Einbürgerungs-Initiative: Leere Abstimmungskassen – wenig Engagement

Publiziert am 15. Mai 2008

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Inzwischen haben hierzulande alle das Abstimmungsmaterial für den 1. Juni erhalten. Die Einbürgerungs-Initiative steht dabei klar im Zentrum des Interesses. Allein: den Gegnern fehlt es an Geld für eine sichtbare Kampagne. Der vorläufige Höhepunkt im Abstimmungskampf dürfte die morgige “Arena” sein, in der Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf auf ihren Vorgänger trifft.

Leere Abstimmungskassen sind das eine. Auffällig ist, dass der Kampf gegen diese Initiative verhalten geführt wird. Der Besuch bei verschiedenen Websites brachte eine gewisse Ernüchterung:

– eine Partei verspricht eine “Pressemappe” zum Thema. Beim Klick darauf öffnet sich ein Dialogfenster mit einem Log-in. Keine Spur von PDF-Dokumenten zum Öffnen und Herunterladen.

– eine andere Partei bietet unter “Download” eine Musterpräsentation an. Bloss: Das Öffnen ist mit der gängigen Software nicht möglich.

– eine Non-Profit-Organisation hat Kampagnenmaterial wie Kleinplakate und A6-Postkarten kreiert. Schon seit Tagen heisst es allerdings im Bestellformular:

“PostkartenMomentan aufgebraucht.”

Man darf sich am Kopf kratzen. Der Nachdruck von 5000 Postkarten kostete approx. 800 Franken und ginge in 48 Stunden über die Bühne. Ist es ratsam, drei Wochen vor dem Abstimmungstermin schon “ausgeschossen!” zu vermelden?

Das sind Momentaufnahmen, Details – aber sie lassen Zweifel am Engagement und Punch aufkommen. Schade. Auf der Seite der Befürworter passieren solche Fehler nicht.

Zur Erinnerung: Laut der letzten Umfrage von gfs.bern ist der Ausgang dieser Abstimmung offen (48 Prozent Ja, 37 Prozent Nein). Die Resultate der zweiten und letzten Umfrage werden Mitte nächster Woche veröffentlicht.

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Nachtrag vom 16.05.2008, 13.00 Uhr:

Selten war eine Initiative derart leicht zu zerpflücken wie diese. Ich verlasse mit diesem Posting die neutrale Position, die ich in meinem Blog normalerweise pflege. Aus meiner Sicht die wichtigsten Argumente für ein Nein:

Mein Nachbar, nennen wir ihn Anton Brunner, möchte einen Ziegenstall bauen. Ich reiche gegen sein Baugesuch eine Einsprache ein. Als Begründung erwähnte ich den Schattenwurf des Stalls, der üble Geruch des Geissbocks und das allgemeine Gemecker. Die Behörde ist verpflichtet, sich meiner Einsprache anzunehmen und eine Ablehnung zu begründen. Wird sie abgewiesen, kann ich meine Einsprache an die nächste Instanz weiterziehen.

Bei einem Ja zur Einbürgerungs-Initiative wird Ausländern, deren Einbürgerungsgesuch abgelehnt wurde, die Rekursmöglichkeit entzogen. Mehr noch: Sie haben nicht einmal Anspruch auf eine Begründung. Das erinnert an eine Bananenrepublik ohne rechtsstaatliche Tradition, nicht an die Schweiz, die bislang gut gefahren ist mir ihrer Gewaltentrennung.

Bei einem Ja zur Einbürgerungs-Initiative würden nicht weniger Ausländer als bisher eingebürgert. Ein Ja hätte zur Folge, dass jede Gemeinde selber entscheiden darf, welche Gremium für Einbürgerungen zuständig ist. In Hinterfultigen wäre es beispielsweise die Gemeindeversammlung. In Vorderfultigen die Bürgerrechtskommission und in Unterfultigen die Exekutive. Das mehrstufige Prozedere ist bei Spezialisten, die sich regelmässig mit dieser Thematik auseinandersetzen, in den richtigen Händen.

