Grünliberale: Die Bäumles wachsen nicht in den Himmel
Publiziert am 17. April 2007Der Wahlerfolg der Grünliberalen in Zürich ist weiterhin ein zentrales Thema. Nur drei Jahre nach der Parteigründung fast 6 Prozent bzw. 10 Sitze zu erringen ist eine Sensation. Martin Bäumle, der einzige grünliberale Nationalrat, denkt euphorisiert und laut über die Gründung einer schweizerischen Partei nach.
Die erste Frage, die sich aufdrängt: Wie gross ist das Potenzial einer solchen Partei? Gerade in den urbanen Zentren könnte sie selbstbewusst eine Nische besetzen und ungebundene Wähler, aber auch Wechselwähler ansprechen. Menschen, die sich bei der SP nicht mehr zuhause fühlen, weil sie konservativ geworden ist und auf dem Status Quo beharrt. Menschen, die die FDP als heterogene Truppe, die primär für Partikulärinteressen kämpft, wahrnehmen.
Die zweite Frage: Wer würde den Grünliberalen beitreten? In anderen Ländern entstehen binnen weniger Monate neue kraftvolle Parteien. Nicht so in der Schweiz. Zu den grossen Parteien, die seit der Gründung des modernen Bundesstaats das Zepter führen, gesellten sich phasenweise Kleinparteien, die durchaus ein gewisses Gewicht und charismatische Persönlichkeiten in ihren Reihen hatten. Genannt seien hier der Landesring des Migros-Gründers Duttweiler, aber auch die POCH, die Nationale Aktion (James Schwarzenbach) und später die Autopartei. Alle sind sie wieder eingegangen, alle hatten sie Mühe, in der ganzen Schweiz Fuss zu fassen.
Dass die Grünliberalen Potenzial haben, zeigt der Fall Bern exemplarisch. Die Grüne Freie Liste (GFL), die sich Anfang der 1980er-Jahre aus dem Freisinn herauslöste, ist im Stadtparlament die drittstärkste Kraft. Bei den kantonalen Wahlen im Frühling 2006 holte sie im Wahlkreis der Stadt Bern 17,4 Wählerprozente. Damit hat sie sogar die FDP überflügelt. Diese Erfolgsgeschichte wurde ausserhalb der Bundesstadt kaum zur Kenntnis genommen.
Auf kantonaler Ebene fusionierte die GFL unlängst mit dem Grünen Bündnis, das stark gewerkschaftlich geprägt ist. Gemeinsam treten sie als „Grüne Bern“ auf. Und damit schwinden die Chancen für die Zürcher Grünliberalen, im Oktober Kollegen aus der deutschen Schweiz zu erhalten, wie der Schnee am Fusse des Aletschgletschers. Ausserhalb der beiden grössten Kantone Zürich und Bern ist es ungleich schwieriger, einen Sitz zu gewinnen. Im Kanton Aargau beispielsweise braucht es dafür einen Wähleranteil von rund 6 Prozent. Folglich ruhen die Hoffnungen auf der Romandie. In den Kantonen Neuenburg, Waadt und Wallis tritt die Bewegung “Ecologie libérale” mit eigenen Listen an. Wenn sie drei Sitze holen würde, käme das einer Sensation gleich.
Fazit: Der Erfolg der Grünliberalen bleibt vorerst ein Zürcher Phänomen. Im Herbst kann es sich in Zürich wiederholen. Mit demselben Wähleranteil wie am letzten Sonntag würde die Partei zwei Nationalratssitze holen. Verena Diener wiederum könnte in den Ständerat einziehen. Ihre Chancen sind intakt. Für viele Zürcherinnen und Zürcher ist das Duo Felix Gutzwiller und Verena Diener eine valable Option.
National hingegen wachsen für die Grünliberalen die Bäume nicht in den Himmel. Fraktionsstärke (5 Mandate im Nationalrat) zu erreichen wird sehr, sehr schwer werden. Martin Bäumle, der aus der grünen Fraktion ausgetreten ist, musste die letzten drei Jahre erleben, wie hart das Brot als Einzelkämpfer ist – und wie klein der Einfluss. Womit wir bei einer gerade bei den Grünen oft gestellten Frage sind: Was nützen uns die Wahlerfolge, wenn wir die politische Marschrichtung nicht stärker beeinflussen können?
Mark Balsiger
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