Grünliberale Bern: eine unverbrauchte Kraft, aber strategisch noch unbedarft

Publiziert am 04. September 2008

Die parteipolitische Zusammensetzung in der Stadt Bern ist schweizweit ein Unikum. Inzwischen tragen nicht weniger als fünf Parteien das Label “grün”. Eine Auflistung:

Grünes Bündnis (GB): Entstand aus dem Zusammenschluss verschiedener Linksparteien

Grüne Freie Liste (GFL): Ebenfalls eine Fusionspartei, die ihre Wurzeln im Freisinn und dem Jungen Bern hat

Grüne Partei Bern (GPB): Die letzten Jahre stark geprägt vom umtriebigen Daniele Jenni, der im letzten Winter aber verstorben ist. Der einzige Sitz im Stadtparlament erbte Luzius Theiler, der seit 30 Jahren grüne Politik betreibt

Junge Grüne

Grünliberale (glp)

Die Jungen Grünen und die glp wurden erst in diesem Jahr gegründet. Die drei etablierten grünen Parteien (GB, GFL, GPB) wiederum erreichen derzeit zusammen einen Wähleranteil von knapp 24 Prozent. Eine der Fragen ist, ob sich an den kommunalen Wahlen vom 30. November dieser Anteil weiter vergrössern lässt.

Falls nicht wird es eng im grünen Gärtchen. So oder so werden die Grünliberalen von den anderen grünen Parteien argwöhnisch beäugt. Im letzten Frühling wurde ihnen in zum Teil giftigen Leserbriefen abgesprochen, wirklich grün zu sein. Es wird spannend sein, wie sich die verschiedenen grünen Parteien untereinander (rhetorisch) abgrenzen. Ob das überhaupt bis zu den potentiellen Wählerinnen und Wählern durchdringt, ist eine andere Frage.

Heute morgen eröffneten die Grünliberalen offiziell ihren Wahlkampf. Sie verstehen sich “als echte Alternative, als unverbrauchte Kraft, die nicht in einem der beiden grossen Blöcke eingebunden” sei. Eine Spitze gegen links konnten sie sich nicht verkneifen: “Die GFL ist das liberale Deckmäntelchen des RGM-Blocks”, sagte Co-Parteipräsident Michael Köpfli vor den Medien. Die Intention der glp ist klar: Sie möchte auch der FDP das Wasser abgraben.

Die glp tritt mit einer Liste von 40 Kandidierenden für das Stadtparlament an. Das ist für eine neue Partei eine beachtliche Anzahl. Die Kandidierenden werden alle vorkumuliert, d.h. auf der Liste zweimal aufgeführt. Dieses Vorgehen hat in Bern Tradition und wird von praktisch allen Parteien praktiziert.

Kommen die Grünliberalen mit einer eigenen Kandidatur für den Gemeinderat? Diese Frage steht seit einigen Monaten im Raum. Jetzt ist klar: sie verzichten. Man wolle sich zuerst im Parlament etablieren, hiess es vor den Medien. Eine Wahlempfehlung werden sie nicht abgeben, weder für den Gemeinderat noch für das Stadtpräsidium. Mit diesem Entscheid schmälern sich die Chancen für Gemeinderat Stephan Hügli (Die Mitte), der auf eine gemeinsame Liste mit verschiedenen Kleinparteien spekuliert haben dürfte.

Eine Listenverbindung für die Parlamentswahlen kommt für die Grünliberale nicht in Frage. “Die politische Unabhängigkeit ist uns wichtiger als Reststimmen”, betonten sie. Das ist symphatisch und ehrlich, strategisch aber, mit Verlaub, unbedarft. Listenverbindungen sind keine Liebeshochzeiten, sondern lediglich arithmetische Zweckbündnisse. Dank ihnen wird nicht selten ein zusätzlicher Sitz geholt.

Ohne Fraktion (mind. vier Sitze) bleibt die Arbeit im Parlament praktisch bedeutungslos. Vom 30. November an werden die Grünliberalen nicht darum herumkommen, sich mit möglichen Partnern auseinanderzusetzen. In Frage kommen dürften aus heutiger Sicht CVP, EVP und das Forum Die Mitte. Just diese Parteien, mit denen man jetzt im Wahlkampf nicht ins Lotterbett steigen wollte.

4 Replies to “Grünliberale Bern: eine unverbrauchte Kraft, aber strategisch noch unbedarft”

  1. Wir Grünliberalen stehen für eine konsequent nachhaltige Politik. Und zur Nachhaltigkeit gehören nebst der Umwelt halt auch die Finanzen und die Wirtschaft. Schliesslich sollen kommende Generationen nicht mit einem Schuldenberg aufwachsen.

    Deshalb bezeichnete wohl Michael Köpfli die GFL auch als das liberale Deckmäntelchen von RGM. Faktisch stimmt ja die GFL in den meisten Fällen mit Links-Grün.

    Wenn wir aber kritisieren, dass die GFL mit Links-Grün ein Bündnis schmiedet und damit das Blockdenken fördert, können wir nicht selbst an einem Block teilnehmen: Weder mit einer Splitterparte namens “die Mitte”, noch mit anderen Parteien, mit denen wir ja noch gar nicht zusammengearbeitet haben.

    Natürlich ist eine Listenverbindung eine aritmethische Sache, aber unterschätzen Sie nicht die Symbolwirkung einer solchen bei den Wählern. Wir wollen lieber unabhängig bleiben und halt schlimmstenfalls auf einen zusätzlichen Sitz verzichten.

    Wir sind jedenfalls gespannt auf den Wahlkampf und freuen uns auf die inhaltlichen (nicht die strategischen) Auseinandersetzungen! Wer das bessere Argument hat, kann auch ohne Bündnisse leben.

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