Ein erster Formtest für alle Parteien

Publiziert am 02. Oktober 2016

Der Kanton Aargau bildet in Bezug auf die Parteienlandschaft und -stärke die Schweiz im Kleinen ab. Das ist schon seit Jahrzehnten so. Am 23. Oktober bestimmt er, wer in der Regierung und im Parlament (Grosser Rat) einzieht. Just ein Jahr nach den eidgenössischen werden so die Aargauer Wahlen zum ersten wichtigen Formtest für die Parteien.

aargau_grosser_rat_612_sitzverteilung_2016Grafik: So präsentiert sich die Sitzverteilung im Aargauer Grossen Rat von 2013 bis 2016.

Nachfolgend eine Grafik, die die einleitende Aussage stützt; das Dokument können Sie herunterladen:

Resultate: NR-Wahlen 2015 schweizweit & Aargau; Grossratswahlen 2012 (PDF)

Die Wähleranteile im Aargau korrelieren mit denjenigen auf nationaler Ebene. (Basel-Landschaft kommt auch noch ähnlich nahe.) Das gilt für die grossen Parteien genauso wie für die EVP und die neueren Mitteparteien BDP und GLP. Einzig bei der SVP ist eine grosse Differenz auszumachen, die inzwischen nicht weniger als 8.6 Prozentpunkte beträgt, d.h. im Aargau ist die Volkspartei deutlich stärker (38.0 Prozent, vgl. schweizweit: 29.4 Prozent).

Bei den Nationalratswahlen im Aargau vor Jahresfrist legte die SVP 3.3 Prozent und die FDP sogar 3.4 Prozentpunkte zu – ein veritabler Rechtsrutsch. Beide Parteien gewann je einen Sitz hinzu (SVP: neu 7, FDP: neu 3 Sitze). Können SVP und FDP bei den Grossratswahlen heute in drei Wochen einen vergleichbaren Vormarsch verbuchen, haben sie im 140-köpfigen Parlament eine Mehrheit; die aktuelle Sitzverteilung stellt die Grafik oben dar. (Die beiden Grossräte der EDU wirken in der SVP-Fraktion mit.)

Unter besonderer Beobachtung ist die CVP, die vor Jahresfrist erstmals in ihrer Geschichte unter die 10-Prozent-Marke rutschte. Auch für BDP und GLP gilt am 23. Oktober: verlieren verboten. Passiert es doch, könnten sie die Fraktionsstärke (mindestens 5 Sitze) einbüssen, was weniger Einfluss und eine Verwässerung ihres Parteiprofils zur Folge hätte.

Die Grossratswahlen im viertgrössten Kanton werden zum ersten Formtest für alle Parteien. Ins Auge sticht die Wahlbeteiligung: Bei Nationalratswahlen hat sie sich im Aargau (und schweizweit) bei 48 Prozent eingependelt, bei Grossratswahlen erreicht sie jeweils etwa 32 Prozent. (In den meisten anderen Kantonen gibt es allerdings eine vergleichbar grosse Differenz.) Auch das Zusammenlegen des Termins für Regierungs- und Grossratswahlen brachte 2012 keine höhere Wahlbeteiligung.

Es ist möglich, dass die Dynamik um die zwei frei werdenden Regierungssitze von Roland Brogli (CVP) und Susanne Hochuli (Grüne) zu einer höheren Wahlbeteiligung führt. Auch die Herbstsession des eidgenössischen Parlaments könnte einen Effekt auf die Grossratswahlen haben, im Speziellen die Entscheidung des Nationalrats, bei der Masseneinwanderungsinitiative auf einen “Inländervorrang light” zu setzen. Das kann einzelne Wählersegmente überproportional mobilisieren, etwa bei der SVP (“Verfassungsbruch, sapperlott!”) oder bei der FDP (aus deren Reihen kam der siegreiche Lösungsansatz).

Gemäss einer Umfrage von Ende September, welche die “Aargauer Zeitung” (AZ) beim Marktforschungsinstitut Demoscope in Auftrag gab, verlöre die SVP am 23. Oktober 2.9 Prozent, die CVP sogar 3.5 Prozent, die FDP könnte hingegen 3.3 Prozent zulegen. (Der Stichprobenfehler wird in der AZ-Berichterstattung nicht genannt, dürfte aber plus/minus 3.1 Prozent betragen.) Doch Vorsicht: Umfragen sind keine Prognosen, sondern Momentaufnahmen. Vor vier Jahren wies die damalige Umfrage für die SVP einen Verlust von 3.5 Prozent aus; ihr Resultat am Wahltag blieb aber stabil.

Die Resultate der Grossratswahlen 2009, 2012 sowie die AZ-Umfrage von Ende September 2016:

umfrage_gr_ag_612_aargauer_zeitung_2016_09_30

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