Fraktionsbeiträge sind kein Geldregen, sondern gut investiert
Publiziert am 27. November 2009Parteien sind in der Schweiz keine mächtigen Akteure. Ihre untergeordnete Stellung lässt sich mit einem nüchternen Fakt aufzeigen: Erst in der 1999 revidierten Bundesverfassung fand der Begriff “Partei” Unterschlupf, zuvor gab es ihn in der “Bibel der Schweizer Politik” 151 Jahre lang gar nicht.
Auch auf nationaler Ebene verfügen die Parteizentralen, die 1972 geschaffen wurden, nur über sehr bescheidene personelle Ressourcen. Die Generalsekretariate der vier grössten Parteien (SVP, SP, FDP, CVP) können je zwischen 8 und etwa 12 Vollzeitstellen besetzen. Aufgrund der Krise mussten in diesem Jahr zwei Generalsekretariate nach eigenen Angaben sogar Stellen abbauen.
Die Parteien in der Schweiz finanzieren ihren Betrieb hauptsächlich über vier Kanäle:
– Mitgliederbeiträge
– Spenden
– Abgaben von Mandatsträgern
– Fraktionsbeiträge
Die Fraktionsbeiträge wurden in den letzten Jahren für die Parteien existenziell. Fast alle sind überaltert – die Mitglieder sterben weg und es fliessen weniger Spenden. So beschloss der Nationalrat gestern abschliessend, die Fraktionsbeiträge zu erhöhen. Die mediale Verkürzung, dass neu rund 7,5 Millionen statt 5 Millionen Franken flössen, führt zu einer verzerrten Wahrnehmung. Teilweise war das zweifellos gewollt. Doch “langen” die Räte “schamlos” zu, wie vereinzelt kritisiert wurde, kann man wirklich von einem Geldregen sprechen?
Jede der insgesamt sechs Fraktionen erhält einen Fixbeitrag von jährlich 144’500 (bislang 94’500) Franken. Zudem werden pro Fraktionsmitglied in Zukunft 26’800 Franken (bisher 17’500) Franken überwiesen. Dieses Geld fliesst aber nicht in die Taschen der Politiker, sondern es geht an die Fraktionen.
Der Umgang mit dieser staatlichen Subvension ist unterschiedlich: Es gibt Fraktionen, die den gesamten Betrag an die Parteizentralen weiterleiten. Andere wenden einen Verteilschlüssel an und behalten einen Teil für die Aufwendungen des Fraktionssekretariats. Für eine Vollzeitstelle (Fraktionssekretär, wissenschaftliche Mitarbeiterin) werden insgesamt etwa 150’000 Franken pro Jahr eingesetzt. In jedem Fall können die Parteien so wenigstens einen Minimalbetrieb sicherstellen.
Vor diesem Hintergrund ist die Kritik und die angedrohte Volksinitiative der SVP nur schwer verständlich. Im internationalen Vergleich wird der parlamentarische Betrieb der Schweiz nur mit Almosen unterstützt. Die Überzeugung, dass er auch auf antionaler Ebene weiterhin im Milizsystem funktionieren müsse, hält sich hartnäckig. Was Wunder, verliert das Parlament kontinuierlich an Einfluss, ja es ist oftmals heillos überfordert.
Auflistung der Summen, die die Fraktionen erhalten:
– SVP: 1,91 Mio. Franken (bislang 1,25 Mio.)
– CVP/EVP/glp: 1,54 Mio. (bislang 1 Mio.)
– SP: 1,51 Mio. (bislang 987’000 Franken)
– FDP.Die Liberalen: 1,4 Mio. (bislang 917’000)
– Grüne: 787’000 (514’000)
– BDP: 305’000 (—-)
Bild: image-schweiz.ch
Die Überalterung der Parteien sollte aber nicht der Grund sein, dass man nun etwas mehr aus dem Staatskässeli nimmt…
Hand aufs Herz: Wir wissen nicht, was mit diesen 7.5 Mio geschieht. Einen Rechenschaftsbericht müssen die Parteien ja nicht abgeben. Und genau das stört Herrn und Frau Schweizer, nicht zuletzt auch weil alles, was die Parteien finanziert, mangels einer entsprechenden Transparenz suspekt erscheint…
Genauso stört der Zeitpunkt: Herr und Frau Schweizer müssen erneut darum kämpfen, dass sie wenigstens den Teuerungsausgleich erhalten. Auch beim Bund soll insgesamt wieder gespart werden. Doch das kümmert die Fraktionen wenig. Natürlich sind die 7.5 Mio. verhältnismässig ein sehr kleiner Betrag. Doch es geht hier um die Signalwirkung.
Was mich persönlich stört, ist jenes Giesskannenprinzip, gegen welches sich sonst die Parlamentarier immer stemmen. Der Aufwand nimmt bekanntlich ab, je mehr «Masse» man gleichzeitig behandeln kann. Ein degressives Modell beim Mitglieder-Beitrag halte ich daher für sinnvoller als eine Pauschale.
Zudem vernachlässigt dieses System genau das, was hierzulande immer so hoch gehalten wird, nämlich den Minderheitenschutz. Das zeigte sich deutlich im Falle der BDP, welche gar keinen Batzen erhielt, weil sie gar nicht erst eine Fraktion gründen konnte.
Und schliesslich frage ich mich, wie das denn in den Kantonen und Gemeinden ohne Fraktionsbeiträge laufen kann. Eine Gleichbehandlung in die eine oder andere Richtung wäre sicher angebracht.
Ich zähle auf die SVP, dass sie wenigstens diesmal Wort hält und die Initiative dagegen lanciert. Warum?
Sie würde zumindest eine breite und hoffentlich wohltuende Debatte über den Sinn und Zweck eines Parlamentes und damit der Demokratie im weiteren Sinne ermöglichen. Die Initiative böte aber auch die Möglichkeit über den Einfluss von Mitteln und Ressourcen auf die Politik zu diskutieren.
Von „der Politik“ werden heute Entscheidungen verlangt, deren Komplexität nurmehr die wenigsten halbwegs erfassen können. (Kleines Beispiel gefällig? Wer vermag auf Anhieb die 10 wichtigsten Auswirkungen einer Teilrevision des Pensionskassengesetzes zu erläutern?).
Alleine den Kommissionen werden ganze und höchst unterschiedliche Sachgebiete zugewiesen. Da ist es für den Einzelnen bestenfalls noch in einem einzigen Gebiet möglich, sich eine, das Mass des Ungefähren verlassende Ebene des Wissens und damit Entscheiden könnens anzueignen.
Was aber ist mit allen anderen Themen? Und erst recht mit der Themenfülle, die heute im Parlament in einer ganz durchschnittlichen Session behandelt und entschieden wird?
Fazit: Entweder, man investiert eigene Ressourcen (damit verkommt die Demokratie zu einer Oligarchie) oder man verlässt sich auf die Bibel „wem Gott ein Amt gegeben…“, was aus dem Parlament eine Pokerrunde (also den Entscheid herbeiwürfeln) machen würde.
Wem also die Demokratie als Ort des Suchens und Findens von Mehrheits-Entscheidungen heilig ist, befürwortet auch, dass dem Parlament die notwendigen Ressourcen zugebilligt werden. Alles andere ist der direkte oder indirekte Ruf nach (Meinungs- und Geld-)Diktatur.