusatzstimmen. Entsprechend ist der hintersten Kolonne in der nachfolgenden Tabelle am meisten Beachtung zu schenken:

BL_kantonale_Wahlen_2015_Veränderungen_580

Dieselbe Tabelle als PDF-Dokument zum Herunterladen:
Kantonale Wahlen Basel-Landschaft 2015: Veränderungen (PDF)

Zu den einzelnen Parteien, deren Resultate besonders interessieren:


FDP:

Die klare Siegerin der gestrigen Wahlen im Baselbiet ist die FDP. Zum einen stellt sie neu zwei der fünf Regierungssitze, notabene mit zwei Frauen: Monica Gschwind, neu, und Sabine Pegoraro, bisher. Im Landrat legte sie um satte 3.8 Prozentpunkte zu und gewann drei Sitze. Spannender ist aber der Zustrom an Parteiwählern: Er beträgt plus 21.1 Prozent. Es liegt auf der Hand, dass die FDP vor allem bei der BDP grasen konnte und besser mobilisierte als üblich.

Der mögliche Effekt auf die Nationalratswahlen: Wahlerfolge beflügeln und mobilisieren, die Leute wollen zu den Siegern gehören. Die Politikwissenschaft spricht in solchen Fallen vom sogenannten Bandwagon-Effekt. Die FDP muss ihre gute Form aber bei den kantonalen Wahlen in Luzern (29. März), Zürich (12. April) und Tessin (19. April) erneut unter Beweis stellen. Bleibt sie dort auf Erfolgskurs, könnte ihr bei den Nationalratswahlen im Oktober die Trendwende gelingen. Zur Erinnerung: Die FDP hat in den letzten 30 Jahren nur noch verloren. Betrug 1983 der Wähleranteil schweizweit 23.3 Prozent, erreichte er 2011 noch 15.1 Prozent.

Die Grünen:
Der Wähleranteil der Grünen bewegt sich wie eine Welle – schweizweit genauso wie im Kanton Basel-Landschaft.

BL_grüne_kantonale_und_nationale_wähleranteile_580

Gestern verloren die Grünen 32.5 Prozent ihre Parteiwählerinnen und -wähler, also einen Drittel. Das ist schmerzhaft. Mit einem Wähleranteil von 9.6 Prozent sind sie allerdings noch immer stärker als auf nationaler Ebene.

Die Perspektiven für die Nationalratswahlen: Die typischen grünen Themen haben schon vor Jahren an Zugkraft verloren, die Partei büsste bei den meisten kantonalen Wahlen an Terrain ein. Es ist gut möglich, dass sie bei den Nationalratswahlen am 18. Oktober ihre 2011er-Marke von 8.4 Prozent unterschreitet.

BDP:
Die junge Labelpartei hat gestern drei von vier Sitzen im Parlament eingebüsst, das Minus beträgt 2.2 Prozentpunkte. Problematisch ist, dass sich ihre Parteiwählerzahl um nicht weniger als 43 Prozent reduzierte. Zugespitzt ist ihr die Basis weggebrochen, nachdem sie vor vier Jahren einen guten Einstand gegeben hatte. Das hässliche Wort “Flugsand” machte am Sonntagabend die Runde.

Der mögliche Effekt auf die Nationalratswahlen: Eine solche heftige Niederlage demoralisiert. Anstatt einen Nationalratssitz anzuvisieren, wird es der BDP im Baselbiet nun darum gehen, nicht komplett unterzugehen. Für eine Trendwende bräuchte die Erfolge bei den kantonalen Wahlen in Luzern und Zürich. Bleiben diese aus, wird es knüppelhart. Der BDP fehlt es ausserhalb ihrer starken Bastionen Bern, Glarus und Graubünden an allem: Mitgliedern, Mandatsträgern, Themen, Geld und einer starken Verankerung.

Mark Balsiger

Grafiken: Thomas Hodel

2 Replies to “Die Grünen sind im Wellental, der BDP ist die Basis weggebrochen”

  1. Sehr geehrter Herr Balsiger

    Ich beobachte die BDP seit je äusserst kritisch, was ihr Schaffen, ihr Wirken und ihr Programm betrifft. Und bis letzte Woche hätte ich unterschrieben, dass Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (EWS) im Dezember wiedergewählt wird. Seit den kantonalen Wahlen in Baselland bin ich mir allerdings nicht mehr so sicher. Wenn es so kommt wie am letzten Sonntag, muss die BDP froh sein, wenn es im Oktober noch zu einer Fraktion reicht. Was dann?

    Besonders beunruhigend (oder verstörend) war (selbst für mich) das Resultat aus der Gemeinde Böckten, die sicher nicht der Mittelpunkt der Erde ist. Dort hat die BDP ganze 7 Listenstimmen geholt bei ca. 230 Wähler. Das BDP-Resultat entspricht also noch etwa 1.2 Wähler ergibt. Das wirklich Problematische ist die Tatsache, dass die natürliche Verbündete (die CVP) dort gar nicht angetreten ist und man 2011 noch 87 Listenstimmen geholt hatte (das entspricht 92% Verlust).

    Eigentlich wollte ich heute die News auf BDP.TV schauen, jetzt werde ich wohl leider warten müssen bis die Märzsession durch ist.

    P.S. ich finde es schade, dass Sie hier keine Analyse zur SVP gemacht haben, denn die Partei hat ein neuer Rekord in Baselland in Wähleranteil und Parlamentssitzen erzielt. Und auch schweizweit hat die Partei prozentual einen Höchststand an Kantonsparlamentsmandaten.

  2. Danke für Ihren ausführlichen Kommentar, Herr Moser. Ihr Beispiel der Kleingemeinde Böckten ergänzt mein Posting gut. Ja, es wird für die BDP ein schwieriges Jahr.

    Dass ich die Situation der SVP nicht näher beleuchtete, liegt schlicht daran, dass ihre Parteiwählerzahl sich nur marginal veränderte. Grüne, BDP und FDP drängten sich auf.

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