Ich habe den Verdacht, dass es den Initianten bei dieser Abstimmungsvorlage vor allem um Publizität und das Schüren altbekannter Ängste geht. Ängste, die seit James Schwarzenbach und seiner Überfremdungs-Initiative vor bald 40 Jahren latent und diffus herumspuken. Die Einbürgerungs-Initiative taugt nichts, um die Immigration neu zu regeln. Das geschieht einerseits mit den bilateralen Verträgen, andererseits mit dem Ausländergesetz. Zudem: Nur etwa 120 von fast 3000 Schweizer Gemeinden hatten bis im Jahr 2003 die Einbürgerungen jeweils an der Urne bzw. an Gemeindeversammlungen vorgenommen. (Damals schritt das Bundesgericht nach dem berühmten Fall Emmen, der schweizweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, ein.)

Sujets:

www.sosf.ch
www.willkuer-nein.ch (FDP Schweiz)

9 Replies to “Einbürgerungs-Initiative: Leere Abstimmungskassen – wenig Engagement”

  1. Es wird dringend Zeit, dass die Parteienfinanzierung ebenso wie die Finanzierung solcher Abstimmungskampagnen transparent gemacht wird. Wie kann es sein, dass nicht bekannt ist, wer finanziell hinter den Parteien und Kampagnen steht?

  2. Dass das genannte Verhalten der Abstimmungsgegner absolut unprofessionell ist, muss eigentlich nicht erst gesagt werden.

  3. Liebe Welt

    Ich bin ein bekennender Gegner dieser unsäglichen Initiative, dennoch oder gerade deshalb ist auch mir aufgefallen, dass es in der Öffentlichkeit (Plakate, Inserate…) kaum Gegner gibt. Es darf nicht wahr sein, dass die Gegner in sage und schreibe VIER Komitees aufgesplittert sind. Man dürfte wohl annehmen, dass vier überparteiliche Komitees gegen eine Einmann-Partei durchaus wahrnehmbar auftreten könnten, aber weit gefehlt.

    Die Bürgerlichen sind zwar gegen die SVP, sie trauen sich aber auch nicht mit der SP zusammenzuarbeiten, die SP weiss nicht ob es gut ist immer gegen die SVP zu sein und die Grünliberalen wissen nicht in welches Bett sie steigen sollen und nehmen daher mit dem Schlafsack vorlieb. So kommt es, dass zwei Wochen vor der Abstimmung alle auf einen „deus ex machina“ warten, der sich die Mühe nimmt, die wahrlich besseren Argumente mal in die Öffentlichkeit zu tragen. Wer weiss, vielleicht wird heute Abend die SVP-Bundesrätin zur Retterin der Nation und sagt endlich, dass der Rechtsstaat in der Schweiz weiterhin einen Sinn hat und dass die Schweizer bereit sind, sich bei den Einbürgerungen an die eigenen Spielregeln zu halten.

  4. ich finde es auch sehr bedenklich, wie die gegner gegen aussen auftreten, und das liegt sicher nicht nur am geld. sie sind sich wohl auch nicht bewusst, dass man, wenn man was erreichen will, auch das nötige material bereitstellen sollte!
    ich meine, mit einer guten logistik und planung kann man auch mit wenig geld einiges bewegen!!

  5. Die Chefredaktionen zweier Sonntagsblätter haben gestern die Problematik der lahmen Gegner der Einbürgerungs-Initiative aufgenommen. Einerseits die “SonntagsZeitung”, andererseits “Sonntag”. Wir übernehmen telquel das Editorial von “Sonntag”-Chefredaktor Patrik Müller:

    Die SVP-Gegner schlafen

    Patrik Müller, Chefredaktor

    Die Fernseh-«Arena» zur Ein-bürgerungs-Initiative hat keinen klaren Sieger hervor-gebracht. Die anfänglich angespannte Eveline Widmer-Schlumpf schlug sich tapfer, dürfte aber kaum einen Initiativ-Befürworter umgestimmt haben. Und der ungewohnt uninspiriert auftretende Christoph Blocher konnte ausserhalb seiner Fan-Gemeinde nicht punkten.

    Das Unentschieden ist eine Niederlage für die Initiativ- Gegner aus SP, CVP und FDP. Eine Meinungsumfrage zeigte Ende April, dass 48 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Ja stimmen wollen und nur 37 Prozent Nein. Gut möglich also, dass die Regierungsparteien am 1. Juni eine blamable Niederlage einstecken müssen und die Oppositionspartei SVP einen Triumph feiern wird im Spiel «wir gegen alle». Und das gleich im ersten entscheidenden Urnengang nach der Abwahl von Christoph Blocher.

