Fulvio Pelli spielt mit dem Feuer

Publiziert am 10. August 2009

Konfusion am frühen Nachmittag bei den Nachrichtenagenturen sda und ap, Konfusion und plötzliche Hektik auch auf den Redaktionen und in der FDP-Parteizentrale: Ist Fulvio Pelli nun Bundesratskandidat – oder ist er es nicht? Die ersten Agenturmeldungen waren widersprüchlich, so dass sich selbst bei der NZZ vorübergehend Tippfehler einschlichen – ein klares Indiz für Hektik.

Fassen wir also knapp zusammen: die Tessiner FDP nominierte Pelli nicht, wünscht aber ausdrücklich dessen Kandidatur. Die Bundeshausfraktion soll sie Anfang September vornehmen. Dieses Vorgehen ist möglich; der courant normal sieht vor, dass die Kantonalparteien zuhanden der Bundeshausfraktion nominieren. Pelli würde sich dem Wunsch seiner Fraktion nicht verschliessen, so sie ihn aufstellen möchte.

Mit diesem Vorgehen hält sich Fulvio Pelli weiterhin alle Optionen offen – und bleibt sich mit seinen verklausilierten und von Taktik komplett durchdrungenen Aussagen selber treu. Verspürt Pelli eine starke Unterstützung seiner eigenen Fraktion, wird er sich aufstellen lassen. Der eigentliche Entscheid dürfte er knapp vor dem 8. September fallen. Dann entscheidet die Bundeshausfraktion der FDP.Die Liberalen.

Die Chance, Bundesrat zu werden, hat jeder Politiker nur einmal

Pellis Taktieren ist clever – und ein Spiel mit dem Feuer. Er setzt seine Fraktion unter Druck: Nominiert sie ihn nicht, käme das einem Desavouieren des Parteipräsidenten gleich. Hebt sie ihn auf den Schild, verliert Pelli seine Glaubwürdigkeit: Vor zwei Jahren sagte er nämlich öffentlich, dass er seine Ambitionen auf einen Bundesratssitz begraben habe. Seine Partei müsse verjüngt werden.

Nun, heute sieht die Situation anders aus. Die Chance, Bundesrat zu werden, hat jeder Schweizer Spitzenpolitiker in der Regel nur einmal. Pelli (58) hat sie jetzt. Und deshalb gilt nicht mehr, was er früher sagte. (Pelli war 2003 offizieller Bundesratskandidat. Damals schlug seine Fraktion der vereinigten Bundesversammlung allerdings Christine Beerli und Hans-Rudolf Merz vor.)

Es kann am 16. September auf ein Duell Fulvio Pelli gegen Ständerat Urs Schwaller (FR), den Kronfavoriten der CVP, hinauslaufen. Dann besitzt Pelli womöglich die schlechteren Karten. Die Romands könnten den Deutschfreiburger Schwaller, der perfekt bilingue ist, eher unterstützen als den Tessiner Pelli. Dieser geht noch weniger als Romand durch als Schwaller.

Tritt dieses Szenario ein, kann Pelli zu einer tragischen Figur des Freisinns werden: Er hat Schwaller kurz nach der Rücktrittsankündigung von Bundesrat Pascal Couchepin mit seiner Sprachen-Attacke schwer verwundet. Wenn Pelli nun aber Schwallers Gegenspieler werden sollte, baut er diesen wieder auf.

Nebenbei: Pelli könnte den zweiten Sitz der FDP ohne grössere Probleme retten. Indem er nicht antritt und den beiden chancenreichen Kandidaten aus der Romandie, Didier Burkhalter (NE) und Pascal Broulis (VD), den Vorrang lässt. Damit wäre der erste Schritt für die längst verlangte – und nötige – Verjüngung der FDP gemacht. Das zahlte sich aus – 2011 sind eidgenössische Wahlen. Für die FDP, die sieben Mal nacheinander stets Wählerverluste einfuhr, steht viel auf dem Spiel.

Mark Balsiger

Foto Fulvio Pelli: keystone

2 Replies to “Fulvio Pelli spielt mit dem Feuer”

  1. Gut, dass es die NZZ gibt. In einen für das Renommierblatt ungewöhnlich deutlichen Titel (Schluss mit Eiertanz) und 2000 Anschlägen schafft es Martin Senti, die Sache auf den Punkt zu bringen.

    Fulvio Pelli ist Kandidat, basta.

    Dass er bzw. die Tessiner FDP sich ein Sonderzüglein erlauben, ist auf aus der Sicht des Strategen und Bundesratskandidaten Pelli richtig. Für die restliche FDP, und auf die käme es eigentlich an, ist es ein Problem. Was, wenn die Neuenburger Sektion mit ihrem klaren Kandidaten Didier Burkhalter ebenso vorgegangen wäre?

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