Kantonsratswahlen Zürich: Gerade für die grossen Parteien gilt: Verlieren verboten
Publiziert am 01. April 2011Die kantonalen Wahlen in Zürich haben seit vielen Jahren eine zentrale Bedeutung im eidgenössischen Wahljahr. Aus drei Gründen:
1. Das demografische Gewicht: Jeder sechste Mensch in diesem Land lebt im Kanton Zürich
2. Das letzte grosse Fieber- und Kräftemessen: Die Zürcher Wahlen finden jeweils rund sechs Monate vor den eidgenössischen Wahlen statt; nebst Luzern und Tessin (beide am 10. April) folgen keine weiteren kantonalen Wahlen mehr
3. Die geballte Medienmacht: Zürich ist die Medienhauptstadt der Schweiz, was sich auch in einer überproportionalen Beachtung der Zürcher Wahlen niederschlägt
Nicht weniger als 1720 Kandidierende stehen im Kanton Zürich zur Auswahl (zum Vergleich: 2007 waren es 1641). Heruntergebrochen bedeutet das: Für jeden einzelnen Sitz im Kantonsrat kämpfen zehn Personen. Bei den Listen hat die Einführung des Doppelten Pukelsheim vor vier Jahren zu einer massiven Reduktion geführt: Dieses Mal sind es noch 11 Listen. Bei früheren Wahlen wurden in der Regel jeweils mindestens doppelt so viele Listen eingereicht, 2003 sogar sage und schreibe 47.
Mit Blick auf den Wahlsonntag stellen sich einige Fragen. Zum Beispiel:
– Gibt es einen Japan- bzw. Fukushima-Effekt?
– Falls Ja, wem nützt er am meisten?
– Schafft die BDP, die erstmals antritt, den Sprung in den Kantonsrat?
– Kann die SVP nach der Stagnation vor vier Jahren wieder zulegen?
– Steigt die GLP, die vor vier Jahren aus dem Stand 5,8% erreichte, zur fünft- oder sogar vierstärksten Kraft auf?
Um einen Überblick zu gewinnen hier die Resultate von 2007 in Prozentpunkten und Sitzen:
Es gibt eine Korrelation zwischen den Resultaten der eidgenössischen Wahlen und den Resultaten der kantonalen Wahlen, die zuvor stattgefunden haben.
Auf Grund der enormen medialen Beachtung der Zürcher Wahlen ist es für alle Parteien wichtig, keinesfalls Wähleranteile einzubüssen. Der Effekt ist stets derselbe: Wer am Sonntag verliert, wird zum Verlierer gestempelt, was die Motivation der Kandidierenden und Helfer dämpft.
Gerade für die drei grossen Parteien Zürichs, SVP, SP und FDP, ist verlieren verboten. Sie sind in allen anderen Kantonen präsent, im Falle der FDP und SP auch überall seit vielen Jahrzehnten verankert. Dreht sich die Negativspirale, die die Medien anwerfen, erst einmal, kann sie bis am 23. Oktober kaum mehr gestoppt werden.
Wer hingegen in Zürich gewinnt, wird von den Massenmedien zum Sieg bei den eidgenössischen Wahlen geschrieben.
Mark Balsiger
– Foto: keystone
– Grafik: Thomas Hodel
Ich wage eine Prognose:
– Die SP wird halten, ev. leicht verlieren. (19%)
– Die SVP stagniert (30%)
– Die FDP verliert massiv (12%)
– Die CVP verliert weniger stark als die FDP (6%)
– Die Grünen legen zu (11.5%)
– Die Grünliberalen legen ebenfalls zu (8%)
Meine Begründung:
Ich glaube, “Japan” hilft der GLP und etwas weniger stark den Grünen.
Begründen würde ich dies mittels Issue-Ownership-Ansatz (z.B. http://www.jstor.org/pss/2111797). Die Themenführerschaft lässt sich durch die Parteien nur schwer beeinflussen (langfristiger Prozess). Kurzfristig verändert sich aber die Salienz einzelner Themen (kurzfristige, beeinflussbare Variable).
Deswegen werden jene Parteien profitieren, welche schon vor dem Unglück in Japan als “Umweltparteien” wahrgenommen wurden. Versuche der FDP, der CVP, oder der SP die Themenführerschaft über die Umweltdebatte zu erlangen bleiben ohne Erfolg. Gelingt es ihnen die Salienz des Umweltthemas zu minimieren und die anderer Themen (etwa dem Ausländerthema) zu erhöhen, werden sie sich bis zu den Wahlen im Herbst etwas erholen können.
Ich erlaube mir auch eine Prognose zu machen:
– SVP 27 % (-3)
– SP 22 % (+2)
– GLP 13 % (+7)
– FDP 12 % (-4)
– Grüne 11 % (+1)
Rest bei der CVP. EVP, AL, EDU, SD verpassen die 5 %.
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