“Humor gehört zur Politik. Man sollte auch mal über sich selber lachen können”

Publiziert am 28. Februar 2013

Am nächsten Montag wird Nadine Masshardt als Nationalrätin vereidigt. Erst gerade einmal 28 Jahre jung, ersetzt sie in der SP-Fraktion Ursula Wyss, die im letzten Herbst in die Stadtberner Regierung gewählt wurde. Im Gespräch erzählt Masshardt, wie sie sich auf die Session vorbereitet, weshalb sie den direkten Austausch mit den Leuten für wichtiger als Social Media hält – und was sie gegen Worthülsen hat.

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Nadine Masshardt, Fussball-Goalies klopfen vor einem Spiel jeweils kräftig an beide Torpfosten. Was tun Sie unmittelbar vor Ihren ersten Sessionstag als Nationalrätin?

Nadine Masshardt: Aberglaube ist nicht mein Ding. Deshalb ist nichts dergleichen geplant. Zudem stehe ich praktisch bis vor Sessionsbeginn politisch im Einsatz. Am 3. März stimmt die Bevölkerung im Kanton Bern mit der Initiative „Bern erneuerbar“ und dem Gegenvorschlag des Grossen Rates ja über eine verantwortungsvolle Energiezukunft ab.

Wer ist Ihre Gotte, die Sie in die Gepflogenheiten in Bundesbern einführt?

Ich habe das Glück, dass mit Nationalrätin Evi Allemann eine gute Freundin von mir bereits im Parlament sitzt. Sie hat mich in den letzten Jahren immer wieder unterstützt und aktuell führt sie mich gut in den Alltag als Bundespolitikerin ein. Zudem konnte ich bereits im Januar an der zweitägigen SP-Fraktionsklausur in Zürich teilnehmen – inklusive Rahmenprogramm. Das war sehr sinnvoll, da ich so schon relativ früh mit meinen künftigen Fraktionskolleginnen und -kollegen in Kontakt kam und sie nicht nur politisch, sondern auch persönlich kennenlernte. Ich wurde herzlich empfangen und fühle mich in der Fraktion schon heute gut aufgehoben.

Das eidgenössische Parlament ist ein Haifischbecken. Der Konkurrenzkampf, gerade innerhalb der eigenen Fraktion, ist gross. Wie gehen Sie mit dieser neuen Konstellation um?

Trotz meinen jungen 28 Jahren bin ich nun schon seit mehr als acht Jahren Parlamentsmitglied und mir Konkurrenzsituationen gewohnt. Der Grosse Rat war bisweilen ebenfalls alles andere als ein Kuschelgremium. Mein Motto, mit dem ich bisher stets gut fuhr, lautet sowieso: Nicht mit Argusausgen eifersüchtig auf die Erfolge Anderer schauen, sondern mit Konzentration und Engagement die eigenen Aufgaben und Dossiers zum Erfolg führen.

Neid ist hierzulande weitverbreitet. 2004 wurden Sie in Langenthal auf Anhieb Stadträtin, 2006 bereits Grossrätin, und jetzt sind Sie auf der nationalen Bühne angelangt – gerade einmal 28-jährig. Was machen Sie besser als andere, die diesen Sprung auch in 16 Jahren nicht schaffen?

Eine schwierige Frage, denn es ist überhaupt nicht meine Art, mich selber zu loben. Mein Grundsatz ist: Ich lebe, was ich fordere und fordere, was ich lebe. Ich will authentisch sein und Glaubwürdigkeit ist für mich von zentraler Bedeutung. Wenn mich ein Thema interessiert, arbeite ich seriös, knie mich in Dossiers und versuche dann die komplexen Themen verständlich zu übersetzen und in die Öffentlichkeit zu tragen. Zudem habe ich ein super Wahlteam, auf das ich noch heute zählen kann – junge, engagierte Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich Erfahrungen teilen kann, die mich kritisch begleiten. Denn Politikerin zu sein ist alles andere als ein Ego-Job. Bei all dem gilt natürlich: Politische Karrieren kann man nicht planen und es gehört immer auch ein Quäntchen Glück dazu.