    SP, CVP und FDP müssten also hochgradig alarmiert sein. Doch sie scheinen den Ernst der Lage noch nicht erkannt zu haben. Selbst zwei Wochen vor der Abstimmung sind sie kaum präsent. Die SVP pflastert Plakatwände voll, schaltet Inseratekampagnen, ihre Politiker kämpfen in Turnhallen und Wirtshaus-Sälen für die Einbürgerungsinitiative – Christoph Blocher geht sogar ins Hallenstadion. Die Gegner aber begnügen sich bequem mit Zeitungs-Interviews und TV-Auftritten.

    Gewiss, die SVP hat viel Geld. Aber wenn den Regierungs- parteien ein Nein wirklich wichtig ist, können auch sie Mittel freimachen. Warum dieser halbherzige Einsatz? Der Bundesrat warnt, die Initiative ritze die Grundrechte und öffne der Willkür Tür und Tor. Wäre nicht schon dies Grund genug, mit vollem Engagement gegen die Einbürgerungsvorlage anzutreten?

    Hinzu kommt die Signalwirkung, so kurz vor der Fussball-EM, wo die Welt auf unser Land schaut: Warum tun die Regierungsparteien nicht alles, um zu verhindern, dass die Schweiz als fremdenfeindlich hingestellt wird?

    Im Schlafwagen werden sie diese Abstimmung nicht gewinnen.

    patrik.mueller@sonntagonline.ch

  6. Ich verstehe die Aufregung der Gegner der Einbürgerungsinitiative wegen dem Rekursrecht nicht. Welchen Nachteil hat ein Einbürgerungswilliger, der kein Rekursrecht hat? Will man sich als Ausländer wirklich in einer Gemeinde niederlassen, deren Bürger dagegen waren, dass man sich dort einbürgert? So ein Ausländer kann doch einfach die Gemeinde wechseln bzw. sein glück in einer Ausländern gegenüber freundlicher gesinnten Gemeinde versuchen.

    Entscheident ist doch, dass den Bürgern nicht ständig mehr Rechte entogen werden. Ich habe mich heute erkundigt wie es denn aktuell bei Einbürgerungen z.B. in Kanton Zürich funktioniert…keine der Angefragten Stellen hat mir bislang eine klare Auskunft erteilt.

    Also wie läuft es ab, wenn die Initiative abgelehnt wird? Ich sehe es folgendermassen (für den Kanton Zürich)

    Wenn eine Gemeindeversammlung oder ein anderes für Einbürgerungen zuständiges Organ der Gemeinde ein Einbürgerungsgesuch ohne Begründung oder mit umstrittener Begründung ablehnt, kann der Einbürgerungskandidat, dessen Gesuch abgelehnt wurde Rekurs bei der Rekurskommission einreichen. Im Kanton Zürich wäre dies der Bezirksrat. Dieser fällt dann einen Entscheid und es geht zurück an die Gemeinde.

    Je nach Entscheid muss die Gemeinde dann eine Begründung nachreichen oder aber das Einbürgerungsverfahren neu aufnehmen. Bei Widerwillen kann die Gemeinde den Fall zur nächsthöheren Instanz weiterziehen. Im Kanton Zürich wäre dies der Regierungsrat. Dann wiederholt sich das Spiel auf höhere Ebene und geht dann wieder zurück an die Gemeinde. Will die Gemeinde den Entscheid wiederum nicht akzeptieren (das kostet ein Vermögen!!!) kann sie den Fall bis vor das Bundesgericht weiterziehen….am Ende entscheiden dann die Richter und die Gemeinde muss sich dem Entscheid des Bundesgerichts beugen. Sprich entweder eine anständige Begründung nachreichen oder aber die Einbürgerung mit dem von den Richtern gewünschten Resultat wiederholen.

    Wie sehen sie das? Sehen sie es anderst???? Die Medien haben diesbezüglich leider nicht umfassend informiert und somit versagt. Okay, es gibt kantonale Unterschiede….

  7. ‘@Alexander

    Du weisst ja selbst, wie verlogen Dein “Argument” ist. Wenn Gemeinden 10, 15 Jahre Wohnsitz verlangen, damit sie ein Einbürgerungsgesuch überhaupt entgegennehmen, besteht eben nicht die Möglichkeit, auf die Schnelle umzuziehen, wenn absehbar wird, dass ein lokaler Mob nur aufgrund der Endsilbe des Namens entscheiden wird.

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