Gibt im Sog von Moritz Leuenberger auch Hans-Rudolf Merz seinen Rücktritt?
Publiziert am 10. Juli 2010Dass die SVP Moritz Leuenbergers Sitz angreifen wird, war schon vor dessen Rücktrittsankündigung sonnenklar. Als Sprengkandidat steht Fraktionschef Caspar Baader (BL; Foto) im Vordergrund, ein Mitglied des innersten Machtzirkels der Volkspartei. Frühere SVP-Sprengkandidaturen gegen die SP scheiterten chancenlos: Christoph Blocher 1999, Toni Bortoluzzi 2002.
Die Konstellation präsentiert sich bei einer Einervakanz ähnlich wie vor zwei Jahren, als ich bereits einmal über einen Rücktritt Leuenbergers spekulierte: Die SP dürfte am 8. Dezember ihre zweiten Bundesratssitz verteidigen. Die Unterstützung der Grünen ist ihr sicher, seitens der CVP und FDP ist man sich bewusst, dass ein Spiel gegen die Sozialdemokraten im eidgenössischen Wahljahr 2011 elektoral nicht honoriert würde.
Die SVP-Spitze wird die nächsten Monate alles versuchen, bei CVP und FDP den Wechsel zu einer Mitte-Rechts-Regierung zu propagieren. Die Chancen auf ein Gelingen erachte ich als sehr bescheiden. Was hingegen eher infrage kommt, ist ein Doppelrücktritt von Hans-Rudolf Merz (Foto) und Moritz Leuenberger.
Die FDP-Schlüsselfiguren und insbesondere die FDP-Kantonalsektionen machen nun zusätzlich Druck, dass Merz im Sog von Moritz Leuenberger ebenfalls auf Ende Jahr zurücktritt. Auf diese Weise brächte die FDP ihren Wackelsitz mit Sicherheit ins Trockene. SP und FDP würden ihre Kandidaturen gegenseitig unterstützen, der Spielraum für einen SVP-Sprengkandidaten wie Baader wäre sehr klein.
Eine doppelte Neubesetzung der Landesregierung im kommenden Dezember brächte nicht nur frische Gesichter, die seitens von FDP und SP herbeigesehnt werden. Mit zwei neuen, engagierten und (handlungs-)fähigen Bundesräten stiegen die Chancen, dass im Siebnergremium wieder Ruhe einkehrt und dessen Arbeit qualitativ wieder besser wird. Zudem bliebe das grosse Gemetzel bei den Gesamterneuerungswahlen im Dezember 2011 aus.
Nachtrag von Freitag, 9. Juli, 21.30 Uhr:
Mit Leuenbergers Rücktrittsankündigung kann die SP zwar ihren zweiten Sitz im Bundesrat halten. Hingegen dürfte sie das Riesendepartement Uvek (Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation) verlieren. Als Schlüsseldepartement steht es schon lange auf der Wunschliste der bürgerlichen Parteien. Wenn Doris Leuthard (cvp) nicht zugreift, wird es Ueli Maurer (svp) tun. In dieser Hinsicht kommt Leuenbergers Rücktritt zu spät. In der Konstellation vor zwei Jahren hätte die SP das Uvek vermutlich behalten können.
>>> Es handelt sich hier um die dritte Publikation des Postings vom Freitag, 9. Juli, 18 Uhr, das aufgrund Spamattacken zweimal entfernt werden musste. <<<
Fotos:
– Caspar Baader: wikipedia.ch
– Hans-Rudolf Merz: EFD
Ein halbes Jahr lang dürfen sich also diverse Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in den Medien als Bundesratskandidaten lancieren und wieder zurückziehen. Zwar betont Leuenberger, dass das keine Taktik sei, doch so ganz glauben mag man das nicht, wenn man sieht, wie hemmungslos die SP beispielweise beim Staatsvertrag taktiert hat. Und ganz ohne Rücksprache mit Cheftaktiker Levrat wird er die Bekanntgabe des Rücktritts ja nicht angesetzt haben.
Allerdings muss man sich auch fragen, ob es der SP nicht auch schaden kann, wenn sich die Diskussion um einen möglichen Nachfolger von Leuenberger dermassen in die Länge zieht. Denn so werden Flügelkämpfe und Differenzen innerhalb der Partei gegen aussen sichtbar.