Die Unfrage des Jahres
Publiziert am 25. September 2007Seit bald einem Jahr taucht eine Frage immer wieder auf, seit ein paar Wochen wird sie landauf, landab überall gestellt:
Werden Sie Christoph Blocher wieder als Bundesrat wählen?
Inzwischen ist die Frage auch in die redaktionellen Seiten geschwappt, unlängst in der „Basler Zeitung“, gestern im „Tages-Anzeiger“. In Basel haben die Medienschaffenden alle Kandidierenden abgeklappert, ihre Zürcher Kollegen beschränkten sich auf die Bisherigen und die potentiellen Neo-Nationalräte.
Nüchtern betrachtet erstaunt die Frage. Gäbe es nicht wichtigere Fragen? Gerade für die kommende Legislatur? Eine Auswahl relevanter Fragen: Was tun wir zum Schutze des Klimas? Wie sanieren wir unsere Sozialwerke? Auf welche Energieträger setzen wir die nächsten Jahrzehnte? Wie bekämpfen wir die Jugendarbeitslosigkeit? Ist die Wirtschaft fit genug? Ist der Bilateralismus der richtige Weg?
An Podien und in Zeitungsspalten wird lieber die Blocher-Frage gestellt. Sie ist einfacher, emotional aufgeladen, jeder kann problemlos mitreden. Klar, der Justizminister lässt niemanden kalt. Er steht – erneut – im Zentrum des Wahlkampfs. Was einiges über diesen Wahlkampf und seine Akteure aussagt.
Zuweilen gerät es ein wenig durcheinander: Am 21. Oktober wählen wir die Vertretung des eidgenössischen Parlaments, am 12. Dezember wird dieses Parlament die Mitglieder des Bundesrats bestimmen. Vielleicht wählt es Christoph Blocher wieder, vielleicht nicht. So what?
Die Blocher-Frage suggeriert eine Wichtigkeit, die sie nicht hat. Mit Verlaub, er ist einer von sieben Bundesräten. Lauter zwar als andere, vermutlich auch arbeitsamer und effizienter, gewiss gerissener. Aber auch nur mit einem Departement, dem keine Schlüsselrolle zukommt. Für mich ist die Blocher-Frage deshalb eine eigentliche Unfrage.
Die Schweiz ist nicht aus den Fugen geraten wegen Christoph Blocher, obwohl er
– von 1979 bis 2003 Nationalrat war
– von 1977 bis Anfang des 21. Jahrhunderts die Zürcher Kantonalsektion präsidierte und in dieser Zeitspanne die ehemals biedere Partei mit einem Wähleranteil von 10 Prozent auf über 30 Prozent stemmte (das war Knochenarbeit und verdient Respekt)
– seit dem brutalen Nein zur UNO im Jahr 1986 die Auns konsequent auf- und ausbaute
– 1992 den EWR-Vertrag bodigte und seither der bekannteste und umstrittenste Politiker des Landes ist
– gelegentlich Millionen aus der eigenen Schatulle aufwarf, um schweizweit für seine Überzeugungen zu werben
Seit bald vier Jahren sitzt Blocher nun im Bundesrat und die Schweiz ist nicht untergegangen. Das politische System ist sehr solid, die seit Jahrzehnten gepflegte unspektakuläre Konkordanz geriet bislang nicht ins Wanken. Christoph Blocher strapaziert die Konkordanz zwar, aber sie wird ihn überdauern. Ganz egal, ob er nun vom 13. Dezember an als “Oppositionsführer” – ohne Parlamentsmandat – wirkt oder nicht.
Mark Balsiger
Genau darum habe ich – offensichtlich als einziger – zu dieser Frage nicht Stellung genommen: sie ist nicht von Interesse.