FDP Zürich: Zurück zum aufrechten Gang
Publiziert am 26. November 2007Dass Parteibasis und Parteispitze nicht immer in die selbe Richtung marschieren, ist in der Schweiz nicht ungewöhnlich. Wenn es sich aber häuft oder zum Regelfall wird, stimmt der Kompass nicht mehr. Bei der FDP des Kantons Zürich dürfte das zutreffen. In knapp drei Jahren hatte die Parteibasis bei fünf Personalentscheidungen (dreimal bei Regierungsratswahlen, zwei Durchgänge für die Ständeratsvertretung) klar eine andere Präferenz als die Parteispitze. Um deutlicher zu werden: Die FDP mochte die jeweiligen SVP-Kandidaten, zuletzt Ueli Maurer, nicht einmal halbherzig unterstützen.
Die Basis lässt sich nicht auswechseln, auch wenn sie schmilzt wie Schnee an der Sonne. Der Parteispitze bleiben zwei Möglichkeiten: Sie kann sich an der Mehrheit orientieren oder abtreten. Doris Fiala hat mit Überzeugung den aus ihrer Sicht richtigen Kurs eingeschlagen, um ihre FDP wieder auf Vordermann zu bringen. Sie nahm ihre Leute oft hart ins Gebet. Allein, die Nähe zur SVP, die sie konsequent suchte, wurde nicht mehrheitsfähig. Im Gegenteil, gerade bei den Wahlen wurde Doris Fiala von den eigenen Parteigängern im Regen stehen gelassen. Darum wird sie vermutlich heute die Konsequenzen ziehen. Wir können ausschliessen, dass jemand “Stay, Fiala, stay!” skandieren wird.
Spott oder sogar Häme sind mir weitgehend fremd. Es ist ungut, wenn die einst einflussreichste Sektion des Freisinns einen solchen Krebsgang macht. Die FDP nähert sich mit ihrem Wähleranteil von 13,2 Prozent dem europäischen Durchschnitt der liberalen Parteien an. Eine alarmierende Entwicklung.
Schliesslich aber noch eine kritische Anmerkung: Die Gefolgschaft und Disziplin, die Doris Fiala von ihren Zürcher Freisinnigen immer wieder einforderte, lebte sie selber nicht vor. Seit Jahren kritisierte sie immer wieder laut und via Medien den Kurs von Parteipräsident Fulvio Pelli. Das garantiert zwar Schlagzeilen und erhöht den Bekanntheitsgrad, ist für eine Partei aber desaströs.
Doris Fiala ist ausgebildete PR-Assistentin und weiss um die Bedeutung von Marken. Die Marke Fiala hat sie in den letzten Jahren strategisch und mit viel Engagement aufgebaut. Dasselbe gilt aber nicht für die Marke FDP. Für Fiala persönlich ist die Rechnung aufgegangen. Auch dank ihrer harschen Pelli-Kritik schaffte sie den Sprung nach Bern. Die Scherben wischen in den nächsten Jahren andere auf – und danach können sie sich wieder im von Freisinnigen viel zitierten Ziel, einem “aufrechten Gang”, üben. Das wird nur möglich, wenn sich die Zürcher FDP als geeinte Mannschaft und nicht als Gruppe von Individualisten formiert.
Wie allseits erwartet wurde, hat Doris Fiala heute Ihren Rücktritt als Parteipräsidentin der FDP des Kantons Zürich bekanntgegeben.
Ihre persönliche Erklärung verlinken wir hier, die Lektüre lohnt sich.
http://www.fdp-zh.ch/page/content/index.asp?MenuID=8600&ID=66909&ConID=66909&View=&Item=1
Quer durch den Blätterwald wird heute dem Rücktritt von Doris Fiala viel Raum gegeben. Aus der Vielzahl von Kommentaren habe ich denjenigen von Alfred Borter aus der “Mittelland-Zeitung” übernommen:
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© Aargauer Zeitung / MLZ; 28.11.2007; Seite 34
Kommentar
Pfad der Tugend
alfred borter
Sie ist angetreten, die Zürcher FDP wieder aus dem Wellental herauszuführen, und sie ist gescheitert. So gesehen ist der Entscheid von Doris Fiala, das Parteipräsidium im kommenden Frühjahr niederzulegen, folgerichtig. Die PR-Fachfrau war voll guten Willens, die zerstrittene Partei wieder auf Vordermann zu bringen, sie packte engagiert und mit sichtlicher Freude an der Politik ihre Aufgabe an, doch jetzt hat sie schmerzlich einsehen müssen, dass ihre Zeit als Führerin der Partei abläuft.
Zweifellos ist es ihr gelungen, die Scharte auszuwetzen, die mit dem unheilvollen Rücktritt von Regierungsrätin Dorothée Fierz entstanden ist, und das Regierungsratsticket «4 gewinnt» war von Erfolg gekrönt. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass bei den Parlamentswahlen › Kantonsrat und Nationalrat › die Wähler der FDP scharenweise davon gelaufen sind, und jetzt die Wähler die offizielle freisinnige Unterstützung des SVP-Kandidaten Ueli Maurer für die Wahl in den Ständerat nicht goutiert haben. Wenn Parteileitung und Parteibasis nicht mehr harmonieren, ist es angezeigt, wenn die Leitung Platz macht für neue Köpfe.
Und sicher auch für neue Ideen. Das Zusammenwirken mit der SVP vermochte die Wählerschaft so wenig zu begeistern wie zuvor das Techtelmechtel mit der SP. Den Pfad der Tugend muss die FDP offenbar ganz eigenständig begehen. Dabei wäre auch etwas Aufbruchsmentalität von Nutzen. An die Spitze gehört nicht eine Art «elder statesman», der mit der Milde und Weisheit des Alters die zerstrittenen Flügel zu einen versucht, sondern eine Figur, die mit liberalen Ideen auftrumpft und zu begeistern weiss.
An die Spitze gehört eine Figur, die mit liberalen Ideen auftrumpft und zu begeistern weiss.
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