Kandidatenkür von CVP und FDP: Das Ziel ist identisch, die Strategie komplett anders
Publiziert am 15. Juli 2009Bei der Nachfolgeregelung von Bundesrat Pascal Couchepin duellieren sich CVP und FDP. Die Freisinnigen verweisen auf den höheren Wähleranteil. Sie erreichten bei den Nationalratswahlen 2007 15,8 Prozent. Zusammen mit den Liberalen (2007: 1,9 Prozent), mit denen sie in diesem Jahr auf nationaler Ebene fusionierten, kommen sie auf 17,7 Prozent. Die CVP im Vergleich holte bei den Nationalratswahlen 2007 14,5 Prozent.
Die CVP streicht heraus, dass ihre Bundeshausfraktion grösser ist. Auch das stimmt. Zusammen mit den Grünliberalen (4 Sitze) und der EVP (2 Sitze) zählt die CVP/glp/EVP-Fraktion 52 Sitze. Demgegenüber kommen FDP.Die Liberalen auf 47 Sitze. Soviel zu den Zahlen.
Das Schaulaufen entspricht dem Courant normal
Um den Sitz des Parteikollegen Couchepin zu retten, setzen die Freisinnigen auf das sogenannte Schaulaufen. Das entspricht dem Courant normal, der von den Parteien seit Jahrzehnten praktiziert wird. Will heissen: Die Partei lanciert möglichst viele potenzielle, aber auch chancenlose Bewerber. So generiert sie Öffentlichkeit und kann aufzeigen, dass sie ein beträchtliches Reservoir an guten Politisierenden sie in ihren eigenen Reihen hat. Dass sich auf diese Weise jemand schnell schweizweit bekannt machen kann, ist klar. Das ist ein Sprungbrett, das nebst dem Bundesrat auch für andere Schlüsselämter dienen kann.
Christian Lüscher (Foto) ist ein Paradebeispiel dafür. Er wurde erst 2007 in den Nationalrat gewählt, hat als Genfer und als Liberaler jedoch bestenfalls marginale Chancen, Couchepin zu beerben. Das weiss er natürlich auch, packt die Chance aber, sich einem nationalen Publikum bekannt zu machen. Es gibt keine bessere Gelegenheit dafür als Bundesratswahlen bzw. die Phasen und ihre Eruptionen im Vorfeld.
Die CVP will nur Kandidaten, die auch eine Wahlchance haben
Die CVP-Spitze entschied sich für eine andere Strategie. Sie verzichtet auf das Schaulaufen, das sie unlängst als “Jekami” bezeichnete. Sie will nur Kandidaten, die auch eine Wahlchance haben, in die entscheidene parteiinterne Selektion vorlassen. Nach eigenen Aussagen wird der Luzerner Ständerat Konrad Graber, der den Wahlausschuss leitet, die Chancen der möglichen Kandidaten bei den anderen Parteien ausloten. Am 31. August, drei Wochen später als die FDP, will die CVP erste Entscheide fällen. Dann läuft der Anmeldeschluss ab, am 8. September will die Fraktion ihre Nomination vornehmen.
Ich erachte das Vorgehen der CVP als heikel. Aus drei Gründen:
1. Welchen Stellenwert haben Sondierungsgespräche, die Ständerat Graber in den nächsten Wochen anstrebt? Sie sind nicht im Ansatz verbindlich. Dazu kommt, dass nie so viel taktiert und gelogen wird wie vor Wahlen.
2. Das Feld während des langen Sommers weitgehend dem Klassenfeind FDP zu überlassen, gereicht der Christlichdemokraten nicht zum Vorteil. Sie verpassen die Möglichkeit, in einigen Kantonen ihre ambitioniertesten Mitglieder bekannter zu machen.
3. Die Chancen, dass die CVP Ende August den Super-Kandidaten aus dem Hut zaubert, werden nicht grösser. Der Wahlausschuss setzt sich selbst unter Druck.
Die CVP hätte einen Super-Kandidaten: den Fribourger Ständerat Urs Schwaller. Bloss haftet an ihm der Makel, kein echter Romand zu sein bzw. nicht französisch zu träumen. Solange er nicht klar Farbe bekennt, halten sich alle anderen möglichen Kandidaten zurück. Das ist die Crux der CVP.
Mark Balsiger
Foto Christian Lüscher: 20min.ch