Internetruinen allüberall
Publiziert am 24. April 2010Herr C ist jung, dynamisch – und ambitioniert. Er will auf die grosse politische Bühne. Seine Website ist professionell gestaltet. Unglücklich ist, dass er sie vermutlich seit mehr als zweieinhalb Jahren selber nicht mehr angeklickt hat. Auf seiner Website steht nämlich in fetten Lettern:
“Wählen Sie mich am 21. Oktober 2007 in den Nationalrat.”
Der Fall von Herrn C ist exemplarisch, was viele Politiker in der Schweiz mit ihren Websites tun – oder eben nicht tun. Dasselbe gilt für die Web2.0-Kanäle.
Im Vorfeld der Wahlen im Kanton Bern und in der Stadt Zürich wurden im letzten Winter Hunderte von Facebook-Fangruppen lanciert und Twitter-Accounts eröffnet. Seit dem Wahltermin ist Stille allüberall eingekehrt, die Onlineprofile dämmern vor sich hin. Nur ein ehemaliger Kandidat stellt sich in seinem Blog ähnliche Fragen wie ich.
Wer die Möglichkeiten im Netz stiefmütterlich behandelt, kommt nicht vom Fleck. Wer sich im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen 2011 eine glaubwürdige Online-Präsenz aufbauen möchte, sollte jetzt damit beginnen. Mit “jetzt” meine ich jetzt.
Herr C. ist ein guter Netzwerker. Er ist in mehreren Vereinen und Organisationen aktiv dabei, zum Teil im Vorstand. Er fehlt an keinem Fest.
Herr C. ist beruflich erfolgreich und immer mal wieder in den regionalen Medien präsent. Er kennt daher viele Medienschaffende persönlich. Mit Journalist Z. spielte er zudem als Jugendlicher erfolgreich im gleichen Fussballteam und mit Journalist Y. zusammen absolvierte er 3 WKs in der Abgeschiedenheit der Schweizer Berge.
Herr C. ist Mitglied einer grossen, landesweiten Partei mit hohem Wähleranteil. Herr C. verkörpert wie kein Zweiter das Parteiprogramm seiner Partei. Selbstverständlich kann er es auswendig und zitiert es daher gern sowie äusserst korrekt.
Herr C. schätzt seinen Parteipräsidenten und dessen Ratschläge ausserordentlich. Er hält sich penibel an die Vorgaben des Parteisekretärs. Er besucht jeden angebotenen Lehrgang seiner Partei mit Freude und Elan; ist offen. Darum sind seine Leserbriefe der Traum eines jeden Redaktors.
Seine Garderobe ging er mit einer Stil-Beraterin durch. Alle seine Krawatten sind nun richtig gestreift; nur zum Tennis spielen trägt er noch weisse Socken. Selbst das komplizierteste Thema fasst C. locker und flockig in einem 30-Sekunden-Statement prägnant und verständlich zusammen.
Herr C. sieht verdammt gut aus.
Was kümmert da Herrn C. seine Website-Ruine?
Nur einer !? … und http://twitter.com/beatgubser ?!
Es ist nicht nur einer. Es hat ein paar wenige.
Aber gerade bei den Facebook-Fanpages sieht es anteilsmässig recht schlimm aus!
Pardon, ich machte Urlaub und publizierte die letzten beiden Postings, die vorgeschrieben waren, aus der Ferne. Für mehr reichte es nicht. Ferien sind Ferien und bei mir vorzugsweise offline.
@ JC
Ob Sie bei Ihrer Schilderung den Kandidaten C. jemanden aus dem realen Leben meinten? Ich bleibe bei meiner Kritik: eine Internetruine kann sich niemand leisten.
@ Adrian
Natürlich twittern einige Politiker auch nach den Wahlen weiter, so wie beispielsweise Beat Gubser. Bei meiner Kritik gehts um das Ganze.
@ Daniel Wyss
Du hast Recht – gleich doppelt. Die Facebook-Fangruppen werden auch noch in ein paar Jahren online sein.