“Journalisten suchen heute stark nach dem Aussergewöhnlichen und Spektakulären”

Publiziert am 23. Dezember 2008

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Zwölf Jahre lang war Christian Weber* im Nervenzentrum der eidgenössischen Politik tätig. Zuerst als Bundeshausjournalist, die letzten sechs Jahre als Pressesprecher der FDP Schweiz. Im Interview äussert sich Weber über seinen Rollenwechsel, die Medien, die früher eine Art Hofberichterstattung pflegten, heute aber stark das Spektakuläre suchten. Weber spricht aber auch über die FDP, deren Heterogenität von den Medien genüsslich zelebriert werde.

Christian Weber, bereuen Sie es, dass Sie beim Wahlkrimi nicht mit von der Partie waren? Parlamentarier betonen ja oft, dass Bundesratswahlen etwas vom Spannendsten seien.

Christian Weber: Bundesratswahlen sind spektakulär, wirklich spannend ist aber die tägliche politische Arbeit, der Prozess, wie Allianzen geschmiedet werden und Lösungen zum Durchbruch verholfen wird. Das hat mich an der Politik immer am meisten interessiert. Das Gedränge in der Wandelhalle anlässlich von Bundesratswahlen ist ausserdem nicht besonders angenehm. Das Bild von der Menschenmenge, welche man anlässlich der TV-Übertragung sieht, täuscht. In Tat und Wahrheit ist es noch viel schlimmer!

Sie waren zuerst als Journalist im Bundeshaus tätig, danach haben Sie die Seite gewechselt. Wie beurteilen Sie die Arbeit Ihrer ehemaligen Zunft?

Christian Weber: Die Gratwanderung ist für Journalisten nicht einfach. Auf der einen Seite gibt es viele wichtige, aber wenig spektakuläre Informationen, die vermittelt werden sollten. Andererseits ist es interessant (und auch lukrativ), nach Primeurs zu recherchieren. Während das Gewicht früher zu stark auf ‚Hofberichterstattung’ gelegt wurde, wird nun meines Erachtens zu sehr nach dem Aussergewöhnlichen und Spektakulären gesucht. Dabei bleiben wichtige Informationen auf der Strecke und die Realität wird verzerrt dargestellt.

Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?

Christian Weber: Durch die elektronischen Medien und insbesondere durch die Privatfernsehsender hat die politische Berichterstattung an Geschwindigkeit zugenommen. Aufgrund der permanenten Verfügbarkeit von Informationen im Internet wurde dieser Trend noch verstärkt. Die Spirale begann sich – nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen – zu drehen: Kürzere Meldungen, spektakulärere Informationen, die Suche nach Aussergewöhnlichem und Exklusivem.

Dies hat zur Folge, dass eine Exklusivmeldung mit relativ geringer Relevanz auf der Frontseite erscheint, die wichtige, aber wenig spektakuläre Information in einer Randspalte. Natürlich ist dies nicht nur die ’Schuld’ der Medien, denn alle Akteure spielen dieses Spiel mit. Die Gefahr ist aber gross, dass dabei die Relevanz auf der Strecke bleibt.

Die Journalisten haben im neuen Bundesmedienhaus bessere Arbeitsbedingungen erhalten. Gleichzeitig verschlechtert sich ihre Situation, weil die Redaktionen aus Spargründen weiter schleichend ausgedünnt werden. Wir die Berichterstattung aus dem Bundeshaus deswegen je länger je mehr zufällig und ungenau?

Christian Weber: Die Berichterstattung wird durch den Kostendruck nicht zufällig, im Gegenteil. Es wird noch mehr versucht, Spektakel und Exklusivität zu bieten und damit das Produkt für die Kunden attraktiv zu machen – mit den bereits erwähnten Folgen. Das zu beklagen wäre aber falsch, denn es ist schlicht die Medienrealität. Eine Herausforderung stellt dies insbesondere für die Medienkonsumenten dar. Sie müssen neue Medienkompetenzen entwickeln, um Informationen gewichten und einordnen zu können.

Wer als Journalist die Seite wechselt, wird in der Regel von der eigenen Zunft schief angeguckt. Wie erlebten Sie das?

Christian Weber: Das war für mich absolut kein Problem. Ich wurde von meinen ehemaligen Kollegen nie schief angeguckt. Nicht zuletzt deshalb, weil ich sie nicht als ‚ehemalige’ Kollegen angesehen habe, sondern einfach als Kollegen. Dass ich nie Probleme hatte, hängt vielleicht auch mit der Interpretation meiner Rolle als Pressechef zusammen. Ich sah mich immer auch als Bindeglied zwischen Journalisten und der Organisation, also der FDP. Für mich waren Journalisten gewissermassen Kunden, denen ich eine optimale Leistung anbieten wollte.

Wie gingen Sie vor, wenn Sie als Pressesprecher in den Medien falsch zitiert wurden?

Christian Weber: Das Beste ist immer der direkte Kontakt. Solche Dinge diskutiert man mit Vorteil ganz offen aus. Wobei falsche Zitate sehr selten ein Problem waren. Öfter waren es Interpretationen, die zu weit oder in eine falsche Richtung gingen.

Die FDP steckt seit Jahren medial Prügel ein. Berechtigt?

Christian Weber: Alle Parteien werden von den Medien kritisiert und das ist auch richtig so. Wie die Kritik letztlich wirkt, hängt in grossem Masse vom Erfolg der Partei ab. Hat man Erfolg, lässt sich Kritik leicht wegstecken, im gegenteiligen Fall ist das immer etwas schwieriger.

Das Leben selber schwer machte sich die FDP dadurch, dass sich immer wieder Exponenten mit abweichenden Meinungen in den Medien zu Wort meldeten. Dadurch wurde das Bild einer heterogenen, zerstrittenen Partei vermittelt – und von den Medien genüsslich zelebriert. Dieses Bild entspricht aber eigentlich nicht der Realität. Die FDP ist viel geschlossener als dies gemeinhin den Anschein hat und sie hat viel klarere und stabilere Positionen als dies viele wahrhaben wollen.

Weil die Differenz und der Zwist aber Themen sind, welche medial interessant sind, suchen die Medien immer wieder nach abweichenden Meinungen – und finden diese auch. Dadurch dass diese Personen in der Medienberichterstattung aufgenommen werden, erhalten sie ein überproportionales Gewicht. Auch mit nur einer Gegenstimme, kann das Klischee der zerstrittenen FDP aufgezeigt werden. Das Bild ist plausibel, auch wenn es falsch ist.

Interview: Mark Balsiger
Foto: fdp.ch

* Christian Weber ist promovierter Medienpsychologe und jetzt als Head of Communication für Swisscom Directories tätig.

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