Die SP – bald schon eine bürgerliche Partei?
Publiziert am 30. Oktober 2007Zweifellos eines der spannendsten Themen unter Medienschaffenden, SP-Mitgliedern und Politbeobachtern: die Positionierung der SP nach dem Wahldebakel. Die Debatte ist voll entbrannt. Noch pronocierter nach links vs. eine Kurskorrektur Richtung Mitte – das sind prima vista die beiden Optionen.
Gewisse Medien versuchten, die Gewerkschaften in die Ecke der Ewiggestrigen zu drängen, sagte gestern Paul Rechsteiner (Foto), der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB). Der “Tages-Anzeiger” zitiert ihn so: “In der Schweiz gibt es schon genug bürgerliche Parteien. Es braucht nicht noch eine weitere.”
Rechsteiners Votum markiert den Auftakt einer Debatte, die ich mir auf diesem parteipolitisch nicht gefärbten Blog erhoffe.
Mark Balsiger
Näher zur Mitte muss die SP. Das ist noch lange nicht bürgerlich.
Die Gewerkschafter haben Mühe, sich mit der Realität im Jahr 2007 abzufinden. Sie wollen einfach nicht für wahr haben, dass die Gewerkschaften nicht mehr sind, was sie vor 30 Jahren mal waren.
Mehr zu den verfehlten Vorwürfen gegen die SP und einen Mitte-Links Kurs in meinem Blog: http://hardy.twoday.net/stories/4397715/
‘@Hardy Jäggi – das tönt durchaus vernünftig. Bloss: wenn die SP Richtung Mitte rückt, haben die Grünen noch mehr Platz. Und sie werden weiter wachsen. Für die SP könnte das zwischenhinein bedeuten, dass sie noch mehr marginalisiert wird. Und das fürchtet jede Partei wie der Teufel das Weihwasser: Verluste, auch wenn sie nur vorübergehend sein sollten. Ein echtes Dilemma.
In der SP sollten sowohl ein starker gewerkschaftlicher als auch ein reformorientierter, liberaler Flügel Platz haben. Diese Koexistenz ist zwar nicht immer einfach, aber für eine grosse Partei auch eine Bereicherung und eine Chance.
Es sind sicher nicht alle Gewerkschafter Ewiggestrige, aber einige haben die Entwicklung seit den 90er-Jahren schlicht und einfach verpennt. Gewerkschaften haben in einer Zeit der Globalisierung und der Personenfreizügigkeit andere Aufgaben als früher, deshalb wäre ein Generationenwechsel an der Spitze einiger Gewerkschaften in der Schweiz wohl angebracht.
Aha, Gewerkschaften haben also in einer Zeit der Globalisierung und der Personenfreizügigkeit andere Aufgaben als früher. Das tönt doch spannend. Was sollen denn das genau für Aufgaben sein? Würde mich als Ewiggestrigen, der ich mich für die Sicherheit am Arbeitsplatz, für faire Löhne, für flexible Pensionierung, für den Schutz vor Plünderung der Sozialwerke, für flankierende Massnahmen, und so weiter einsetze, interessieren….
Haben Gewerkschaften in der Globalisierung und Personenfreizügigkeit andere Aufgaben als früher? Ich glaube nicht. Aber sie sind in besonderem Masse herausgefordert.
Betrachten wir ein paar Punkte, die der “gewerkschafter” auflistet, etwas näher:
– Sicherheit am Arbeitsplatz: Pardon, das wird es wohl nicht mehr geben, egal in welcher Branche, egal wie gut der Wirtschaftsmotor brummt. Wer nicht agil ist, muss damit rechnen, überflüssig zu werden.
– faire Löhne: Eine Selbstverständlichkeit, finde ich. Sie kommen auf dem Bau und im Detailhandel unter Druck. Aber derzeit sind es weiterhin viele freiberuflich Tätige und die Kleinstgewerbler, die sich schlechte Löhne auszahlen, weniger Ferien beziehen, keinen 13. Monatslohn haben usw. Davon spricht man nicht.
– flexible Pensionierung: unbedingt, aber eben nicht nur nach unten, sondern auch nach oben. Viele Ältere möchten nicht schon mit 65 Jahren in Rente gehen. Kommt dazu, dass wir auf Grund der demografischen Entwicklung uns schon bald einmal eine Pensionierung mit 65 nicht leisten können.
Selbst wenn die Grünen mehr Platz bekommen, ist das ok.
Die SP würde mit einem Mitte-Links Kurs viele Wählerinnen und Wähler aus der Mitte abholen. Aber auch ganz viele Nicht-Wähler/innen würden sich in der SP wiederfinden und deshalb SP wählen.
Und diese Neu- und Wechselwähler/innen würden den Verlust ganz links aussen mehr als wettmachen. Davon bin ich überzeugt.
Aber damit die Grünen nicht das ganze Feld für sich haben und die Gewerkschafter (wenn sie nicht mitmachen wollen) nicht heimatlos werden, so wäre es ja durchaus denkbar, eine neue Linkspartei zu gründen.
Platz hat es genug und drei Parteien im linken Spektrum wären vielleicht gar nicht so schlecht. Eine Überlegung ist es jedenfalls wert.
Und was die ganzen gewerkschaftlichen Forderungen anbelangt, so bin ich auch für Arbeitsplatzsicherheit (soweit überhaupt etwas im Leben sicher sein kann), für faire Löhne (nur was genau ist fair? Und wer legt das fest?) etc.
Aber mit extremen Forderungen ist doch in den Verhandlungen mit den Arbeitgebern oder den bürgerlichen Parteien nichts zu holen. Nur mit einer gemässigt-linken Politik kann die SP Mehrheiten holen um die SVP zu neutralisieren.
Denkt einfach mal darüber nach ob die Taube auf dem Dach wirklich besser ist als der Spatz in der Hand.