Frauen-Kandidaturen sind erfolgreicher

Publiziert am 22. Juli 2011

GAST-BEITRAG von Samuel Kullmann*

Im Herbst 2011 finden die eidgenössischen Wahlen statt, tausende von Kandidierenden werden sich um die Gunst des Wahlvolks bemühen. Trotz individuellen Budgets, die teilweise 100’000 Franken übersteigen, ist ein Erfolg noch lange nicht garantiert. Will heissen: Mit Geld lässt sich kein Sitz kaufen. Doch welche Faktoren können zum Wahlerfolg führen?

In meiner Bachelorarbeit habe ich 9 verschiedene Faktoren untersucht. Welchen Einfluss hatten sie auf den durchschnittlichen Stimmenanteil eines Kandidaten? Als Forschungsobjekt wählte ich die Parlamentswahlen im Kanton Bern, die im Frühjahr 2010 stattfanden.

Zunächst die 9 Faktoren, die ich untersuchte:

– Stärke der Liste bzw. der Partei
– Bisherigen-Status
– Vorkumulierung
– Listenplatz
– gleichzeitige Regierungsratskandidatur
– Geschlecht
– Alter
– Smartvote
– Facebook

Mittels einer sogenannten multivariaten Regressionsanalyse wurden die Daten aller 1938 Personen, die für den Berner Grossrat kandidierten, statistisch ausgewertet. Die positiven Effekte der ersten drei Faktoren liegen auf der Hand und konnten entsprechend klar nachgewiesen werden: Je stärker die Liste eines Kandidierenden abschneidet, desto mehr individuelle Stimmen machen die Personen auf dieser Liste.

Auch der Bisherigen-Status bringt offensichtlich grosse Vorteile: Bisherige machten im Schnitt 2153 Stimmen mehr als ihre Konkurrenten. In den allermeisten Fällen reichte dieser Stimmenvorsprung um neuantretende Kandidierende (weit) hinter sich zu lassen. Nur sieben Mal gelang es einem Neuen, den Bisherigen zu überholen. Wer vorkumuliert auf einer Liste aufgeführt wurde, erzielte durchschnittlich 804 Stimmen mehr.

Der Effekt des Listenplatzes ist in der politikwissenschaftlichen Literatur immer wieder kontrovers diskutiert worden. Allerdings dürfte er nicht die grosse Bedeutung haben, die man ihm in vielen Wahlkreisen zumisst. So verloren in meiner Analyse Kandidierende mit jedem schlechteren Listenplatz als dem ersten im Durchschnitt 10 Stimmen.

Eine gleichzeitige Regierungsratskandidatur brachte hingegen gleich 694 mehr Stimmen, allerdings muss dieses Ergebnis wegen der kleinen Fallzahl (n=7) vorsichtig interpretiert werden.

Die grosse Überraschung liegt hingegen beim Einfluss des Geschlechts. Unter Kontrolle aller anderen Variablen erzielten Kandidatinnen durchschnittlich 77 Stimmen mehr als ihre männlichen Herausforderer. Dieses Ergebnis mag angesichts des tiefen Frauenanteils von 26 Prozent paradox erscheinen. Allerdings besagt es lediglich, dass Frauen bei dieser Wahl nicht direkt diskriminiert wurden, und Gründe für die Untervertretung der Frauen woanders gesucht werden müssten. Ein Grund ist die geringe Anzahl Kandidatinnen, wie die folgende Abbildung zeigt:

Beim Alter konnte ein quadratischer Effekt festgestellt werden. Jüngere und ältere Kandidierende erzielen deutlich weniger Stimmen als Kandidierende im mittleren Alter. Vor allem ab dem Rentneralter nimmt die Stimmenzahl rapide ab. Besonders 18- bis 30-Jährige haben es schwer, ein Mandat zu erreichen. Einerseits sind junge Listen praktisch überall und immer chancenlos, zudem machen jüngere Kandidierende auf Stammlisten normalerweise deutlich weniger Stimmen als andere.


Besonders gespannt war ich auf die Effekte der neuen Medien Smartvote (Nutzung durch Kandidierende: 77 Prozent) und Facebook (Nutzung: 11 Prozent). Wer auf Smartvote ein Profil erstellt hatte, konnte im Schnitt 86 Stimmen mehr aufweisen. Dieser Effekt ist zwar noch lange nicht matchentscheidend, jedoch dürfte die Bedeutung von Wahlhilfen wie Smartvote immer mehr zunehmen.

Auch die 204 Facebook-User dürfen annehmen, dass sich ihr Online-Wahlkampf vermutlich gelohnt hat. Wessen Facebook-Unterstützungsgruppe z.B. 200 Personen aufwies, kam im Durchschnitt mit einem Plus von 160 Stimmen.

Bei der Interpretation dieser Ergebnisse muss beachtet werden, dass alle Werte den Durchschnitt über alle Parteien und Listen hinweg angeben. Selbstverständlich sind allfällige Effekte bei grösseren Parteien ausgeprägter. So würde eine SVP-Kandidatin auch mehr von einer Smartvote-Teilnahme profitieren als ein Kandidat der Piratenpartei.

Im Rahmen dieser Bachelorarbeit konnte ich weitere Interessante Faktoren, wie Wahlkampfbudget, Motivation, Attraktivität und bisherige politische Erfahrung nicht untersuchen, da die Erhebung dieser Daten für 1938 Kandidierende schlicht und einfach zu viel Aufwand bedeutet hätte. Ich hoffe jedoch, mit dieser Arbeit den Einfluss einiger wichtiger Faktoren beleuchtet zu haben. Vielleicht kann diese Arbeit auch zu weiteren und umfassenderen Forschungen anregen.

* Samuel Kullmann studierte an der Universität Bern Politikwissenschaften und Anglistik. Im Frühjahr 2010 war er zudem Grossratskandidat für die EDU im Wahlkreis Thun.

– Foto Samuel Kullmann: zvg
– Grafiken: Samuel Kullmann

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