Label-Parteien sind en vogue

Publiziert am 05. Mai 2011

Wählt Felix Muster Partei A, weil das sein Vater und Grossvater schon so hielten? Wechselt er zu Partei B, weil diese Themen bewirtschaftet, die Herr Muster als vordringlich erachtet? Entscheidet er sich für Partei C, deren Kampagne ihn am besten anspricht? Kommt Partei D zum Zug, weil sie den besten Bundesrat in ihren Reihen hat? Entscheidet sich Herr Muster für Partei E, weil er lieber zu den Siegern zählt? Oder Partei F, affektiv? Oder Partei G, weil er den Erfolglosen helfen möchte?

Die Wählerforschung ist in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich gut vorangekommen. Dabei ist beispielsweise das sozial-psychologische Modell meines Erachtens so einfach wie überzeugend:


Das sozial-pschologische Modell als PDF-Dokument

Beim Bestreben, den Wahlerfolg eines einzelnen Kandidaten erklären zu können, erarbeitete ich 2006 die Basis für das 26-Erfolgsfaktoren-Modell. Dieses kann für Parteien allerdings nicht angewendet werden. Aus diesem Grund ergänze ich das sozial-psychologische Modell, das im Jahr 1981 entwickelt wurde, nun mit zwei neuen Elementen. Demnach fällt die Wahlentscheidung nicht nur wegen der Parteiidentifikation, Themen oder Kandidaten, sondern auch wegen Werten und dem Label.

Dieses neue Modell, das ich vor einem Jahr einmal zu entwickeln begann, die Fertigstellung aber immer wieder hinausschob, nennen wir vorläufig Post-Parteiidentifikations-Modell.

Das Post-Parteiidentifikations-Modell als PDF-Dokument zum Herunterladen.

GLP und BDP sind typische Label-Parteien und derzeit en vogue. Sie entstanden aus Abspaltungen von den Grünen (2004) bzw. der SVP (2008). Sie wirken frisch und unverbraucht, und sie ziehen auch Parteiunabhängige und sogar bislang Politikabstinente an. Ob diese Magnetwirkung anhält, ist offen. Zur Kategorie der Label-Parteien zählt auch die SVP. Sie schafft es mit einem Mix aus raffiniertem Marketing, Provokationen, Geld, Medienpräsenz und populären Schlüsselfiguren als Partei mit klaren Botschaften und Positionen wahrgenommen zu werden. Image hat eine zentrale Bedeutung für alle drei Parteien.

Die SVP gehört zugleich auch zu den Themen-Parteien – zusammen mit den Grünen (Umwelt) und der SP (Sozialpolitik). Stehen Umweltthemen weit vorne auf der politischen Agenda, profitieren die Grünen elektoral, sind soziale Fragen im Brennpunkt, kann die SP zulegen. Bei SP und Grünen lässt sich seit jeher ein Auf und Ab in der Wählergunst beobachten.

Die historischen Parteien CVP und FDP, die seit 1983 kontinuierlich Wähleranteile verlieren, sind Köpfe-Parteien. Sie verfügen gerade in den Kantonen und Gemeinden über viele fähige und bekannte Mandatsträger. In der öffentlichen Wahrnehmung schaffen es die beiden Parteien aber nicht mehr, ihre Themen erfolgreich zu präsentieren und dauerhaft im Gespräch zu halten.

CVP und EVP sind Werte-Parteien, die sich stark an der christlichen Ethik orientieren.

Das wäre mal eine Auslegeordnung, jetzt bin ich gespannt auf Ihre Kritik und Ergänzungen.

Mark Balsiger

Grafik: Thomas Hodel


2 Replies to “Label-Parteien sind en vogue”

  1. Ich verstehe, dass du das sozialpsychologische Modell für unvollständig hält – und versucht bist, die Erklärungsansätze zu erweitern. Ich denke aber, die Wahlforschung geht heute in zwei andere Richtungen, die mir plausibler erscheinen:

    1. Es mag gut sein, dass nicht jede Erklärung zu jedem Zeitpunkt des Wahlkampfes gleich gut funktioniert. Die Amis, die das von dir verwendete Modell erfunden haben, differenzieren schon länger: Personen sind auf dem Höhepunkt von Wahlkämpfen entscheidend, weil sie vereinfacht Identifikation erleichtern. Themen spielen dafür eine Rolle, im Sinne der Zustimmung, oder der Ablehnung von Positionen der eigenen oder der fremden Parteien. Werte wiederum müssen grundlegend und in der Frühphase des Auftritts angesprochen werden, weil nur sie die Einordnung von (neuen) Parteien erlauben.

    Schau dir mal diese Ueberlegungen, denn auch du zögerst, etwa bei svp, ob sie mehr Marken-Pflege oder Themenarbeit betreiben.
    Die zweite Erweiterung setzt auf einer ganz anderen Ebene an. Sie fragt, wie sich das alles in der Mediengesellschaft ändert. Es geht darum, wie sich Themen und Personen medialisiert werden, und wie sich die Politik dadurch ändert. Das sollte dir eigentlich liegen …

    Konkret: Superpolitiker ersetzen den Gemeinderat und die Nationalratskandidatin, weil sich die Meinungen an den nationalen medialisierten PolitikerInnen bilden, oder Themen versagen bei der Entscheidfindung, weil Mediendebatte zu politischen Fragen im Wahlkampf statisch werden, da man Themen bewirtschaftet und Positionen bezieht, anstatt sich mit dem Gegner auseinander zu setzen.

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