Die SP führt Regie
Publiziert am 13. Dezember 2011Für die nächsten 18 Stunden ist das Bundeshaus und der Perimeter darumherum der Nabel der Schweiz. Rund 500 Medienschaffende und Kameramänner sollen sich akkreditiert haben. Auf jeden Parlamentarier und jede Parlamentarierin entfallen also zwei Medienleute. Das ergibt eine ziemlich grosse Menge auf engstem Raum. Politiker, die man sonst nie hört oder sieht und deshalb auch nicht kennt, haben eine nahezu huntertprozentige Chance, dass ihnen einmal ein Mikrofon entgegengestreckt wird.
Zunächst die Sitzverteilung des neuen Parlaments als Grafik:
Diese Grafik gibt es auch als PDF-Dokument zum Herunterladen:
Bundesversammlung: Die Sitzverteilung des neuen Parlaments (PDF)
Die Schlagworte “Wahlkrimi”, “High Noon” und dergleichen mehr wurden in den letzten Wochen oft verwendet; sie haben sich abgenützt. Es ist gut möglich, dass die Suppe nicht so heiss gegessen wird, wie sie gekocht wurde. Die Köche hinter den Töpfen heissen Christian Levrat und Ursula Wyss. Sie führen Regie und dieses Mal wissen sie auch, dass sie das Menü bestimmen können.
Wenn das SP-Führungsduo seine Fraktion einigermassen diszipliniert durch den Wahlmarathon bringt, brennt nichts an. Will heissen: Alle sechs bisherigen Bundesratsmitglieder werden wiedergewählt, die SVP läuft mit ihrem Anspruch auf einen zweiten Sitz auf. Die Entscheidung der SP-Fraktion fiel offensichtlich deutlich aus. Sie sei nicht für Spielchen zu haben, heisst es im Mediencommuniqué.
Bleibt es bei dieser Deklaration, ist die Herdplatte nur noch auf der Marke 3 eingestellt und das Süppchen köchelt vor sich hin. Richtig spannend wird es in diesem Fall erst beim SP-Ausstich im siebsten Durchgang: Alain Berset gegen Pierre-Yves Maillard. Einer von beiden würde sich zu den sechs Bisherigen gesellen:
Die häufigste Frage, die in den letzten Wochen gestellt wurde, lautete: Wer macht das Rennen?
Zentraler wäre eine ernsthafte Auseinandersetzung über andere Fragen gewesen:
– Wer hat das richtige Profil für das Aussen- oder das Innendepartement? (Zweiteres, falls Bundesrat Burkhalter wechseln sollte.)
– Welcher Charakter passt am besten ins bestehende Gremium, das offensichtlich besser funktioniert als in früheren Zusammensetzungen?
– Wer ist auf internationalem Parkett wohl und verhandlungssicher in englischer Sprache?
Zumindest in der deutschen Schweiz hatte ich den Eindruck, dass der Fokus auf andere Schauplätzen gerichtet war: “Konkordanz” zum Beispiel, was nach 789 Folgen zu einem Schwanzbeisser wurde. Oder der Frage: “Können wir zwei Bundesräte aus Hinwil verkraften?” Mit dem Blattschuss von Urs-Paul Engeler hat sich diese Frage bekanntlich erledigt.
Mark Balsiger
Nachtrag vom Freitag, 16. Dezember 2011: Die NZZ kommt in ihrer Analyse der Bundesratswahlen zum selben Schluss:
Das Powerplay des Christian Levrat (NZZ, PDF)
– Grafik Bundesversammlung: Thomas Hodel
– Montage Bundesratsköpfe: sf.tv
haha, blattschuss ist nicht schlecht.
vermutlich wird morgen in der live repo der medienmeute der blocher/baz skandal sowie das stümperhafte gebahren der svp mehr zu reden geben als die br wahlen.
500 medienleute? wo kommen die plötzlich alle her?