Sie sind nebst Evi Allemann auch mit Ursula Wyss befreundet, also zwei Berner SP-Frauen, die ebenfalls schnell politisch Karriere machten. Im Wahlkampf 2007 traten Sie zu dritt in Inseraten mit „Aller guten Dinge sind 3“ auf. Worin unterscheiden Sie sich?

Wir ticken in politischen Fragen sehr ähnlich. Aber in der Form gibt es sicher Unterschiede. Während Ursula Wyss als Nationalrätin und ganz speziell als Fraktionspräsidentin beispielsweise eher eine Generalistin war, ist Evi Allemann eine klassische Dossierpolitikerin und Spezialistin in einzelnen Themen und ich liege wohl irgendwo dazwischen. Interessant ist auch, dass ich als Einzige von uns drei die gesamte Jugend in einer ländlichen und bürgerlich dominierten Region, dem Oberaargau, verbracht habe. Diese Herkunft, in der ich auch meine ersten politischen Erfahrungen sammelte, prägt.

Wyss, Allemann, Masshardt – wen ziehen Sie als nächste Politikerin nach?

Mir ist die Förderung junger Menschen ein grosses Anliegen. So unterstützte ich im letzten Jahr bei den Stadtratswahlen in Langenthal beispielsweise eine gute Freundin mit Know-How und einer gemeinsamen Postkarte. Martina Moser landete auf dem ersten Ersatzplatz und wird bald nachrücken. Ihr Erfolg freut mich sehr. Weiter setzte ich mich bekanntlich für das aktive Stimmrechtsalter 16 ein – und damit für die Mitbestimmung junger Interessierter. Damals meldete sich beispielsweise eine 14-Jährige bei mir, die sich politisch engagieren wollte. Sie ist seither mein jüngstes Teammitglied und seit diesem Jahr darf sie stimmen und wählen.

Viele nationale Parlamentarierinnen und Parlamentarier setzen auf Social Media. Sie äusserten sich skeptisch gegenüber diesen Plattformen…

Ich habe immer betont, dass man Social Media nicht überschätzen sollte. Und dass ich die klassischen Medien und vor allem die direkte Begegnung und das Gespräch mit der Bevölkerung als viel wichtiger einschätze. Mein Facebook-Profil behalte ich und werde schon bald auch auf Twitter anzutreffen sein. Aber alles hat seine Grenzen: Infos zu meinem Privatleben beispielsweise werde ich auch künftig nicht online ausbreiten. Die Website hingegen erachte ich als sehr wichtig. Dort sollen sich Interessierte möglichst aktuell, schnell und zielgerichtet informieren und Hintergründe beschaffen können. Diesem Anspruch will ich künftig noch stärker Rechnung tragen.

Wie es scheint, hat die Politik ein Glaubwürdigkeitsproblem. Deckt sich das mit Ihren Wahrnehmungen? Falls ja, wie geben Sie persönlich Gegensteuer?

Wenn man den Umfragen Glauben schenkt, ist dies tatsächlich so. Persönlich hatte ich jedoch noch keine negativen Erlebnisse. Auch hier zählt: Authentizität und Transparenz. Als Mitglied des bernischen Kantonsparlamentes reichte ich beispielsweise verschiedene Vorstösse ein, die mehr Transparenz in der Politik forderten, beispielsweise bei der Parteienfinanzierung oder bei Nebeneinkünften aus Mandaten. Leider wurden meine Anliegen von der bürgerlichen Mehrheit allesamt abgelehnt. Weiter stören mich in Wahlkämpfen die vielen Worthülsen und Versprechungen, die oft nicht eingehalten werden können. Viel berechenbarer scheinen mir das bisherige Engagement in Parlamenten und in ehrenamtlichen Funktionen der Kandidierenden. Humor gehört zur Politik. Man sollte auch mal über sich selber lachen können, eine gewisse Selbstironie zeigen. Aber zugegeben, das fällt auch mir nicht immer gleich leicht.

Interview: Mark Balsiger

 

Foto Nadine Masshardt: nadinemasshardt.ch

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