Eine gemeinsame Fraktion als pragmatische Option für die Mitteparteien

Publiziert am 02. November 2015

Es gibt zu viele Parteien in der Schweiz. Diese Erkenntnis ist nicht neu, hat sich aber gerade in diesem Wahljahr wieder in den Vordergrund geschoben. Viele Leute klagen, dass sie die Parteien kaum auseinanderhalten könnten, insbesondere diejenigen in der Mitte.

Die Mitte ist zersplittert, alt-Bundesrat Pascal Couchepin spricht in diesem Zusammenhang gerne von der Israelisierung der Parteienlandschaft. Bei den Nationalratswahlen vom 18. Oktober verloren die Mitteparteien allesamt:

– CVP (- 0,7%, – 1 Sitz, neu: 27)
– BDP (- 1,3%, – 2 Sitze, neu: 7)
– GLP (- 0,8%, – 5 Sitze, neu: 7)

Angesichts dieser Resultate erstaunt nicht, dass bei den gerupften Mitteparteien wieder Denkprozesse eingesetzt haben. Der Solothurner CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt skizzierte gestern in der „Schweiz am Sonntag“ wie eine neue Partei im Zentrum entstehen könnte. Er nennt sie „Die Moderaten“.

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Neu sind solche Überlegungen nicht. So kam jahrelang immer mal wieder eine Fusion von FDP und CVP aufs Tapet. Angesichts der massiven Verluste, die beide Parteien seit 1983 eingefahren hatten, war das logisch. Dass die beiden Kulturkampf-Parteien aber zusammenfinden können, darf man ausschliessen, nicht zuletzt, weil sie föderalistisch gewachsen sind.

Bei BDP und GLP sieht das anders aus: Beide entstanden als Abspaltungen bestehender Parteien, die BDP 2008 (weg von der SVP als Reaktion auf den Ausschluss der Bündner SVP bzw. von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf), die GLP 2008 (weg von den Grünen, zunächst nur im Kanton Zürich).

Bis sich eine neue Partei in der Schweiz etabliert hat, dauert es 20 Jahre. Beide neueren Mitteparteien sind noch weit davon entfernt, und bei der BDP ist zu beobachten, dass sie ausserhalb ihrer Brückenkopf-Kantone Bern, Glarus und Graubünden keinen Fuss von den anderen kriegt. Der Abwärtstrend hat eingesetzt, und wenn die BDP ihren Spitzenleuten keine Karrieren ermöglichen kann, wird sie kaum mehr ehrgeiziges Personal anziehen können. Deutlich besser aufgestellt ist die GLP, zumal sie auch thematisch eine Nische besetzen konnte.

Doch zurück zur Idee “Die Moderaten”: Der Leidensdruck für eine Fusion der drei Mitteparteien ist derzeit noch zu klein, die Differenzen in einzelnen Politikfeldern zu gross. Dazu kommt, dass ihre Schlüsselfiguren seit nunmehr acht Jahren über “Die Mitte” reden. Einmal ging es um eine Union, ein anderes Mal um eine gemeinsame Wahlplattform, ein drittes Mal um eine Allianz. Passiert ist bis dato: nichts. Das kratzt an der Glaubwürdigkeit.

Was aber pragmatisch möglich wäre: eine gemeinsame Bundeshausfraktion zu Beginn der neuen Legislaturperiode. Natürlich gäbe es innerhalb einer CVP-GLP-BDP-Fraktion Differenzen – mit oder ohne die beiden EVP-Nationalrätinnen (Marianne Streiff, BE, und Maja Ingold, ZH) -, etwa beim zweiten Gotthardtunnel oder der Homo-Ehe. Die Realität ist: solche Differenzen gibt es seit jeher bei allen grossen Fraktionen.

Es geht um das Bündeln von Macht. Von 2007 bis 2011 war schon einmal eine Mitte-Fraktion mit CVP, EVP und GLP am Werk. Sie funktionierte ziemlich gut und hatte dank den vielen CVP-Ständeräten auch enormen Einfluss, ja sie war das oft zitierte Zünglein an der Waage.

 

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Fotomontage: “Schweiz am Sonntag”

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