McCain vs. Obama oder Weshalb die erste TV-Debatte Mythos und Meilenstein wurde
Publiziert am 08. Oktober 2008Heute morgen um 3 Uhr (MEZ) ging die zweite TV-Debatte zwischen John McCain und Barack Obama in Szene. Die Ausgangslage war klar: McCain liegt in allen Umfragen deutlich zurück, er musste also angreifen. Das tat er auch, allerdings mit durchzogenem Erfolg. Die meisten Kommentatoren und Umfragen sehen Obama obenauf.
So beginnt nun die Phase, die die Amerikaner oft als “going dirty” bezeichnen. Der 72-jährige republikanische Präsidentschaftskandidat hat nur noch eine Chance, wenn er viel Dreck gegen seinen Konkurrenten schleudert. Solche Strategien bzw. Aktionen werden unter dem Oberbegriff “Negative Campaigning” eingeordnet. In den USA haben sie eine lange Tradition.
Ein Meilenstein in der Entwicklung des Wahlkampfs war das erste TV-Duell zwischen einem demokratischen und republikanischen Kandidaten in den USA. Am 26. September 1960 standen sich im CBS-Studio in Chicago der amtierende Vize-Präsident Richard Nixon und John F. Kennedy gegenüber.
Nixon hatte gerade einen längeren Spitalaufenthalt hinter sich und dabei 14 Kilogramm verloren. Er war schlecht rasiert, im Studio schwitzte er, sein Gesicht war blass-grau und er litt unter Schmerzen, was man ihm ansah. Ganz anders Kennedy, der junge Senator aus Massachusetts: In einem Hotelzimmer hatte er sich mit einem Berater und einer Handvoll Kärtchen mit den entscheidenden Stichworten minutiös auf den TV-Auftritt vorbereitet.
Auf diese Weise warmgelaufen, dazu sonnengebräunt, jugendlich und charmant, überzeugte Kennedy eine Mehrheit der amerikanischen Fernsehzuschauer. Er blickte oft in die Kamera und sprach so das Publikum direkt an – ein Novum im Umgang mit dem damals noch jungen Medium. Laut Umfragen wechselten unmittelbar nach dieser Debatte mehrere Millionen Wähler vom Nixon- ins Kennedy-Lager. Der Kennedy-Mythos war geboren, allein über diese Debatte erschienen mehrere Bücher.
Die Debatte wurde zeitgleich auch am Radio ausgestrahlt. Die Radiohörer zweifelten nicht daran, dass Nixon klar gewonnen hatte. Er wirkte auf sie kompetenter als Kennedy.
Diese Erkenntnisse markierten einen Quantensprung. Sie beschäftigen uns bis heute: Non-verbale Kommunkation ist um ein Vielfaches stärker als para-verbale und verbale. Das Auge schlägt Ohr und Intellekt – immer. Charismatiker wie Bill Clinton oder Bertrand Piccard könnten uns irgendeinen Quatsch erzählen und wir fänden das grossartig.
Richard Nixon verlor 1960 nicht nur das erste Fernseh-Duell, sondern auch die Wahlen. 1968 schaffte er schliesslich den Sprung ins Weisse Haus. In seinen 1979 veröffentlichten Memorien schrieb er:
“When you appear on TV it is not important what you say. It is all about how you look.”
(sinngemäss: Es kommt nicht darauf an, was du am Fernsehen sagst. Entscheidend ist, wie du aussiehst.)
Fotos:
– John McCain und Barack Obama: keystone
– John F. Kennedy und Richard Nixon: Images of America
John F. Kennedy erkannte die Bedeutung des Fernsehens. Doch er wies 1959 auch kritisch darauf hin, dass der politische Erfolg des Fernsehens unglücklicherweise nicht auf jene begrenzt sei, die es verdienen würden. Es sei ein Medium, anfällig für Manipulation und Taschenspielertricks. Es könne von Demagogen missbraucht werden, durch den Appell an Emotionen und Vorurteile und Ignoranz.