Die Nationalhymne kommt in allen Schulstuben – danke, Milly Stöckli
Publiziert am 07. Mai 2008Achtung, dieser Beitrag ist womöglich nicht ganz satirefrei
Es soll politische Gremien geben, die sich gelegentlich vergaloppieren, Papiertiger gebären, das Wesentliche nicht mehr vom Unwesentlichen trennen können – oder schlicht die Realitäten des Lebens ausblenden.
Das darf man dem Aargauer Kantonsparlament bei seinem wichtigsten Entscheid des gestrigen Tages gewiss nicht unterstellen. Mit 58 zu 57 Stimmen befand es, dass die Nationalhymne in den Lehrplänen verankert werden muss. Für die Primarschüler heisst das: Sie haben künftig die vier Strophen des Schweizer Psalms auswendig zu lernen.
Diese frohe Botschaft ist inzwischen auch in den Schulstuben angekommen. Nach vorerst unbestätigten Angaben soll sie enthusiastische Reaktionen ausgelöst haben. Der halbe Aargau im kollektiven Freudentaumel, endlich einmal etwas, das verbindet!
Der Vorstoss im Parlament lancierte Grossrätin Milly Stöckli. Nicht nur fromme Seelen erahnen vermutlich schon, welcher Partei sie angehört. Mitverantwortlich für das Schweizer-Psalm-Obligatorium sind – die Ausländer und deren Kinder. Das erklärte Stöckli am Rednerpult so:
quote_stöckli_nationalhymne.mp3
Die Nationalhymne ist also für Primarschüler obligatorisch, die Nation gerettet. Wir freuen uns auf weitere Reformen dieses Kalibers.
O-Ton: SR DRS, Regionaljournal Aargau Solothurn
Foto: picswiss.ch
Das Ganze zeigt ja auch, welche riesigen Probleme wir zur Zeit haben und einer dringenden Lösung bedürfen.
[Sollten Sie in diesem Satz Ironie finden, dürfen Sie sie behalten]
Geile Sache. Die Mädels und Jungs werden sich sicher freuen. Eine Hip-Hop-Version dürfte aber leider nicht möglich sein, SVP sei Dank.
Die Idee ist ja nicht neu. Auch in Bundesbern hat die SVP gschaffige Frauen, die noch das Gespür dafür haben, was wichtig ist in diesem Land. Die Luzerner Papierlischwyzerin Yvette Estermann möchte, dass auch der Nationalrat ein einig Volk von Psalmensängern wird:
«Die Kenntnisse der Landeshymne sind in der Schweiz sehr dürftig», hält die Luzerner SVP-Nationalrätin Yvette Estermann fest. In einer Motion fordert sie deshalb, dass der Nationalrat jeweils zu Beginn einer Sessionswoche die Montagssitzung mit dem Absingen einer Strophe aus der Landeshymne beginnt.
(siehe PDF).
Sorry, hab offenbar den Link aufs PDF verbockt – 2. Versuch
Von Joachim Rittmeyer gibt’s übrigens eine schöne Instrumentalversion (leider im Vor-Youtube-Zeitalter aufgenommen). Aber die dürfte bei den gestrengen Kulturjuroren der SVP wohl genauso durchfallen wie eine Hiphop-Version…
[…] Das Absingen des Schweizerpsalms ist für Yvette Estermann nicht Hobby genug. Die Homöopathin aus Kriens ist nicht nur seit einem halben Jahr Nationalrätin im Nebenerwerb sondern ganz neu auch Präsidentin der SVP des Kantons Luzern. […]